"Ihr könnt euch für heute bei Kevin Hart bedanken", tönte Wade nach dem Spiel ins Mikrofon. Der 36-Jährige blühte in der Stadt der brüderlichen Liebe auf und versenkte die Sixers mit 28 Punkten (11/19 FG). Als seinen Antrieb nannte Flash das Publikum, insbesondere den in Philadelphia geborenen Comedian, der dem Shooting Guard der Heat über das Spiel einiges zu sagen hatte.
Anders als beispielsweise Film-Regisseur sowie Knicks-Edelfan Spike Lee und Pacers-Star Reggie Miller in den legendären Battles zwischen den New York Knicks und den Indiana Pacers besteht zwischen Wade und Hart zwar eine Freundschaft - aber wie Freunde eben so sind, freut man sich dann doch, wenn man dem Anderen einen reindrücken kann. Vor allem unter solchen Umständen.
Für Philly schien eigentlich alles angerichtet zu sein. Nach dem furiosen Blowout der Sixers in Spiel eins und einer Siegesserie von 17 Spielen war die Euphorie im Wells Fargo Center grenzenlos, auch wenn Joel Embiid zu seinem großen Ärger erneut fehlte. An seiner Statt führte Hart den traditionellen Glockenschlag vor dem Tip-Off aus und die Gastgeber wurden im ersten Viertel vom Publikum getragen, eine schnelle Führung von 9 Punkten war die Folge.
Wade küsst Miami Heat wach
Die Dominanz vom Samstag strahlten die Sixers aber nicht aus, gerade aus der Distanz funktionierte schon zu Beginn wenig (1/8 Dreier im ersten Viertel), einige Offensiv-Rebounds von Ersan Ilyasova übertünchten diesen Makel. Miami konnte daraus aber kein Kapital schlagen, da Goran Dragic früh in Foulprobleme geriet und den Heat nicht viel einfiel.
Es brauchte Einzelaktionen und dafür hatten die Männer vom South Beach genau den richtigen Mann - Wade. Der Shooting Guard drehte die Uhr gefühlt ein Jahrzehnt zurück und machte genau das, was ihn über 15 Jahre in der NBA ausgezeichnet hat.
Im Hexenkessel von Philly bewahrte er einen kühlen Kopf und nahm gefühlt jeden Sixers-Spieler im zweiten Viertel einmal auf den Rücken. Stoppen konnte ihn keiner, schon zur Pause hatte der alternde Star 21 Punkte gesammelt, 15 davon im zweiten Viertel. Er hatte dabei acht seiner neun Würfe getroffen.
Sixers verlieren den Rhythmus
Durch seine Treffer gelang es Miami, ein wenig Tempo aus dem Spiel zu nehmen und einen Stil zu etablieren, welcher dem methodischen Heat-Team viel besser liegt als das temporeiche und überfallartige Spiel der Sixers, bei denen Rookie Ben Simmons im zweiten Viertel nicht ins Laufen kam.
Philly brachte in den ersten sechs Minuten des Abschnitts gerade einmal 2 Punkte aufs Scoreboard, im gesamten Viertel trafen die Gastgeber nur 19 Prozent (4/21 FG).
"Sie haben sehr körperbetont gespielt", analysierte Sixers-Coach Brett Brown. "Großes Lob an sie. Sie haben dafür gesorgt, dass wir unseren Rhythmus komplett verloren haben."
Ben Simmons führt Comeback der Sixers an
Nach der Pause veränderte sich aber wieder die Dynamik, Simmons war nun unglaublich dominant mit 8 Punkten am Stück und so schmolz der Vorsprung der Heat von zeitweise 16 Punkten wieder zusammen. "Es ist nicht leicht, in den Playoffs wird einem nichts mehr geschenkt", wusste auch Heat-Coach Erik Spoelstra, als er auf den Sturmlauf der Sixers angesprochen wurde.
Wade spielte bis dahin in der zweiten Halbzeit keine Rolle, zu Beginn des vierten Viertels wirkte er platt und Spo nahm seinen langjährigen Weggefährten für einige Minuten raus. Er würde ihn schließlich in der Crunchtime brauchen.
Es stellte sich als absolut richtig heraus. Philly war gut vier Minuten vor dem Ende drauf und dran, das Spiel endgültig zu kippen, doch es folgte wieder der große Moment von Father Prime. Wade verließ seinen Gegenspieler in der Ecke, um den ballführenden Dario Saric an der Dreierlinie von hinten den Ball aus den Händen zu schlagen. Es gelang, Kelly Olynyk schaltete schnell und Wade vollendete auf der anderen Seite per Dunk.
Wade: Trash Talk gegen Kevin Hart
"Für diese Momente spiele ich dieses Spiel", freute sich Wade. "Es ist einfach in meiner DNA, ich liebe diese Bühne." Und er war noch nicht fertig: 47,9 Sekunden vor Schluss machte der Finals-MVP von 2006 endgültig den Deckel drauf, als er einen weiteren Jumper direkt vor der Sixers-Bank zum 106:98 versenkte.
Ganz in der Nähe saß auch Philly-Legende Allen Iverson, der Wade mit ein paar nicht jugendfreien Worten Respekt zollte, während der Mann des Tages Hart mit einem bösen Blick bedachte. Es war die Atmosphäre, die Herausforderung, die aus Wade das Maximum herauskitzelte. Vergessen die wenig glorreichen Episoden in Chicago und Cleveland - D-Wade ist ein Heatle.
"Das war meine kleine College-Tour", witzelte Wade gegenüber Ramona Shelburne von ESPN. "Es ist wie damals als Kind. Du willst den Bundesstaat verlassen, doch am Ende des Tages kehrst du doch nach Hause zurück."
Vintage Dwyane Wade
Das werden die Heat nach den beiden Spielen in der Stadt der brüderlichen Liebe nun auch - und das mit dem Auswärtssieg und dem geklauten Heimvorteil im Gepäck. Sixers-Coach Brown kannte den Grund: "Vintage Dwyane Wade", stöhnte er und auch Spoelstra stimmte ein: "Ich habe wieder diese Momente gesehen, die Dwyane Wade ausmachen. Er wird nicht mehr für 40 Minuten spielen, aber mit seiner Erfahrung kann er in der richtigen Dosis immer noch glänzen."
Vor allem gegen Philly scheint Wade in dieser Saison besonders gern zu spielen. In nun insgesamt sieben Spielen gegen die aufstrebende Truppe legte der Guard 17 Punkte im Schnitt auf, Ende Februar traf er am South Beach bei einer 27-Zähler-Performance sogar einen Gamewinner über Simmons.
Und vielleicht folgt in der Nacht auf Freitag die nächste große Performance. Hart will dann auch wieder dabei sein, auch wenn ihm Wade davon in den Sozialen Medien bereits abriet. Dabei würden die Heat Hart wohl sogar den besten Platz in der Arena geben - sein Gerede spornt Wade ganz offensichtlich an.