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Wer zu früh feiert, den bestrafen die Mavs…

Von Florian Regelmann
Dirk Nowitzki und die Mavericks feierten einen der größten Comeback-Siege der Finals-Geschichte
© Getty

Ein unfassbares Comeback der Dallas Mavericks. Aber auch ein unfassbarer Kollaps der Miami Heat. Spiel 2 sorgt für viel Gesprächsstoff: Sind LeBron James und Dwyane Wade ein Opfer ihrer Arroganz? Dirk Nowitzki und Co. rächen sich für 2006.

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Die Miami Heat hatten noch kein einziges Spiel mit LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh gespielt, da bewiesen sie schon, was sie anscheinend am besten können: Sich selbst zu feiern, bevor sie irgendetwas erreicht haben.

Die Bilder sind allen NBA-Fans noch bestens in Erinnerung. Wie die Heat einen richtigen Zirkus veranstalteten, als sie ihre Big Three vorstellten. Als sie James, Wade und Bosh einschweben ließen. Mit Feuerwerk, mit Rauch - und mit der Message: Hey, wir sind die Größten.

Wade und James feiern zu früh

Es sind diese Bilder, die einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass außerhalb von Miami praktisch niemand für die Heat ist und ihnen an vielen Orten blanker Hass entgegen schlägt. Und es ist diese Einstellung, die ihnen zu einem großen Teil jetzt auch den Sieg in Spiel 2 der Finals gekostet haben könnte.

Wade hatte Miami 7:13 Minuten vor dem Ende mit einem Dreier aus der Ecke gerade mit 15 Punkten in Führung (88:73) geschossen, da wollte er den Moment noch ganz besonders genießen und zelebrieren.

Wade hielt seine rechte Hand nach oben, bewunderte seinen eigenen Dreier und tanzte genau vor der Bank der Mavs herum. Als "Highlight" der Choreo stieß dann auch noch James zur Feier hinzu. Die Heat-Superstars hatten mächtig Spaß.

7:13 Minuten später lachten nur noch die Mavs. "Es war der Wendepunkt im Spiel", sagte Jason Terry über das Party-Gehabe der Heat. "Wir haben uns gesagt, dass wir uns auf keinen Fall so fertig machen lassen. Dass wir sie nicht einfach die ganze Zeit über uns drüber dunken lassen. Das wäre wirklich entmutigend gewesen", meinte Terry, der einige Schritte in Richtung des Party-Duos machte, sie aber nicht ganz erreichte, bevor beide Teams auf ihre Seite gingen.

Terry: "Es ist nicht vorbei"

Was er ihnen gerne hätte sagen wollen, das wusste Terry: "Es ist nicht vorbei." Und es war nicht vorbei. Die Mavs drehten das Spiel mit einem irrsinnigen 22:5-Run, neben den Heldentaten von Dirk Nowitzki hatte vor allem Terry einen großen Anteil daran.

Zwar leistete er sich in der Schlussminute einen großen Bock, als er Mario Chalmers völlig frei an der Dreierlinie stehen ließ und dafür von Nowitzki einen heftigen Einlauf bekam, aber insgesamt war Terry ein ganz wichtiger Faktor.

Doch nicht nur er wurde durch den übertriebenen Jubel der Heat angestachelt. "Wir haben es gesehen. Es ist definitiv frustrierend, wenn jemand so etwas macht und vor deiner Bank abfeiert. Wenn sich jemand so selbstdarstellerisch aufführt, dann denkt man sich: 'Das Spiel ist nicht vorbei.' Das ist alles, was wir auf der Bank gesagt haben: 'Hört zu, egal was die da drüben sagen, das Spiel ist noch nicht vorbei", erklärte Tyson Chandler.

Die Heat wollten von alledem nach dem Spiel natürlich nichts wissen. "Es gab keine Feier", sagte James. Und Wade meinte: "Konfetti und Champagner-Flaschen, das wäre eine Feier gewesen." Nun muss man auch so ehrlich sein und sagen, dass die ganze Diskussion vor allem so geführt wird, weil es um die Heat geht. Jedes Team dreht ein bisschen ab, wenn es gerade einen Run hat. Gerade Terry ist schließlich für seinen "Jet"-Jubel bekannt.

Miami hätte gewarnt sein müssen

Dennoch lässt es sich nicht von der Hand weisen, dass die Heat einem definitiv manchmal das Gefühl geben, dass sie im Prinzip schon die Meisterschaft an dem Tag für sich verbucht haben, als James seinen Wechsel verkündete. Ihre Reaktion ist aber trotzdem gar nicht mal so unverständlich, wenn man sich vor Augen führt, wie Spiel 2 bis Mitte des Schlussviertels gelaufen war.

Es war verkürzt gesagt eine Show von Tomahawk-Dunks, die Wade und James abzogen. Dallas schaute bewundernd zu, was für ein wahnsinniges Talent in den Heat steckt. Oder wie es TV-Experte Jeff Van Gundy zwischendurch beschrieb, als Wade in einer seiner Zones war: "Und er ist nur der zweitbeste Spieler in seinem eigenen Team. Es ist unfair. Wie kann man nur zwei solche Spieler haben?"

Dass die Mavs, die mit vielen katastrophalen Ballverlusten noch ganz mies ins letzte Viertel gestartet waren, überhaupt auch nur ansatzweise hoffen durften, lag fast einzig und allein am erneut bärenstarken Shawn Marion. Miami musste sich zu diesem Zeitpunkt gut fühlen. Miami hätte aber auch gewarnt sein müssen.

Es sollte schließlich nicht das erste Mal sein, dass Dallas ein außerirdisches Comeback startet. Miami hätte bei den Lakers nachfragen können, die in Spiel 1 ihrer Serie gegen die Mavs im dritten Viertel schon mit 16 Punkten führten, ehe sie in vier Spielen aus den Playoffs gefegt wurden. Und sie hätten vor allem bei den Thunder nachfragen können.

Größtes Comeback seit 1992

Oklahoma City führte in Spiel 4 der Western Conference Finals im letzten Viertel auch schon mit 15 Punkten Vorsprung, Kevin Durant legte sich schon einen imaginären Championship-Gürtel um - und auch OKC wurde dafür von Dallas böse bestraft.

Wie unglaublich diese Comebacks der Mavs sind? Es genügt ein Blick auf die Statistik. Es war jetzt schon das dritte Mal in den diesjährigen Playoffs, dass ein Team einen solch großen Rückstand im letzten Viertel aufgeholt hat. Dallas schaffte es gegen OKC und Miami, Portland wiederum schaffte es bekanntlich gegen Dallas. In den letzten zehn Playoff-Jahren zuvor war so ein Kunststück dagegen nur ein einziges Mal vorgekommen (2002: Celtics vs. Nets).

Noch ein Beweis dafür, wie speziell so ein Comeback ist: Das letzte Team, das in den Finals einen Rückstand von mindestens 15 Punkten im letzten Viertel aufgeholt hat, waren die Chicago Bulls (1992 gegen Portland).

Aber wie genau ist das neueste Comeback der Mavs zustande gekommen? Was war in den letzten 7 Minuten und 13 Sekunden in der American Airlines Arena nur los? "Ich weiß gar nicht so wirklich, was passiert ist", sagte ein sichtlich schockierter Chris Bosh.

Wade und James in der Crunchtime unsichtbar

Es gibt wie so oft zwei Sichtweisen, aus denen man das Dallas-Wunder beleuchten muss. Zum einen aus Sicht der Heat. Bei allem Lob für die Leistung der Mavs in den letzten sieben Minuten kommt man auch nicht drumherum, dass man klipp und klar sagen muss: Miami hat kolossal versagt.

Es war zwar gute Defense von Dallas, aber auch furchtbare Offense von Miami. Die Heat brachten nur noch ein einziges Field Goal (1/10) zustande, den schon erwähnten Chalmers-Dreier in der letzten Minute. Ansonsten kam nichts. Null. Nada. Wade und James erzielten in den entscheidenden Minuten nicht einen Punkt.

Wade, der so ein überragendes Spiel gemacht hatte, bekam den Ball viel zu wenig in seine Hände. Und James verlegte sich darauf, irgendwelche Superman-artigen Dreier treffen zu wollen. Die Heat-Offense war komplett ohne Bewegung, es war stupider Eins-gegen-Eins-Basketball. Die mickrigen 13 Team-Assists, die Miami am Ende auf dem Konto hatte, sprechen Bände.

Das Einzige, was den Heat einfiel, waren Distanzwürfe. Sie nahmen einen langen Jumper nach dem anderen und versuchten es in der Crunchtime nicht ein einziges Mal, zum Korb zu kommen.

Miami und das Closer-Problem

"30 Dreier in einem Spiel zu schießen ist nicht der Stil, den wir spielen wollen", gab Erik Spoelstra zu. Der Heat-Coach ist aber selbst keinesfalls frei von Schuld. Als Nowitzki in den letzten Sekunden den Ball bekam und zum Game-Winner ansetzte, verzichteten die Heat darauf, zu doppeln.

Und selbst als Nowitzki dann in Richtung Korb marschierte, kam kein Heat-Verteidiger angeflogen. Mal abgesehen davon, dass Miami noch ein Foul hätte nehmen können, bevor es Freiwürfe gegeben hätte.

"Sie hatten uns schon einige Male bestraft, wenn wir gedoppelt haben. Wir haben es mit unserer normalen Defense versucht. Aber Nowitzki hat einen Wahnsinns-Drive gemacht", sagte Spoelstra. Der Drive von Nowitzki war stark, aber Bosh sah dagegen auch wie ein High-School-Spieler aus.

"Er hat den Move gemacht, den er immer macht. Es war schlecht verteidigt von mir", übte der vor allem offensiv enttäuschende Bosh Selbstkritik. Die letzte Szene war aber nur das Ende einer Kette von Fehlern, die Miami plötzlich wieder wie das Team aussehen ließ, das man in der Regular Season gesehen hatte. Ein Team, das absolut keinen Plan hat, wie man enge Spiele fertig spielt und Siege nach Hause bringt.

Carlisle: "Solche Spieler spüren keinen Schmerz"

Ganz im Gegensatz zu den Mavs, die ihre Unforced Errors zum richtigen Zeitpunkt abstellen konnten, in Defense und Offense nahezu perfekt spielten und vor allem mit großem Erfolg den Korb attackierten.

"Wenn du eine Championship gewinnen willst, musst du die nötigen Mittel haben, um dran zu bleiben, wenn es nicht läuft. Unsere Jungs haben das ganze Jahr an sich geglaubt und heute war es wieder ein gutes Beispiel dafür. Sie mussten das Spiel gewinnen, und es war nicht einfach. Das Entscheidende war, dass wir sie in der Defense stoppen konnten", sagte Mavs-Coach Rick Carlisle.

Dass Nowitzki nach eigenen Angaben von seinem Sehnenriss am linken Mittelfinger gar nicht beeinträchtigt war, verwunderte Carlisle nicht: "Ich habe drei Jahre lang mit Larry Bird zusammengespielt, als er der beste Spieler der Welt war. Solche Spieler spüren in so einer Situation keinen Schmerz. Du musst ein Krieger sein in solchen Momenten."

Abgesehen von Nowitzki und dem ebenfalls angeschlagenen Terry (Handgelenk) hat auch Backup-Center Brendan Haywood jetzt Verletzungsprobleme. Haywood stand nur acht Minuten auf dem Feld, ehe er wegen einer Hüftverletzung in die Kabine musste. Er soll aber für Spiel 3 wieder einsatzbereit sein.

Erinnerungen an 2006

Dallas hat mit dem Sieg auch den fast sicheren Finals-Tod vermieden. Seitdem die Finals im 2-3-2-Format ausgetragen werden, hat ein Team nach einer 2-0-Führung in 14 von 15 Fällen auch den Titel geholt. Die einzige Ausnahme waren logischerweise die Mavs selbst, als sie 2006 gegen Miami schon 2-0 vorne lagen und noch den Titel verspielten.

Damals waren sie es, die vielleicht zu früh jubelten und schon an die Victory-Parade durch die Stadt dachten. Die Parallelen zu 2006 sind schon kurios. Dallas hatte Spiel 3 der 2006er Finals schon genauso im Sack, wie Miami jetzt Spiel 2. Statt mit 3-0 in Führung zu gehen, verkürzte Miami damals auf 1-2. Die Wende war eingeleitet. Fünf Jahre musste Nowitzki mit diesem Trauma leben, jetzt könnte es genau andersherum laufen.

Diesmal war Miami eigentlich schon 2-0 vorne und auf sicherem Weg zum Titel, aber Dallas kam zurück. Und während die Mavs mit neuem Selbstvertrauen in Spiel 3 gehen werden (Mo., 1.45 Uhr im LIVE-TICKER), muss man bei den Heat abwarten, wie sie das Desaster wegstecken und welche Spuren es hinterlassen wird. Zu früh jubeln werden sie wohl kaum mehr.

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