Nein, die Defense der New England Patriots lieferte in ihrem ersten Playoff-Spiel dieser Saison alles andere als eine Glanzleistung ab. Vier Touchdown-Pässe gelangen Ravens-Quarterback Joe Flacco in Foxborough, Baltimores Justin Forsett erlief bei 24 Versuchen 129 Yards - ein satter Schnitt von 5,4 Yards pro Run. Am Ende standen aus Pats-Sicht die drittmeisten gegnerischen Punkte und die viertmeisten gegnerischen Yards zu Buche.
So musste die Offense doch wieder die eigene Defense raushauen, wie es in New England über die letzten zehn Jahre schon so häufig der Fall war. Zwei 14-Punkte-Comebacks legten Tom Brady und Co. hin, auch Coach Bill Belichick gab anschließend zu: "Ich denke, das war nicht unser bestes Spiel. Wir haben viele Yards, Punkte und Third-Down-Conversions hergegeben. Wir müssen besser coachen und wir müssen besser spielen."
Eine starke Free Agency
Doch genau solche (notwendigen) Comebacks hatten die Patriots eigentlich nicht mehr geplant, als die Saisonvorbereitungen starteten. Vince Wilfork, der gerade einen Achillessehnenriss hinter sich und einige Wochen zuvor öffentlich um seine Entlassung gebeten hatte, stimmte nach einigem Hin und Her Ende März einer Umstrukturierung seines Vertrages zu und sollte der Defense erhalten bleiben.
Dazu gelang Belichick in seiner Secondary ein echter Coup, Free Agent Darrelle Revis unterschrieb nach seiner Entlassung in Tampa Bay bei den Pats und aus Seattle kam Brandon Browner - plötzlich hatte New England wieder eine potentiell dominante und physische Secondary, die der Defense mehr Flexibilität geben und gleichzeitig den Pass-Rush unterstützen können sollte.
Allerdings brauchte die neu zusammengewürfelte Einheit etwas Zeit, um sich einzuspielen. Während sich die Secondary insgesamt schnell fand und vor allem Revis an alte Glanzzeiten anknüpfen konnte, haperte es bei den Pats oftmals in der Run-Defense - auch gegen die Ravens am vergangenen Samstag eine Baustelle. Und dennoch: Bis zum Ende der Regular Season hatte sich New England als eine insgesamt starke Defense etabliert, deren großer Vorteil die Variabilität ihrer Spieler und daraus resultierend die Flexibilität ist.
"Wenn du deine Defense aufbaust, musst du dich fragen: Wie kannst du verschiedene Herausforderungen meistern? Statistisch verändert sich die Anzahl der Snaps mit fünf Defensive Backs dramatisch, vor allem in diesem Jahr", erklärte Belichick jüngst: "Es gibt kaum noch Teams - vielleicht vier oder fünf - die weniger als 50 Prozent ihrer Snaps im Nickel spielen. Wir sind da denke ich bei rund 70 bis 75 Prozent."
Wilforks Comeback und Dauerbrenner Rob
Doch ob Nickel oder sogar Big Nickel (2-3-6-Formations, die etwa Arizona in dieser Saison häufig nutzte und die es erschwert, Blitzer zu erkennen) - am Ende beginnt auch in New England alles an der Line und dadurch unweigerlich mit Wilfork. Der massive, 33-jährige Run-Stopper in der Mitte stand nach auskuriertem Achillessehnenriss für unfassbare 73,9 Prozent der Defense-Snaps auf dem Platz, zog wie gewohnt gegnerische Double-Teams auf sich und verdiente sich jeden Cent seines finanziellen Bonis.
"Ich habe extrem hart dafür gearbeitet, wieder so spielen zu können, wie ich es von mir selbst gewohnt war. Es macht Spaß, mit diesem Team zu arbeiten", erklärte Wilfork, der einzige Pats-Spieler neben Brady, der bereits einen Super Bowl gewonnen hat, vor einigen Tagen, und lobte in der "USA Today" weiter: "In der Vergangenheit hatten wir wahrscheinlich zwei Jungs, die verschiedene Positionen spielen konnten. Jetzt haben wir deutlich mehr. Das macht es für unsere Gegner schwieriger."
Beispiele für diese Flexibilität sind Dauerbrenner Rob Ninkovich (93,9 Prozent der Defense-Snaps auf dem Platz) und Chandler Jones, der allerdings für mehrere Wochen ausgefallen war. Beide können als Pass-Rusher fungieren, beide sind aber auch athletisch genug, um etwa Tight Ends zu decken. So kann New England zwischen einem 4-3 und einem 3-4 variabel wechseln, vereinzelt kommt Jones auch über die Mitte, während die Linenbacker Jamie Collins und Dont'a Hightower eine Seite überladen.
Druck, Druck, Druck
Vor allem Ninkovich legte in dieser Saison einen steilen Weg zurück: Beim Saison-Auftakt gegen Miami stand er für weniger als die Hälfte aller Snaps (35 von 74) auf dem Platz, etablierte sich aber schnell und war früh nicht mehr aus der Startformation wegzudenken. "Die Defensive Line hat bislang in dieser Saison einen herausragenden Job abgeliefert, wenn es darum ging, Druck auf den Quarterback auszuüben", lobte Revis vor einigen Wochen.
Das Result waren 40 Sacks - als Team ein guter, durchschnittlicher Wert, doch interessant ist bei den Pats der hier große Einfluss der D-Line: Ninkovich (8), Jones (6), der erst im Oktober von den Titans geholte Akeem Ayers (4), Chris Jones (3), Sealver Siliga (2,5), Dominique Easley (1), Joe Vellano (1) und Zach Moore (0,5) waren für starke 26 dieser Sacks verantwortlich.
Und dennoch hatte New England über die Saison hinweg konstant Probleme mit der eigenen Front - weshalb Forsetts starke Leistung am vergangenen Wochenende nur bedingt überraschte, und was in einem möglichen Super Bowl gegen Seattle eine ernsthafte Baustelle darstellen würde. Da sich Jerod Mayo, der Leader und Signal-Caller der Defense, am sechsten Spieltag die Patellasehne riss, blieb die Run-Defense das Sorgenkind: Vier Spiele verlor New England in dieser Saison bislang und ließ in zwei dieser Partien über 200 Rushing-Yards zu.
Keine Sorgen bei Linebackern
Damit rücken die Linebacker automatisch in den Fokus - doch trotz der Schwierigkeiten in der Run-Defense haben die Patriots hier womöglich eine neue Traum-Kombination für die Zukunft gefunden. Dont'a Hightower und Jamie Collins bilden seit der zweiten Saisonhälfte eines der besten Linebacker-Duos der Liga, auch hier ist die Vielseitigkeit der Schlüssel.
Auch wenn Collins gegen das starke Zone-Blocking-Scheme der Ravens Probleme gegen den Run hatte, gelangen ihm einige herausragende Plays. So verfolgte er Fullback Kyle Juszczyk 40 Yards über den Platz und verhinderte einen Touchdown-Pass, machte vor allem in der zweiten Halbzeit über die Mitte deutlich mehr Druck und verpasste zwei Sacks nur knapp.
In der Regular Season verzeichnete kein Patriots-Spieler mehr Tackles als Collins (115, acht davon im Backfield). Eine seiner größten Stärken ist es, Running Backs zu decken, die aus dem Backfield kommen - gegen die Colts am Sonntag womöglich ein Schlüsselduell.
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