Geht nicht - gibt's nicht! Aaron Rodgers von den Green Bay Packers ist der kompletteste Quarterback der NFL - und könnte in diesem Jahr die Anzahl seiner Titel und MVP-Awards verdoppeln. Dumm nur, dass es am Sonntag (21:05 Uhr im LIVE-TICKER) gegen den Angstgegner aus Seattle geht. SPOX beleuchtet die Karriere des 31-Jährigen, die mittlerweile sogar die von Packers-Legende Brett Favre in den Schatten stellt.
In Wisconsin isst man gern. Der Bundesstaat im verschneiten Norden der USA ist berühmt für seine schmackhaften Bratwürste, kein anderer produziert so viel Käse. Dementsprechend liegt der Anteil der Übergewichtigen bei schlanken 66 Prozent.
In Wisconsin liebt man Football. Vor allem in Green Bay am Lake Michigan: Die Packers sind die einzige Franchise der NFL, die nicht in Privatbesitz ist. Stattdessen gehört das Team der Stadt - und auf eine verfügbare Dauerkarte warten Fans im Schnitt mehrere Jahrzehnte. Mit 13 Titeln, vier davon in der Super-Bowl-Ära, ist man in "Title Town" der Konkurrenz weit voraus.
Wenn man diese Leidenschaften verbindet, steht auf der Speisekarte in Lambeau Field plötzlich ein 1,6 Kilogramm schwerer Burger. Mit Bacon, Rind, Wild, Zwiebelringen, ein bisschen Grünzeug, jeder Menge Käse - und noch mehr Bacon. Der Name der 20-Dollar-Monströsität, die in der Divisional Round gegen die Dallas Cowboys serviert wurde: "Big Game Burger".
Passt ganz gut zum derzeitigen Quarterback.
Geniale Routine
Der lieferte nämlich gegen die Gäste aus Texas mal wieder ein starkes Spiel ab und legte beim 26:21 317 Yards und drei Touchdowns auf - natürlich ohne Interception. Trotz einer schmerzhaften Wadenverletzung, die ihn seit Wochen plagt und seine Mobilität empfindlich einschränkt, nahm er den Gegner nach der Pause förmlich auseinander. "Sein Auftritt in der zweiten Halbzeit, besser geht es nicht", rühmte Head Coach Mike McCarthy.
Die Offense der Packers: "Ein bisschen Freestyle"
Was die verwöhnten Fans im heimischen Stadion mittlerweile gewohnt sind: Seit 2012 leistete sich der 31-Jährige dort nämlich keinen Pick mehr. Bei 506 Pässen, darunter 41 Touchdowns. Natürlich blieben die Packers zuhause in der abgelaufenen Saison unbesiegt. Rodgers ist so gut, dass Genialität bei ihm zur Routine verkommt.
Karrierestart auf der Bank
Das war nicht immer so. Denn als der in Kalifornien aufgewachsene und aufs College gegangene Nachwuchs-Quarterback 2005 von den Packers gedraftet wurde, leuchtete dort noch der Stern von Packers-Legende Brett Favre. Und der hatte trotz seiner fast 36 Jahre überhaupt keine Lust aufs Abstellgleis. Und schon gar nicht auf einen Lehrling. "In meinem Vertrag steht nichts davon, dass ich Aaron Rodgers auf die NFL vorbereiten muss", ätzte der "Gunslinger" gegenüber "ESPN". "Ich muss überhaupt niemandem helfen. Kein bisschen."
So nahm Rodgers, den manche sogar als potenziellen Top-Pick gehandelt hatten, erst einmal zwei Jahre hinter Favre auf der Bank Platz. Als der sein Karriereende nach der Saison 2006 kurzfristig zurücknahm, wurde daraus ein drittes Jahr, obwohl ihm der Startplatz bereits versprochen worden war. "Ich würde lügen, wenn ich sage, dass es keine große mentale Hürde ist", gab er im Sommer 2007 zu. "Ich habe jetzt ja wieder kaum Chancen auf Einsatzzeit."
Trotzdem musste die Nummer 12 Jahre später eingestehen, dass es auch Vorteile hatte, nicht sofort ins kalte Wasser geworfen zu werden. Er arbeitete hart an seiner Fitness, seiner Technik - und lernte von einem der ganz Großen. Übernahm dessen Stärken, aber vermied dessen Schwächen.
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Denn wo Favre, ganz Revolverheld, neben einer Unzahl Touchdowns auch jede Menge Interceptions auflegte - stolze 336 Picks in seiner Karriere - agiert sein Nachfolger überlegter und legt besonderen Wert darauf, Turnover um jeden Preis zu vermeiden. "Er tut alles dafür, damit der Ball in unserem Besitz bleibt", erklärt Rodgers' Lieblings-Receiver Jordy Nelson. "In jedem Spiel sagt er: 'Wenn wir ohne Turnover bleiben, dann gewinnen wir', was ja normalerweise auch stimmt."
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Die Zahlen sind beeindruckend: Nur zweimal in sieben Jahren als Starter kam eine zweistellige Anzahl an Interceptions zusammen, seit 2011 sind es weniger als sieben pro Spielzeit. Zum Vergleich: Peyton Manning kommt im gleichen Zeitraum auf zwölf pro Saison, Tom Brady auf durchschnittlich zehn. In der Geschichte der NFL ging noch kein Quarterback so sorgsam mit dem Football um wie Rodgers.
Der perfekte Quarterback?
Doch das ist nur ein Teil dessen, was Rodgers under Center ausmacht. Er ist das QB-Komplettpaket, Vollausstattung, Luxusedition. 1,88 Meter groß, athletisch, beweglich, flink. Er hat Bradys Fastball, Joe Flaccos Arm, Russel Wilsons Fähigkeit, plötzlich zu entwischen und ein First Down zu erlaufen. Niemand feuert seine Pässe so schnell und dabei so präzise wie Rodgers, auch außerhalb der Pocket, auf der Flucht vor Pass Rushern.
Auch deshalb wird der MVP von 2011 (45 TDs, 6 INTs!) bereits als einer der besten Quarterbacks aller Zeiten angesehen - dabei könnte er gut und gerne noch weitere sieben Jahre spielen. Seine Wikipedia-Seite listet gleich 41 NFL-Rekorde auf, in den ersten 100 Spielen hat sich statistisch noch niemand so gut verkauft. "Wo geht die Reise hin? Hoffentlich kann ich dieses Niveau halten", sagt Rodgers. "Ich denke, ich habe die Messlatte ziemlich hoch gelegt, und daran will ich mich messen lassen."
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In einem Zeitalter, in dem sich das Spiel in der National Football League rasant weiterentwickelt und Rekorde, gerade die von Quarterbacks, beinahe stündlich gebrochen werden, ist bei nackten Zahlen immer Vorsicht geboten. Ein Großteil der Rekorde könnte schon in naher Zukunft von Andrew Luck gebrochen werden, und dahinter stehen bereits die nächsten QB-Talente in den Startlöchern.
Trotzdem: Wenn man sich einen Quarterback schnitzen könnte, er würde Rodgers wohl verdächtig ähnlich sehen. Schwächen muss man bei ihm mit der Lupe suchen: Vielleicht ist er manchmal ein wenig zu vorsichtig, gerade wenn sein Team in der Schlussphase zurückliegt. Seine Art, einen Spielzug bis zur letzten Sekunde auszudehnen und immer wieder die Flucht nach vorn anzutreten, macht ihn anfällig für harte Hits - im vergangenen Jahr musste er nach einem Schlüsselbeinbruch sieben Spiele pausieren.
Ändern will er sich nicht. "So spiele ich eben. Ich verlängere Plays gerne, auch zu Fuß, und so will ich das auch in Zukunft machen - so lange wie irgend möglich", betont er. Das hat er mit seinem Vorgänger Favre gemein, auch der zeigte sich allergisch dagegen, den Ball einfach mal in die Zuschauer zu werfen.
Titel, dann Durststrecke
Favre gewann in Green Bay einen Titel, in seiner fünften Saison in Wisconsin. In dieser Hinsicht hat ihn Rodgers bereits überflügelt, wenn man so will: Bereits nach seiner dritten Spielzeit als Starter durfte er die Vince Lombardy Trophy in die Höhe recken - spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte er Favre, der mit mehrfachen Pseudo-Rücktritten viel Kredit verspielt hatte, in der Gunst der Cheeseheads überflügelt. In den Playoffs Anfang 2011 legten die Packers einen unglaublichen Run hin, gewannen drei Auswärtsspiele und schließlich den Titel gegen die Pittsburgh Steelers. Super-Bowl-MVP Rodgers war in der Postseason einfach brillant: Insgesamt elf TDs, nur zwei Picks, über 68 Prozent angekommene Pässe.
Danach hatten die titelhungrigen Fans in Grün-Gelb einige Rückschläge zu verkraften: Drei der nächsten vier Playoff-Partien wurden verloren, darunter zwei Heimspiele. Rodgers bekleckerte sich nicht mit Ruhm, war allenfalls guter Durchschnitt. Auch er hat also Nachholbedarf: "Ich will der Beste sein. Ich will, dass sich meine Teamkollegen, das Team und die Fans auf mich verlassen können", sagte er gegenüber "mmqb.com". "Die Vorbereitung, das Training in der Offseason - das alles dient nur diesem Ziel."
Werbestar und Hollywood-Freundin
Wenn er gerade nicht trainiert - von Tom Brady hat er sich dazu inspirieren lassen, jedes Jahr ganz besonders an einem Aspekt seines Spiels zu arbeiten - vertreibt sich der gläubige Christ die Zeit auf dem Golfkurs, am Strand oder mit der Gitarre in der Hand. Wo er vor wenigen Jahren noch auf Privatsphäre bestand, hat er sich mittlerweile jedoch mit dem Interesse der Öffentlichkeit abgefunden. Spätestens seit er mit Hollywood-Star Olivia Munn zusammen ist - denn die plaudert auch schon mal ungeniert über das Sexleben der beiden.
Die vielen Schlagzeilen auf und abseits des Platzes machen sich auch im Portemonnaie bemerkbar. Rodgers' Bekanntheitsgrad ist zu dem von Brady und Manning aufgerückt, letzterem macht er in Sachen Werbespots mittlerweile Konkurrenz: Keine NFL-Übertragung mehr ohne den Superstar. Wobei ihm Peyton dann in punkto Witz vor der Kamera doch noch eine Schippe voraus zu sein scheint...
Was daran liegen könnte, dass Rodgers' Humor eher spezieller Natur ist. "Wir nennen seine Witze 'fortgeschrittene Algebra'. Viele verstehen sie einfach nicht", so sein früherer Teamkollege Daryn Colledge. Da werden Präsidentennamen abgefragt, obskure Filmzitate in Unterhaltungen eingebunden oder wenig schmeichelhafte Fotos der Mitspieler in Meetings eingebunden.
"R-E-L-A-X"
Am witzigsten findet das Rodgers selbst. Und wenn er sich wohl fühlt, wird der Locker Room angesteckt. "Er ist so ruhig und relaxed wie nur möglich", verriet Offensive Tackle Bryan Bulaga dem "Wall Street Journal". "Das wirkt sich auch auf uns aus. In der Kabine ist von Panik keine Spur." Apropos "relaxed". Das empfahl Rodgers übrigens auch den Fans nach dem Saison-Fehlstart mit nur einem Sieg aus drei Spielen: "R-E-L-A-X. Wir werden das schon hinkriegen."
Haben sie - und Rodgers ist Favorit auf seinen zweiten MVP-Award. Trotz der lädierten Wade, die auch in einem eventuellen Super-Bowl-Auftritt noch schmerzen wird, wie er verriet: "Ich dachte zuerst, dass ich mir die Achillessehne gerissen habe." Den Physios sei Dank ging es gegen die Cowboys gut, in der NFC Championship wartet jedoch ein ungleich größerer Stolperstein: der Titelverteidiger aus Seattle.
gettyNur noch 120 Minuten
Kein gutes Omen für die Packers, die auswärts antreten müssen. Den Saisonstart im September hatte man im CenturyLink Field sang- und klanglos mit 16:36 vergeigt. Die Seahawks haben darüber hinaus pünktlich zu den Playoffs ihre absolute Bestform erreicht. Kann der beste Deep-Ball-Thrower der NFL gegen die Legion of Boom etwas ausrichten - auf einem Bein? In der Regular Season visierte er kein einziges Mal die Seite von Richard Sherman an. Geht er diesmal mehr Risiko?
Rodgers wird die Herausforderung angehen, so wie er vor neun Jahren die Herausforderung hinter Brett Favre anging. Mit dem versteht er sich mittlerweile übrigens blendend. Vielleicht hat er Favre am 1. Februar endgültig distanziert: "Ich denke, ich kann noch weitere 120 Minuten gehen." Und mit einem zweiten Ring wären die Schmerzen um einiges leichter zu ertragen.
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