NFL

Eine Erschütterung der Macht

Chip Kelly hat im Kader der Eagles ordentlich aufgeräumt
© getty

Sowohl in der Bay Area, als auch in der AFC East könnten jahrelange Machtverhältnisse in der kommenden Saison erschüttert werden. Die Preseason sollte darüber hinaus Erkenntnisse über die Pläne von Zar Chip Kelly sowie ein mögliches Comeback von Johnny Manziel liefern. Außerdem: Die mögliche PAT-Revolution, eine Traumehe auf Zeit in Denver und Fragezeichen in Seattles Legion of Boom.

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Gibt es das Desaster in der Bay?

Viele 49ers-Fans dürften nur noch Galgenhumor übrig gehabt haben, als die Aldon-Smith-Meldung am Freitag einschlug. Wegen einer erneuten Festnahme wurde der genauso talentierte wie verantwortungslose Pass-Rusher, der über die letzten beiden Jahre bereits 14 Spiele aufgrund seiner Probleme abseits des Platzes verpasst hatte, entlassen.

Mit Smith geht der einzige Top-Pass-Rusher der Niners (44 Sacks aus den letzten vier Spielzeiten) und so kam es wenig überraschend, als der neue Defensive Coordinator Eric Mangini dem San Francisco Chronicle erklärte: "Man kann ihn nicht einfach ersetzen, seine Fähigkeiten sind einzigartig. Aber wir haben uns darauf konzentriert, unsere Defense flexibel zusammenzustellen."

Doch Mangini, der nach dem Abgang von Star-DC Vic Fangio vom Tight-Ends-Coach zum Defensive Coordinator befördert wurde, hat durch den Smith-Abgang womöglich endgültig ein Problem, das er nicht lösen kann. Schon zuvor standen die Abgänge der Cornerbacks Perrish Cox (14 Starts im Vorjahr) und Chris Culliver (14), die Rücktritte der ILB Patrick Willis und Chris Borland sowie das Karriereende von DT Justin Smith fest.

Somit fehlen San Francisco auf allen drei Ebenen der Defense Schlüsselspieler sowie langjährige Leader, was mit Blick auf die verbesserten Offenses der Division-Rivalen Seattle und Arizona (und womöglich auch St. Louis) nicht gerade Mut macht. Die Spieler, die San Francisco verloren hat, haben in der Vorsaison zusammen gerechnet prozentual mehr Snaps gespielt als die Abgänge irgendeines anderen Teams. Das beinhaltet auch die Offense, wo die O-Line-Men Mike Iupati und Anthony Davis genauso weg sind wie Running Back Frank Gore.

Offensive Coordinator Greg Roman hat im Zuge der Trennung von Head Coach Jim Harbaugh auch das Weite gesucht. So stehen die 49ers vor dem kompletten Neuaufbau, wobei sich in dieser Saison zeigen dürfte, ob Colin Kaepernick der richtige Quarterback dafür ist. Kurzum: San Francisco ist ein heißer Anwärter auf einen Top-3-Draft-Pick im kommenden Frühjahr und die Machtverhältnisse in der Bay Area könnten sich zum ersten Mal seit Jahren in Richtung Oakland verschieben.

Was macht Chip Kelly?

Die vielleicht ligaweit spannendste Frage vor der kommenden Saison. Eagles-Coach Chip Kelly hat, nachdem er die Kontrolle über den Kader bekommen hatte, ordentlich aufgeräumt und mit LeSean McCoy und Jeremy Maclin weitere Superstars abgegeben. DeMarco Murray und Ryan Mathews sollen das direkte North-South-Running-Game künftig tragen.

Zum ersten Mal seitdem Kelly den Sprung von Oregon in die NFL gewagt hat, werden die Zuschauer wohl eine Offense sehen, die seinen Wunschvorstellungen zumindest nahe kommt. Anführen soll die Quarterback Sam Bradford, der zwei Kreuzbandrisse hinter sich hat und aus St. Louis kam. Eagles-Fans haben bereits eine Petition gestartet, um sein Knie durch den Papst segnen zu lassen, wenn der im September nach Philly kommt.

Chip Kellys Offense: Der Wahnsinn hat Methode

Nach einem langsamen Start in die Saisonvorbereitung, der schon für erste Verunsicherung sorgte, wirkte Bradford zuletzt im Training gut und scheint Mark Sanchez zunehmend zu verdrängen. Selbst nur die Züge der neuen Offense, viel mehr gibt die Preseason für gewöhnlich selten her, zu sehen, wird extrem spannend.

Können Bradford und Murray, die sich bereits aus dem College kennen, Kellys Vision von einer schnellen, direkten Offense aufs Feld bringen? Die Receiver Jordan Matthews sowie Rookie Nelson Agholor könnten in der neuen Eagles-Offensive schnell zu Superstars werden. Gleichzeitig steht Kelly unter Druck: Die große Macht verpflichtet und die kritische Fan-Base der Eagles wird alles andere als einen Playoff-Run nicht akzeptieren. Die Eagles sind vor dem Start der Preseason das vielleicht interessanteste Team.

Bringt die PAT-Reform eine Revolution?

Seit 2010 haben Kicker über 99 Prozent der Extrapunkt-Versuche nach einem Touchdown verwandelt, lange wurde diskutiert, wie man den PAT spannender machen kann. Die Entscheidung fiel endlich in dieser Offseason: Der Extrapunkt wird von der 15-Yard-Line (bislang von der 2-Yard-Line) ausgetragen, was den Kick zunächst einmal schwieriger macht.

Gleichzeitig aber dürfen Teams weiterhin auch 2-Point-Conversions versuchen - und das weiter von der 2-Yard-Line. Der Mut der Head Coaches soll so gekitzelt werden, aber Vorsicht ist geboten: Defenses können ab sofort per Block, Fumble oder Interception, wenn der Ball zurück in die gegnerische Endzone getragen wird, ihrerseits zwei Punkte holen.

Einige Coaches dürften sich hier ohne jeden Zweifel so ihre Gedanken über den Sommer gemacht haben, um den einen oder anderen zusätzlichen Punkt einzusammeln und Gegner mit verwandelten 2-Point-Conversions unter Druck zu setzen. Ein Kandidat hierfür ist Chip Kelly und nicht wenige vermuten, dass die Regeländerung Tim Tebow am Ende zu einem Platz im finalen Kader der Eagles verhelfen könnte.

Die Preseason kann hier schon einige Anzeichen liefern, denn Coaches können ohne Druck ausprobieren, welche ihrer Varianten funktionieren und welche nicht. Bears-RB Matt Forte könnte derweil durch die Regeländerung einen neuen NFL-Rekord aufstellen: Die aktiven Spieler führt er mit fünf verwandelten 2-Point-Conversions an, die All-Time-Bestmarke hält Marshall Faulk mit derer sieben.

Kommt die Machterschütterung in der AFC East?

Kaum eine Division war in diesem Jahrtausend so einseitig wie die AFC East. Die Patriots gewannen die East in zwölf der 15 Spielzeiten seit dem Millennium und sammelten anschließend sechs AFC-Titel sowie vier Super Bowls. Doch vor kaum einer Saison schien die Gelegenheit, die Machtverhältnisse zu kippen, so groß wie in diesem Jahr. Die Miami Dolphins haben sich mit Ndamukong Suh den dicksten Fisch der Free Agency geangelt und bauen offensiv auf das effektive Running Game von Bill Lazor.

Gleichzeitig hofft Miami auf den nächsten Schritt von QB Ryan Tannehill. Der hat mit TE Jordan Cameron sowie Rookie-WR DeVante Parker zwei neue Waffen bekommen, die früh eine Rolle spielen dürften. Auch die New York Jets haben ihre Offense verstärkt, Geno Smith sollte sich womöglich zum letzten Mal beweisen - der erste Eindruck war mehr als gut. Das ist auch dringend nötig: Was die Effizienz in der Red Zone angeht (36,2 Prozent) waren die Jets in der vergangenen Saison das Liga-Schlusslicht.

Doch in der Preseason kann ihn jetzt Ryan Fitzpatrick verdrängen, wenn auch unter kuriosen Umständen. Während eines Streits in der Kabine schlug IK Enemkpali am Dienstag zu und brach Smith den Kiefer, die Konsequenz: Rund sechs bis zehn Wochen Pause. Für Enemkpali gab es die Entlassung. Auf der anderen Seite ist die Secondary mit Ex-Patriot Darrelle Revis und Antonio Cromartie wiedervereint, der ebenfalls neu verpflichtete Buster Skrine wird als Nickel-CB auflaufen.

In Leonard Williams gab es einen Draft-Steal, der die starke D-Line nochmals aufwertet. Sowohl Williams, als auch jetzt unerwartet Fitzpatrick stehen in der Preseason im Fokus. Dazu kommen die Bills, die seit 15 Jahren auf ein Playoff-Spiel warten - die längste aktive Durststrecke in der NFL. Dass Buffalos ohnehin herausragende Defense unter Rex Ryan eine der besten der Liga sein wird, steht außer Frage. Vielmehr geht es um die Offense.

Die wird unter Ryan und Ex-49ers-OC Greg Roman stark auf das Running Game fokussiert sein, doch die QB-Position bleibt eine einzige Baustelle. Im Training Camp konnte sich keiner wirklich absetzen, Matt Cassel geht vor EJ Manuel als Starter in die Preseason. Es ist die schwächste QB-Gruppe der Liga, doch einer wird sich in der Preseason durchsetzen (müssen).

Bei den Patriots wird die QB-Position ebenfalls unter der Lupe stehen - wenn auch unter ganz anderen Umständen. Da die Vier-Spiele-Sperre gegen Tom Brady nach wie vor steht, wird es spannend zu sehen, wie viel Spielpraxis Bill Belichick Backup Jimmy Garoppolo in der Preseason gibt. Garoppolo kommt mit großen Vorschusslorbeeren, muss aber noch beweisen, dass er für die Starter-Rolle bereit ist.

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