Beginnt mit Böhringer eine neue NFL-Zeitrechnung?
Die NFL wird die Daumen drücken und hoffen, dass sich Böhringer auf absehbare Zeit in der NFL etablieren kann - wenn möglich sogar als einer der besseren Receiver. Und nicht nur er, sondern auch seine Freunde Anthony Dable und Efe Obada, die beide ebenfalls nicht auf dem College gespielt haben.
Das Zauberwort lautet ganz nüchtern: Globalisierung. Während die NFL den amerikanischen Markt im Schwitzkasten hält, weitgehend abgegrast hat und Jahr für Jahr Rekordquoten einfährt, ist der Sport außerhalb des nordamerikanischen Kontinents Randfigur - wenn überhaupt. Die NBA ist dagegen auf der ganzen Welt populär, Hockey immerhin in Kanada, Nordeuropa und Russland - und selbst Baseball hat in Lateinamerika und Japan/Korea weitere Märkte.
Das bedeutet aber nicht nur Einnahmen aus der Auslandsvermarktung, sondern auch talentierten Nachwuchs, der die Liga verstärkt, das Niveau erhöht - und damit Interesse im Heimatland schafft. Es folgen Saisonspiele im Ausland, irgendwann vielleicht sogar eine Franchise dort.
Mit den Spielen in London hat sich die NFL ein erstes erfolgreiches Standbein geschaffen, im Herbst kommt erneut Mexiko City hinzu. Während die Duelle dort die bereits vorhandenen Fans begeistern und beim neutralen Beobachter für Interesse sorgen, fehlt mit einheimischen Stars eine entscheidende Komponente, um Kinder und Jugendliche vom Fußball oder Basketball an den Sport zu binden.
Kann sich Böhringer bei den Vikings oder auch bei einem anderen Team durchsetzen, könnte er bei deutschen Fans und Medien für Aufmerksamkeit sorgen, für Touchdowns und Highlightvideos, die bei Linemen der Marke Kuhn oder Vollmer einfach nicht zu finden sind. Die Folge wäre ein Football-Interesse, das über den Super Bowl als Event hinausgeht - und damit ein Stützpfeiler für ein späteres Saisonspiel z.B. in Berlin. Natürlich mit Böhringer.
Zudem geht eine Signalwirkung davon aus. Dem europäischen Nachwuchs würde gezeigt, dass man es auch aus einem Football-Entwicklungsland bis ganz nach oben schaffen kann. Böhringer könnte mit seiner bescheidenen und ruhigen Art ein "Nowitzki light" werden. Die 32 Franchises wiederum würden ermutigt, ihr Scouting außerhalb der amerikanischen Grenzen zu intensivieren. Und so die NFL mehr und mehr zu einer globalen Liga zu machen.