SPOX: Was natürlich auch alle interessiert: Wie sieht es mit einer NFL-Franchise in London aus? Wo stehen wir?
Waller: Es gibt mittlerweile eine gute Möglichkeit, den aktuellen Status zu veranschaulichen, und zwar Los Angeles. Wir waren über 20 Jahre nicht in L.A. vertreten und es fühlte sich nie so an, als würden wir wirkliche Fortschritte machen. Es wurde immer gesagt: Ist es nicht komisch, dass die NFL nicht im zweitgrößten Markt in den USA vertreten ist? Aber es gab keinen sichtbaren Fortschritt. Und dann kam der Punkt, an dem zwei oder drei Team-Besitzer sagten: Wir wollen ein Team in L.A. - und würden gerne dieses Team sein. An diesem Punkt ging plötzlich alles ganz schnell. Ich glaube, in Großbritannien wird das ganz ähnlich ablaufen.
SPOX: Worauf liegt Ihr Fokus?
Waller: Wir arbeiten sehr hart daran, den Markt zu erschließen. Es geht darum, neue Fans zu gewinnen, Stadien zu finden, unsere Beziehungen zu lokalen und nationalen Entscheidungsträgern zu verbessern. Wenn ein Team-Besitzer dann entscheiden wird, dass die Zeit reif ist, wird der Markt bereit sein, auch wenn man die Fortschritte von außen kaum sehen kann. Aber wenn der Schritt dann kommt, wird er sehr schnell vonstatten gehen. Schauen Sie sich L.A. an: Wenn man vor vier Jahren gesagt hätte, dass wir heute ein Team haben, das im Begriff ist, dort in ein neues Stadion zu ziehen, hätte niemand geglaubt, dass es so schnell gehen kann - schließlich ist viele Jahre überhaupt nichts passiert.
SPOX: Was sind derzeit die größten Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, bevor dieser Schritt kommt?
Waller: Die fundamentale Herausforderung ist die "Competitive Balance", also die sportliche Chancengleichheit: Könnte man ein Team in diesem Markt haben, trotz der vielen Reisen, die von Woche zu Woche und von Saison zu Saison nötig wären? Könnte man gleichzeitig einen wettbewerbsfähigen Kader beibehalten, wenn doch die Tatsache ist, dass man im dortigen Markt keine Spieler zur Verfügung hat? Wenn man also den Kader verbessern oder vergrößern wollte, dann müssten diese Spieler aus den USA kommen. Wie könnte man diese Chancengleichheit gewährleisten? Denn das ist das Schöne an unserer Liga: Alle 32 Teams haben die gleichen Chancen. Ein Team zu haben, dass aufgrund des Standortes nicht langfristig mithalten kann, wäre das Letzte, was wir wollen. Es war großartig zu sehen, dass die Colts zuerst hier in London und dann ohne Bye Week in der darauffolgenden Woche in den USA gespielt haben - und auch noch gewonnen haben. Das war ein Meilenstein für uns. Auf diesen Wettbewerbsaspekt konzentrieren wir uns derzeit.
NFL in London: Glamour, Kabinensturm, blutige Teenager
SPOX: Welches Team würde sich für Großbritannien besonders eignen? Ein etabliertes Team? Eine Neugründung - oder vielleicht gleich zwei? Wäre das hilfreich?
Waller: Meine Meinung ist: Wenn wir erst einmal ein Team dort haben, werden wir feststellen, dass ein zweites Team ebenfalls wünschenswert wäre. Auch im Sinne der Fans, sodass sie eine zweite Option haben und eine Rivalität entsteht. Ob es ein neues oder ein umziehendes Team sein wird, übersteigt meine Gehaltsklasse - das ist eine Entscheidung der Teameigner. Ich glaube, sie mögen 32 Teams. Diese Zahl funktioniert in vielerlei Hinsicht sehr gut, insbesondere im Hinblick auf den Spielplan. Aber das werden die Besitzer zu gegebener Zeit entscheiden.
SPOX: Könnte es ein Hybrid-Team geben, dass vier Spiele in London absolviert und vier in den USA? Wäre das zumindest kurzfristig die Lösung, die am einfachsten realisierbar wäre?
Waller: Das wäre auf jeden Fall realisierbar. Ich weiß auch gar nicht, ob das nur eine kurzfristige Variante sein muss. Das Schöne an solchen Innovationen ist ja: Man hat vorher keine Ahnung, ob es eine gute oder schlechte Idee ist. Daran haben wir intern auf jeden Fall auch schon gedacht. Wir haben viele Ideen durchgespielt.
SPOX: Die da wären?
Waller: Zum Beispiel acht Spiele mit 16 verschiedenen Teams. So würde man in London innerhalb von zwei Jahren jedes Team sehen können, was auch ein gutes Modell wäre. Ich selbst lande am Ende bei dem Gedanken, dass es für die Fans das Beste wäre, ein eigenes Team zu haben, das sie anfeuern können. Viele Teams in London zu sehen, ist schön und gut, aber letzten Endes möchte ich, dass die britischen Fans ihr eigenes Team haben, das sie anfeuern - und damit irgendwo auch gegen die anderen 31 amerikanischen Teams sind. Das Schöne am Sport auf dem globalen Level sind doch auch diese Rivalitäten, wie etwa im Ryder Cup. Der Gedanke, gegen die 31 amerikanischen Teams anzutreten, würde in Großbritannien sicherlich einige Fans mobilisieren.
SPOX: Eine Liga, die international extrem erfolgreich ist, ist die Premier League. Gibt es Dinge, die die NFL von der Premier League lernen kann?
Waller: Wir lernen eine Menge von anderen Sportarten, und wir haben natürlich auch eine Menge von der Premier League gelernt. Es war uns zum Beispiel sehr wichtig, dass unsere Partien in London früher beginnen. Ursprünglich war um 18 Uhr Ortszeit Kick-Off.
SPOX: Warum lieber um 14.30 Uhr?
Waller: Wir haben gesehen, dass die Premier League so morgens in den USA und spät abends in China und ganz Asien zu sehen ist, alles am gleichen Tag. Global gesehen sind die europäischen Zeitzonen also ideal. Wenn man unsere Teameigner fragt - und einige besitzen ja auch Premier-League-Teams -, dann ist der große Erfolg der Premier League in Asien auch dadurch zu erklären, dass durch die Anstoßzeiten Fans dazu gewonnen wurden. Solche Dinge haben wir von der Premier League gelernt, oder auch wie sie ihren medialen Content global aufgestellt hat. Die EPL ist eine großartige Organisation, da schauen wir natürlich ganz genau hin.