Verbesserte Teams, Comeback-Player, Titelfenster - eure Fragen
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Sebastian von Horn: Welches Team wird sich durch die Veränderungen in der Offseason am meisten verbessern?
Chicago hat in der Free Agency und im Draft seiner Offense ein komplett neues Gesicht gegeben (dazu bei einer späteren Frage noch mehr) und defensiv den besten Linebacker dieser Draft-Klasse abgestaubt. Die Giants mit neuer Offensive Line und Saquon Barkley werden sich kurzfristig ebenfalls deutlich verbessert im Vergleich zu 2017 präsentieren. Bei den Broncos wurde die Quarterback-Frage womöglich endlich beantwortet, zusätzlich hatten die Broncos einen der besten Drafts überhaupt und können ein eindrucksvolles Edge-Quartett aufbieten.
Natürlich muss man hier auch die Rams nennen, deren ultra-aggressive Offseason in der spannendsten Defense 2018 resultierte. Los Angeles hat sich damit das Titelfenster weit aufgestoßen, so lange Jared Goff und Todd Gurley noch mit günstigen Rookie-Verträgen ausgestattet sind.
Last but not least: Tampa Bay. Die schematisch so wichtige 4-Men-Front der Bucs war in der vergangenen Saison ein derart riesiges Problem, dass Tampa hier Ressourcen rein stecken musste. Das geschah, Jason Pierre-Paul, Vita Vea, Vinny Curry und Beau Allen könnten hier für einen ganz schnellen Turnaround sorgen, und endlich Druck von den Schultern von Gerald McCoy sowie den Linebackern Kwon Alexander und Lavonte David nehmen.
SousaWillis und Möchtegernpunk: Stichwort "Titelfenster": Fernab der bereits (offensichtlich?) geöffneten Fenster - wo gehen zur neuen Saison die Fenster auf, wo sind sie nun voraussichtlich zu? Welcher Franchise traust du nächstes Jahr den beeindruckendsten Turnaround zu - sowohl positiv, als auch negativ?
Immer interessante Fragen, gerade weil wir die eindrucksvollen und unerwarteten Turnarounds in der NFL jedes Jahr sehen - Draft und Free Agency machen es möglich. Ich versuche, es der Reihe nach aufzudröseln.
- Titelfenster geöffnet: Patriots, Saints, Vikings, Eagles, Packers, Falcons, Steelers
- Titelfenster geht auf: Texans, Chargers, Rams
- Titelfenster geht zu: Seahawks, Chiefs
Zwei noch nicht erwähnte Wildcards sind die Jaguars, bei denen ich wegen Blake Bortles nach wie vor größere Zweifel habe, und die Broncos. Denver kann aufgrund seiner Defense und einer starken Skill-Position-Gruppe wieder in die "Titelfenster geht auf"-Kategorie fallen - je nachdem, wie man zu Case Keenum steht.
Ansonsten: Seattle befindet sich im Umbruch. Kein langjähriger, totaler Umbruch, ich denke, wir werden die Seahawks schon bald wieder in den Playoffs sehen. Das Titelfenster ist vorübergehend aber geschlossen. Die Chiefs sehe ich einerseits in dieser Kategorie, weil der Übergang von Smith zu Mahomes Zeit brauchen und mit Fehlern des Quarterbacks einhergehen wird - vor allem aber, weil die Defense sich erst einmal neu sortieren und mitunter neu aufstellen muss.
Die Texans könnten am Anfang ihres Titelfensters stehen - vorausgesetzt, Watson, Watt und Co. bleiben fit. Die Chargers gehörten teilweise letztes Jahr schon in die AFC-Spitze, Derwin James sowie Forrest Lamp geben diesem Team nochmal ein anderes Gesicht. Die Rams haben letztes Jahr einen ordentlichen Sprung nach vorne gemacht, die aggressive Offseason öffnet das Titelfenster auch für das andere L.A.-Team.
Was den zweiten Teil der Frage angeht, muss man die Browns ganz oben nennen. Kein Sieg 2017, insbesondere mit Tyrod Taylor eine enorme Steigerung: Cleveland ist für mich ein Kandidat für sieben Siege. Einen derartigen Satz nach vorne traue ich keinem anderen Team zu, Chicago mit seiner komplett runderneuerten Offense sowie Kontinuität und jeder Menge Qualität in der Defense allerdings sollte man ebenfalls weit vorne auf der Rechnung haben.
Umgekehrt würde es mich nicht wundern, wenn die bereits genannten Chiefs, aber womöglich auch die Jaguars Rückschritte machen.
Nico Bellic: Wer wird deiner Meinung nach das "Comeback der Saison" abliefern? Also welcher abgeschriebene oder verletzte Spieler wird 2018 abliefern?
Wenn man sich mal anschaut, wer hierfür in Frage kommen könnte, ist das schon eine spektakuläre Liste: J.J. Watt, David Johnson, Odell Beckham, Eric Berry, Dalvin Cook, Ryan Tannehill, Allen Robinson - für all diese Kandidaten könnte man ohne Probleme argumentieren. Deshaun Watson und Aaron Rodgers könnte man ebenfalls nennen, je nachdem, wie man den Comeback-Player genau definiert.
Ich gehe aber in eine andere Richtung. Mein Tipp: Andrew Luck. Luck hat aus dem vergangenen Herbst gelernt, dass es keinen Sinn macht, ein Comeback zu erzwingen, nur um ein paar Wochen eher zurück zu sein. Team und Spieler gehen mit dieser Situation jetzt richtig um, und ich tippe tatsächlich darauf, dass wir Luck in diesem Jahr wirklich in Week 1 sehen.
Mit neuer Offensive Line und dem Scheme von Frank Reich - welches deutlich Quarterback-freundlicher sein sollte, als alles was Luck bisher in der NFL hatte - sowie natürlich seiner eigenen Vorgeschichte muss Luck der Top-Kandidat auf den Comeback-Spieler sein.
Florian Fo: Welche Offense wird in dieser Saison am meisten Spaß machen?
Am meisten gespannt bin ich auf die Offense der Bears, wo ich unter den neuen Coaches Matt Nagy und Mark Helfrich eine Mischung aus West Coast Offense, Run-Pass-Options, Zone-Reads, vielen Misdirection-Elementen und jeder Menge Tempo erwarte. Das sollte nicht nur toll anzuschauen sein, ich gehe davon aus, dass wir Mitchell Trubisky von Woche zu Woche dabei zuschauen können, wie er sich verbessert. Die Bears hatten in der Vorsaison gemeinsam mit Baltimore die wenigsten Passing-Plays über mindestens 20 Yards (34), hier erwarte ich eine krasse Trendwende.
Darüber hinaus würde ich neben Teams, die wie New England, New Orleans oder Philly stark bleiben noch zwei Teams nennen: Die gesamte NFL ist darauf gespannt, zu sehen, wie sich Jimmy Garoppolo in seiner ersten richtigen Saison unter Kyle Shanahan in einer Offense, die auch individuell immer mehr Shanahans Idee entspricht, entwickelt. Außerdem gehe ich davon aus, dass Atlanta im zweiten Jahr unter Steve Sarkisian Fortschritte zeigt - und diese Offense mit Julio Jones, Mohamed Sanu, Calvin Ridley, Devonta Freeman, Tevin Coleman, einer überdurchschnittlichen Line und einem Top-6-Quarterback in Matt Ryan wird individuell nur schwer zu verteidigen sein.
skittles_luki: Wie siehst du die Chancen von Adrian Peterson in der Free Agency? Deine Meinung zu Moritz Böhringer als Tight End?
Peterson ist als Spieler in der heutigen NFL sehr limitiert. Er ist längst nicht mehr der Runner, der er vor fünf, sechs Jahren noch war und gleichzeitig ist er im Passspiel - sei es in Pass-Protection oder als Receiver - keine Verstärkung. Das macht seine Rolle sehr spezifisch und somit erfordert es eine ganz spezifische Situation, damit ihn ein Team unter Vertrag nimmt. Kurioserweise wären die Saints, die für vier Spiele einen Power-Back für zwölf bis 15 Runs pro Spiel brauchen, ein Kandidat dafür - und New Orleans ist ja auch nicht abgeneigt.
Was Böhringer angeht: Ich glaube, dass seine Chancen besser sind als jemals in Minnesota. Auch aufgrund des Positionswechsels. Athletische Pass-Catching-Tight-Ends sind heutzutage für viele Teams fester Bestandteil der Offense, die wirklich kompletten All-Around-Tight-Ends wie etwa Rob Gronkowski oder Travis Kelce sind einfach sehr schwer zu finden.
Mit seiner Größe und seiner Athletik erfüllt Böhringer die Voraussetzungen, um ein solcher Tight End zu werden. Darüber hinaus arbeitet er inzwischen seit einigen Monaten an seinen Blocking-Fähigkeiten. Er muss einen Wert im Special Team mitbringen, gelingt ihm das, könnte er bei den Bengals als vierter Tight End tatsächlich eine Chance haben.
Alexander Schäfer: Wie stark wird die Rams-Defense wirklich sein? Von den Namen und dem Talent her ist es sicher mit das Beste, was die NFL zur Zeit hat. Aber wenn ich mir die Charaktere anschaue, ist da schon ordentlich Konfliktpotential.
Würde ich was die Charaktere angeht nicht überschätzen. Aqib Talib ist sicher nicht der einfachste Typ, allerdings kennt Wade Phillips ihn genau und umgekehrt. Hier sollten Respekt und eine klare Hierarchie gegeben sein. Ndamukong Suh ist - so schmutzig er teilweise auf dem Platz einst war - intern alles andere als ein schwieriger Typ. Suh gilt eher als ruhiger, in sich gekehrter Mensch innerhalb eines Teams. Marcus Peters ist da am ehesten eine Wildcard.
Schematisch hatte ich die neue Rams-Defense bereits vor einigen Wochen ausführlich analysiert. Ganz simpel gesagt lässt sich festhalten, dass die Kombination aus Interior-Pressure und aggressiven, Routes mutig antizipierenden Cornerbacks ein gutes Rezept für Turnover in der heutigen, auf kurze, schnelle Pässe fokussierten NFL ist. Die Stärken von Donald und Suh kommen als 1-Gap-Verteidiger - also Defensive Linemen, die attackieren und nicht erst ein Play lesen und abwarten - voll zur Geltung.
Sportlich erwarte ich eine Defense auf hohem Niveau, auch weil Phillips ein sehr guter Coordinator ist, um all das auch zusammen zu führen. Charakterliche Fragen würde ich dabei nicht in den Fokus setzen, eher sportliche Aspekte. Der Ansatz abseits des Platzes in der generellen Vorgehensweise genau wie auf dem Feld äußerst aggressiv und dementsprechend nicht ohne Risiko. Mit Talib und Peters können die Rams die Liga in Turnovern anführen - umgekehrt könnten sie so auch überdurchschnittlich viele Big Plays zulassen.