3. Wo liegen die sportlichen Besonderheiten im College Football?
Christian Schimmel (derdraft.de): Die Besonderheit ist, dass ich, wenn ich College Football verfolge, so ziemlich alle sportlichen Strategien sehe, die der Football hergibt. Über die Option Offenses von den Militärakademien und Georgia Tech, zum krassen Gegenstück der Air Raid (Washington State, Texas Tech, SMU), klassische laufbetonte Systeme (Wisconsin, Iowa, Boston College), "Pro Style" (Stanford, Michigan State, Alabama) und natürlich alle Varianten einer modernen Spread Offense, (Ohio State, Oklahoma, Oregon). Auch in den Abwehrreihen sieht man nahezu alles, was das Spiel hergibt. Fernab vom Scheme gehen die besten jungen Athleten in den USA immer noch zum Football, oder Basketball. Das sportliche Produkt ist einfach gut und durch die Masse an Spielen, ist jedes Wochenende etwas Relevantes dabei.
Jan Weckwerth (Triple Option): Auch hier würde ich gern länger ausholen, beschränke mich aber auf zwei Punkte. Zum einen die Team-Zusammensetzung: Vom Walk-On, der in der näheren Umgebung aufgewachsen ist und von einem Einsatz für sein College seit der Kindheit träumt, bis zum gehypten 5-Star-Recruit, der die Uni von vorneherein vor allem als Sprungbrett zur NFL betrachtet, ist alles dabei. Und dann wäre da natürlich die Rivalry Week: der letzte Spieltag der regulären Saison, an dem fast alle der erbittert geführten und teils deutlich über 100 Jahre alten "Hass"-Duelle wie beispielsweise Michigan vs. Ohio State oder Alabama vs. Auburn ausgetragen werden. Man kann seinem Erzrivalen, selbst wenn der in dem Jahr deutlich besser war, also kurz vor Schluss noch so richtig schön die Saison versauen - was auch oft genug geschieht. Für mich das sportliche Highlight des Jahres überhaupt.
mySPOX-User JaydoggBO: Da ich mittlerweile ja auch viel Scouting für den Draft betreibe, finde ich es sehr schwierig zu beurteilen, wie gut sich College Spieler auch in der NFL machen würden. Gerade da bei vielen Teams der Fokus auf Athletik liegt und diese Spieler am College ihren Gegenspielern überlegen sind. Diesen Vorteil gibt es dann in der NFL nicht mehr. Dazu wird am College verständlicherweise nicht so ein Wert auf die technische Spielerentwicklung gelegt, und damit haben dann auch die NFL-Teams zu kämpfen.
Stolle (Footballerei): Lass es mich mit der NFL sagen: Die ist der Versuch, perfekt zu sein. College Football bietet einfach mehr Abwechslung, mehr Überraschung, aber auch mehr Chaos. Man sieht offensive Feuerwerke mit der Pistol Offense, aber auch Old-School-Systeme wie die Triple Option. Verschiedenste Systeme für verschiedenste Typen von Spielern. Auch ist College im Gegensatz zur NFL nicht so furchtbar Quarterback-lastig. Ja, wenn es um den besten Spieler einer Saison geht, geht es hier auch oft um Quarterbacks, aber dennoch sind viele Teams auch ohne einen echten Star-QB erfolgreich. Auch Spieler anderer Positionen können hier schnell Stars sein. Und am Ende steht oft das System über dem Einzelnen. Ich mag auch die Regeln, die anders sind als in der NFL. Zum Beispiel die Sache mit der Uhr bei First Downs: Am College wird die Uhr dort angehalten. Diese "Mini-Timeouts" können am Ende auch mit wenig Zeit auf der Uhr noch die Wende bringen. Oder auch die Overtime-Regeln. Jedes Team erhält den Ball an der gegnerischen 25-Yard Linie. Kein Kickoff, direkt Action! Jeder kommt dran. Das bringt einfach mehr Spannung und zugleich Chancengleichheit.