Mahomes, Mayfield - Murray? Die Zukunft der NFL
Mahomes' Ausnahme-Spielzeit hat ihn zum Superstar gemacht. Er ist auf dem neuen Madden-Cover zu sehen und kaum jemand würde widersprechen, wenn man Mahomes als das Gesicht der NFL für das kommende Jahrzehnt prognostiziert. Oder, wie Tight End Travis Kelce es so auf den Punkt bringt: "Er ist ein Rockstar."
Und er ist auch ein Musterbeispiel dafür, wie sich die NFL verändert. Genau wie auch Rams-Quarterback Jared Goff kam Mahomes aus einer Air Raid Offense im College, in Mahomes' Fall noch extremeren Ausmaßes als bei Goff. Umso größer waren auch die Fragezeichen, wie sich sein College-Spiel auf die NFL übertragen würde. Hatte man doch in den vergangenen Jahren mehrfach gesehen, wie Air-Raid-Quarterbacks in der NFL floppten.
Reid wählte bei Mahomes den gegensätzlichen Weg. Er fokussierte sich auf die Dinge, die Mahomes im College bei über 1300 Pässen gelernt hat mit dem Wissen im Hinterkopf, dass er und seine Coaches dem jungen Quarterback die weiteren Werkzeuge an die Hand geben können, um auch in der NFL erfolgreich zu sein.
Wie sehr das Stigma der Air Raid Offense verblasst, haben dann die vergangenen beiden Drafts gezeigt. Zunächst wählten die Browns 2018 Baker Mayfield vor etwa einem Sam Darnold, den man vor zehn Jahren noch viel eher als das prototypische Quarterback-Prospect angesehen hätte. Die Cardinals gingen dieses Jahr dann noch einen Schritt weiter, indem sie zunächst mit Kliff Kingsbury einen Air-Raid-Coach und dann auch noch mit Kyler Murray an Nummer 1 einen Quarterback drafteten, der keine 1,80 Meter groß ist.
Diese drei Quarterbacks einen mehr Dinge als nur der Air-Raid-Background. Alle drei sind akkurate Passer, alle drei sind - zu unterschiedlichem Grade, zugegeben - mobil und können Verteidigern ausweichen und alle drei können den Ball aus unterschiedlichen Winkeln präzise anbringen. Alle drei gehören ohne Zweifel zu den Spielern, die die kommende Saison prägen werden; auf die eine oder die andere Art und Weise.
Denn Mahomes, Mayfield und Murray sind nicht nur jeder für sich betrachtet interessante Spieler, die lange je große Rollen in der NFL spielen könnten. Vielmehr versinnbildlichen sie auch die Idee des neuen Quarterback-Typs, und das in allen drei Fällen in Offenses, die prägend für die nächsten Jahre sein könnten. Nicht weil sie ein spezifisches Scheme spielen, sondern weil sie effiziente Wege finden, um Spiele zu gewinnen und um offensiv zu dominieren. Bei Mahomes und Andy Reid wissen wir das bereits, Mayfield hat es letztes Jahr angedeutet. Murray muss es in der NFL noch zeigen.
Die größte Aufgabe der NFL: Mehr Sicherheit
Blickt man noch weiter über den Tellerrand, kommen ganz andere Fragen als taktische und individuelle Prägungen in den Mittelpunkt. Wann immer man sich mit der Zukunft der NFL befasst, muss ein Thema ganz oben stehen: Die Sicherheit der Spieler. Die gesundheitlichen Auswirkungen, angeführt von CTE, stehen mehr und mehr im Mittelpunkt, je mehr durch Langzeitstudien bekannt wird.
Football, und das beginnt in dem Fall mit der NFL, muss sicherer werden. Kinder erst später für Tackling-Football zuzulassen und vergleichbare Regeln sind gut, doch werden trotzdem weniger Eltern ihre Söhne Football spielen lassen, wenn sie wissen, was ihre Kinder potenziell im College und der NFL erwartet.
Das führt unweigerlich zu einer Gratwanderung: Wie kann man das Spiel sicherer machen und dabei gleichzeitig die unheimliche Beliebtheit, der sich Football erfreut, aufrecht erhalten?
Das unaufhörliche Weiterentwickeln der Helme ist ein Thema, die alleinige Lösung wird es nicht sein. Die Abschaffung der Kickoffs ist ein Thema, um einige der härtesten Kollisionen zu unterbinden, genau wie noch härtere Strafen für Spieler, die den Kopf senken, um Kontakt zu suchen.
Manche Theorien gehen in die Richtung, dass Spieler an der Line of Scrimmage nicht mehr im Three-Point-Stance (mit einer Hand auf dem Boden) stehen sollten, um die permanenten Zusammenstöße auf Kopfhöhe hier zu unterbinden. Andere, noch extremere Ideen schlagen ein breiteres Spielfeld vor, um Teams gewissermaßen in Spread-Formationen zu zwingen und so das Spiel mehr in die Breite zu ziehen, damit mehr horizontal und weniger vertikal gedacht und gespielt wird.
Wie sieht NFL-Football in der Zukunft aus?
Einiges, vielleicht vieles, in diesem Artikel lässt manche Football-Fans die Zornesröte ins Gesicht steigen. Und genau hier ist der Drahtseilakt für die NFL: Mindestens eine Teil der Faszination NFL kommt durch die Physis des Spiels, durch die Hits und durch den Effekt, wenn vier Defensive Lineman nach dem Snap mit unheimlicher Wucht auf fünf Offensive Linemen prallen, um zum Quarterback zu kommen - oder wenn umgekehrt die beiden Guards zwei Linebacker zerstören, um den Weg für den Running Back zu ebnen.
Vor diesem Hintergrund ist es umso spannender, darüber nachzudenken, wie sich die NFL über die nächsten 20, 30, 40 Jahre verändert. Vor 100 Jahren schien die Idee absurd, den Vorwärtspass als das zentrale offensive Mittel einzusetzen; eine Sichtweise die für viele Coaches noch in den 70er Jahren der eigenen Philosophie entsprach. NFL-Football wird sich über die nächsten Jahrzehnte weiter zu einer offeneren, weniger physischen Version entwickeln, das dürfte außer Frage stehen.
Wie genau der Spagat zwischen den Fans eines traditionelleren Stils auf der einen sowie taktischen Entwicklungen und der Notwendigkeit von mehr Sicherheit auf der anderen Seite gelingt, wird spannend zu beobachten sein. Doch selbst mit dieser schwierigen Aufgabe vor der Brust scheint es schwer vorstellbar, dass die NFL ihre Vormachtstellung in den USA auf absehbare Zeit verliert.
Zu perfekt ist der NFL-Kalender durchgetaktet, vom Super Bowl geht es über in die Free Agency und dann in das Drama des Drafts, der absurde Zuschauerzahlen kreiert. Zu gut sind (die meisten) Teams inzwischen darin, sich selbst zu vermarkten und dabei zugänglicher zu werden; bestes Beispiel dafür sind selbst produzierte Mini-Serien, die Fans im Stil von "Hard Knocks" während der Offseason hinter die Kulissen schauen lassen.
Und doch wird sich die Art und Weise, wie wir Football schauen, was wir auf dem Feld sehen und wen - Stichwort: Internationales Scouting - wir auf dem Feld sehen in den nächsten Jahren weiter verändern. Denn letztlich ist Veränderung die eine Konstante, auch in der NFL.