Mit Woche 6 haben wir das erste Saison-Drittel hinter uns, und auch wenn klar dominante Teams rar gesät sind und sich das Liga-Mittelfeld ungewöhnlich breit präsentiert: Ein paar Dinge kann man zunehmend besser einkategorisieren, was auch zu künftigen Weichenstellungen führen wird. Die Carolina Panthers haben mit der Entlassung von Matt Rhule die erste gravierende Weichenstellung dieser Saison bereits durchgeführt.
Mit der nahenden Trade-Deadline - dazu gleich noch mehr - werden einige Teams einen ehrlichen Blick in den Spiegel wagen müssen, um sich zu fragen: Sollten wir einen Umbruch einleiten? Ist die Zeit für einen radikalen Einschnitt gekommen? Was macht das mit unserer aktuellen Kader-, Coaching- und Front-Office-Struktur?
Und dann rückt unweigerlich früher oder später die Quarterback-Situation in den Mittelpunkt. Teams, die zu dem Schluss kommen, dass ein Umbruch unausweichlich ist, haben in der Regel bestenfalls eine Übergangslösung auf der Quarterback-Position - wenn überhaupt. Das hat den klaren Rebuild in Chicago während der vergangenen Offseason, je nachdem, wie positiv man bei Justin Fields war und ist, zu einem solchen Paradoxon gemacht: An sich wäre diese zweite Saison das Jahr, in dem man um Fields etwas aufbaut, um seine Entwicklung bestmöglich voranzutreiben und falls das nicht klappt, um zumindest ein klares Bild zu kreieren.
Denn das ist und bleibt für mich ein unheimlich gefährlicher Spot für ein Team: Einen jungen Quarterback zu haben, der ein wenig Potenzial angedeutet hat, der aber auch klare Schwächen und eine überschaubare Entwicklung an den Tag legt - mit einem Team um ihn herum, welches schwach genug ist, dass man es als Argument für besagte mangelnde Entwicklung und für die Schwächen anbringen kann.
Genau das ist die Situation, in der die Bears aktuell sind. Fields hat seine drei, vier Plays pro Spiel, an denen man sich festhalten kann, die Hoffnung geben. Seine Athletik und Playmaker-Qualitäten als Runner stehen außer Frage, aber die große Gefahr dabei ist: Wie schätzt man das als Team richtig ein? Das ist ein unheimlich kritischer Punkt für eine Franchise. Sagen wir, die Bears beenden die Saison mit einem Top-5-Pick und haben einen Quarterback im Draft in Reichweite, den sie in ihrer Analyse gleichauf oder sogar besser als Fields sehen. Wie stuft man dann Fields' Leistungen ein, im Kontext der schwierigen Umstände, die man ja selbst kreiert hat, um den Cap in Ordnung zu bringen?
Das war immer die große Gefahr nach dieser Bears-Offseason. Jeder konnte nachvollziehen, warum man einen aufgeblähten Kader aus Cap-Perspektive neu aufstellen musste. Aber damit hat man sich selbst schwierige Parameter gebaut, die zu navigieren die Zukunft dieses Regimes prägen wird. Ersetzt man Fields und liegt damit falsch, oder bleibt man bei Fields und liegt damit falsch, steht der nächste Neustart in Chicago an. Und die Wahrscheinlichkeit, diese Frage richtig zu beantworten, wurde geringer durch die Art und Weise, wie man den Kader für diese Saison zusammengebaut hat.
Chicagos Situation mit einem jungen Quarterback im zweiten Jahr und einem Kader, der einen größeren Umbruch benötigt, ist nicht unbedingt alltäglich. Trotzdem unterstreicht das, was aktuell bei den Bears passiert - oder das, was über die letzten 4 Jahre mit Daniel Jones in New York passiert ist -, für mich die Lektion, wie essenziell wichtig es ist, einen jungen Quarterback bestmöglich bewerten zu können. Hier haben beispielsweise die Jets gute Arbeit in der vergangenen Offseason geleistet. Die Jets sollten nach dieser Saison ein relativ klares Bild darüber haben, ob Zach Wilson die langfristige Antwort ist.
Los geht es aber mit zwei Teams, die weit weg von einem Umbruch sind, und die vielmehr auf lange Sicht hin in den Kreis der jährlichen Titelanwärter zählen sollten: Los geht es mit dem Duell der Buffalo Bills und der Kansas City Chiefs.
1. Chiefs vs. Bills: Schwergewichtskampf auf Jahre
Das letzte Mal, dass ich über "Mahomes vs. Allen" geschrieben habe, war dieser Text nach dem Playoff-Duell in der vergangenen Saison. Ein Duell, welches für mich eine übergreifende Frage nach sich zog, die ich damals so formuliert hatte:
Wie groß waren die Bauchschmerzen der allermeisten GMs in der AFC, während sie dieses Spiel gesehen haben?
Die These dahinter lag nach dieser Lasershow von einem Spiel auf der Hand: Dieses Spiel zu sehen und zu wissen, dass Patrick Mahomes und Josh Allen für die nächsten zehn, vielleicht 15 Jahre ein Problem in der AFC darstellen werden, muss so manchem GM einen Schauer über den Rücken gejagt haben.
Und vielleicht sogar mehr noch. Vielleicht kann das, was Allen und Mahomes nicht nur in diesem Spiel, sondern seit nunmehr Jahren zeigen, zu einem Umdenken führen; dahingehend, dass "gut" in dieser Conference nicht "gut genug" sein wird. Zumindest nicht, wenn man perspektivisch plant und überlegt, wie man den eigenen Kader zusammenstellt - und wie man die Quarterback-Position besetzen möchte.
Dann müsste man unweigerlich zu dem Schluss kommen, dass ein Ansatz wie der der Colts - auf verschiedene potenziell durchschnittliche Optionen zu setzen, die aber trotzdem teuer sind und dementsprechend aus Cap-Perspektive nicht den Vorteil eines Rookie-Vertrag-Quarterbacks mitbringen - der denkbar schlechteste Plan ist. Upside, oder zumindest der Vorteil des günstigen Rookie-Vertrags - zumindest einer, idealerweise beide diese Faktoren müssten, als Schlussfolgerung, gegeben sein.
Diskrepanz an der QB-Spitze dieses Jahr deutlich
Die Diskrepanz auf der Quarterback-Position ist in dieser Saison umso gravierender; mein erstes In-Season-Quarterback-Ranking für 2022 hat das ebenfalls zum Ausdruck gebracht. Die Luft an der Spitze ist merklich dünner geworden - ich sehe einzig eben Mahomes und Allen im Elite-Tier auf der Position.
Nicht zuletzt weil Defenses Big Plays immer besser unterbinden, ist es für Quarterbacks zunehmend schwierig geworden, gut auszusehen und gute Stats aufzulegen. Das führt dazu, dass wir Spiele bekommen wie die von Aaron Rodgers über die letzten Wochen. Oder Auftritte wie den von Tom Brady gegen eine dezimierte Steelers-Defense. Oder Matt Stafford, der hinter einer schwachen Line auseinanderfällt. Lamar Jackson hatte jetzt auch mehrere schwache Spiele.
Diese Ausgabe des Chiefs-Bills-Duells war längst nicht der vielerorts antizipierte Shootout. Das sind zwei gute Defenses, trotz der Ausfälle auf beiden Seiten, und mit der Art und Weise, wie Defenses eben insgesamt spielen, und wie gut diese beiden Teams sich kennen, lässt sich ein relatives Low-Scoring-Spiel zumindest in der Regular Season ein wenig erklären.
Allens und Mahomes' Ausnahmequalitäten sichtbar
Und dennoch war es auffällig, welchen Unterschied die Ausnahmequalität dieser beiden Quarterbacks auch in diesen Umständen machen kann. Der Touchdown-Drive der Bills direkt vor der Halbzeitpause etwa, als Allen bei Dritter-und-13 von der eigenen 1-Yard-Line aggressiv blieb und dann, in der gegnerischen Hälfte, als er das Eins-gegen-Eins mit Gabriel Davis bekam, servierte er den Ball tief zum Touchdown.
Der erste Chiefs-Touchdown derweil kam nur zustande, weil Mahomes bei Dritter-und-Zehn das Play mehrfach ausdehnte und dann diagonal übers Feld den Ball zurückwarf und die Bills dann JuJu Smith-Schuster nicht getackelt bekamen.
Beide Quarterbacks waren weit davon entfernt, eine fehlerfreie Partie zu spielen - im Gegenteil. Mahomes' Fehler ermöglichte Kaiir Elam die Interception in der Endzone, Allen tat sich in der ersten Hälfte lange mit dem Blitz schwer und Buffalo hatte selbst früh kostspielige Fehler.
Dementsprechend sind diese Zeilen auch nicht als Lobeshymne auf herausragende Spiele von Allen und Mahomes gedacht. Was dieses Spiel vielmehr für mich einmal mehr unterstrichen hat, ist der Luxus des Spielraums für Fehler, welchen diese beiden Quarterbacks - und aktuell nur diese beiden Quarterbacks - für ihre Teams mitbringen.
Die Offensive Line wird geschlagen? Der Quarterback kann Plays machen. Die Receiver kreieren keine schnelle Separation? Der Quarterback kann das Play ausdehnen. Nichts ist offen? Der Quarterback kann am Boden ein First Down herausholen. Und das eben zusätzlich zu alledem, was beide innerhalb der Struktur machen können und eben auch konstant machen.
Denn die Ausnahme-Plays, die Highlights, sind zwar häufig die wichtigsten Plays eines Spiels, aber sie sind nur wichtig, solange der Floor durch konstantes Quarterback-Play hoch ist.
Mahomes vs. Allen - Wiederauflage in den Playoffs?
Kein Quarterback außer den beiden leistet das aktuell. Und deshalb sind beide aktuell in einer eigenen Kategorie, und diese Duelle finden jedes Mal mit derartiger Intensität statt. Weil jederzeit ein Big Play kommen kann, aber auch beide Quarterbacks ihre Offense innerhalb weniger Sekunden oder, wenn nötig, mit geduldigen Drives über das Feld führen können.
Der Game-Winning-Drive der Bills am Ende des vierten Viertels war ein Beispiel dafür. Als Allen mit seinen Beinen die Plays machte, um dann am Ende Dawson Knox in der Endzone trotz enger Coverage mit einem absoluten Laser mit perfektem Touch über den Underneath-Verteidiger zu bedienen.
Die Bills sind aktuell das komplettere Team zwischen diesen beiden Schwergewichten, und das Spiel unterstrich das. Es war umso passender, dass Von Miller - der Spieler, den Buffalo im Frühjahr verpflichtet hatte, um in den kritischen Momenten auch mit der Defense Spiele beenden zu können - in der Spätphase dieser Partie mehrere Big Plays hatte.
Kansas City dagegen ist insgesamt noch ein wenig in der Findungsphase - und verlangte den Bills trotzdem alles ab. Mahomes warf zwei hässliche Interceptions, die letztlich den Unterschied ausmachten, und ich bleibe dabei, dass Kansas City in seine Wide-Receiver-Gruppe noch mehr Dynamik bringen könnte; einen Spieler, der individuell gewinnt und Räume kreiert.
Die Saison ist noch lang, bis zu den Playoffs kann noch viel passieren. Ein Wiedersehen dieser beiden Teams tief in den Playoffs würde wohl kaum jemanden überraschen. Und dann müssen die Bills erst noch zeigen, dass sie auch in dieser Situation ihre Nemesis ausschalten können.