Der Federer-Bezwinger:
Wir haben da wieder wen! Für die großen Grand-Slam-Momente! Die, wegen denen Tennis mal im Free-TV lief. Alexander Zverev beendete seine tolle Saison 2016 mit dem Einzug in die Top 20 und seinem ersten Turniersieg in St. Petersburg recht zeitnah und widmete sich mit seinem Team in den USA einer außerordentlich langen Vorbereitung.
Beim Hopman Cup in Perth zeigte sich der 19-Jährige bereits gut in Form. Einer Niederlage gegen Gasquet ließ er einen vielbeachteten Sieg gegen den ansonsten ungeschlagenen Roger Federer folgen. Damit ist der Deutsche mit russischen Wurzeln im erlesenen Kreis jener Spieler, die eine positive Bilanz gegen FedEx vorzuweisen haben.
Robin Haase dürfte in Runde eins keine Hürde darstellen. Ein Blick aufs Tableau verrät: In Runde drei wartet der an neun gesetzte Rafael Nadal. Der Spanier befindet sich nach seiner Verletzung im Aufschwung. Unlösbar scheint dieses Matchup im Januar 2017 jedoch nicht mehr.
Zverevs Aufgabe für die nähere Zukunft lautet: Schlage einen großen Spieler bei einem Slam. Dabei hat er die Zeit auf seiner Seite. Doch wer weiß, wie ungeduldig dieser Hüne ist, der kann sich vorstellen, dass diese Mission bereits in Melbourne abgeschlossen werden soll. Das Erreichen der zweiten Woche wäre ein echtes Ausrufezeichen.
Die übrigen Deutschen:
Philipp Kohlschreiber und Grand Slams im Jahr 2016 - das war alles andere als eine Liebesbeziehung. Vier Erstrundenniederlagen legten einen großen Schatten über eine ansonsten ordentliche Saison des Augsburgers. 2017 ließ sich gut an: Siegen über Jaziri, Fognini und Thompson steht eine knappe Niederlage gegen Almagro gegenüber. Gegen Victor Toicki trat er zuletzt wegen Rückenbeschwerden nicht an.
Für den Happy Slam hat er sich jedoch rechtzeitig fit gemeldet und fordert Nikoloz Basilashvili. Der ist die 94 der Welt und absolut machbar. Das Draw danach liest sich nicht schrecklich. Donald Young, danach wohl Gael Monfils. Das wär doch ein schönes Grand-Slam-Match, oder?
Halle-Sieger Florian Mayer hatte da weniger Glück. Rafa Nadal wartet auf den Bayreuther, der 2017 bisher zwei Spiele im entscheidenden Tiebreak verlor. Das Selbstvertrauen aus möglichen Siegen hätte ihm gegen den Spanier vermutlich aber auch nicht geholfen.
Der "ewige Tommy" kehrt zurück
Mischa Zverev ist vielleicht der interessanteste deutsche Starter. Endlich verletzungsfrei spielte sich der große Bruder von Alexander zurück in die Top 60. Zuletzt in Sydney präsentierte sich der Volleyspezialist als Spanienschreck und schaltete nacheinander Carreno Busta und Almagro aus. Da passt es nur zu gut, dass in Melbourne mit Garcia-Lopez (Nummer 73, 2017 noch sieglos) der nächste Spanier wartet. In Runde zwei würde wohl ein Aufschlagduell gegen John Isner folgen.
Jan-Lennart Struff ist gut ins neue Jahr gestartet - und es hätte sogar ein grandioser Start werden können. Immerhin führte der 26-Jährige 5:1 gegen den Djoker, verlor jedoch noch glatt in zwei Sätzen. Beim Challenger in Camberra holte er sich anschließend mit vier Siegen Matchpraxis und Selbstvertrauen. In Runde eins wartet Dominic Thiem, der anno 2017 noch nicht allzu souverän auftritt (zweimal Viertelfinale). Für einen Sieg gegen die acht der Welt muss für "Struffi" aber sehr, sehr viel zusammenkommen.
Noch schlimmer hat es "Shotmaker" Dustin Brown getroffen. Er steht Milos Raonic gegenüber, was echt schade ist. Denn der Kanadier dürfte Browns Stärken im Keim ersticken und ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen. Weil die halt viel, viel, viel konstanter sind - Nummer drei der Welt eben. Schade jedenfalls für das Publikum, dass sie Brown vermutlich nur drei Sätze zu Gesicht bekommen.
Upset Alert:
Lokalmatador Omar Jasika trifft auf David Ferrer, und der Spanier schwächelte in 2017 bisher, verlor in Auckland zuletzt im Achtelfinale gegen Haase. Gut, Jasika ist nur die 287 der Welt. Aber der Linkshänder überstand im Vorjahr immerhin die Auftaktrunde. Und die Wettquote des 19-Jährigen dürfte ebenfalls stimmen.
Realistischerer Vorschlag? Ok. Mischa Zverev erreicht die dritte Runde und schaltet nach Guillermo Garcia-Lopez auch den an 19 gesetzten John Isner aus.
Ansonsten werden sich in Runde eins Favoriten reihenweise durchsetzen. Klingt langweilig, wird es aber nicht. Im späteren Turnierverlauf könnte Jack Sock noch für den ein oder anderen Favoritensturz sorgen. Der US-Boy hat eine tolle Form und ist bereit, in der zweiten Woche Gegenwehr zu leisten.
Aussie, Aussie, Aussie!
Nick Kyrigos führt das australische Angebot (sieben Spieler) beim heimischen Grand Slam an. Und die Nummer 14 der Setzliste trifft aller Voraussicht nach im Achtelfinale auf Stan Wawrinka. Also wenn er sich nicht vorher von seiner lustlosen Pokemonseite präsentiert.
Das macht er auf heimischen Boden aber eher nicht. Ruft der 21-Jährige seine Power ab, ist er auf Hardcourt ein echter Herausforderer für einen nicht immer sattelfesten Schweizer. Und wenn die Aussies erst jemanden im Viertelfinale haben, dann kennt die Euphorie wohl keine Grenzen mehr.
Da Thanasi Kokkinakis weiter verletzt fehlt, ist Bernard Tomic neben Kyrgios der aussichtsreichste Kandidat. Über die Hassliebe des eigenen Publikums gegenüber Tomic wurde genug berichtet. Und auch wir wissen jetzt, dass er nur für das Geld spielt und nie der fitteste Profi auf der Tour sein wird.
Aber: Sein Talent reicht trotz allem aus, um die zweite Woche zu sehen. Und zwar als Spieler! Allerdings muss er sich in Runde drei Marin Cilic stellen. Das wäre für die heimischen Fans ein tolles Abendspiel. Und für Tomic eine weitere Chance, Hass in Liebe zu verwandeln.
Die aktuelle ATP-Weltrangliste