Spiel's noch einmal, Tommy!

Von Jannik Schneider
Tommy Haas will es mit 38 Jahren noch einmal wissen
© getty

Roger Federer, Rafael Nadal und Tommy Haas alle aktiv im Hauptfeld eines Grand Slams. Dazu der Zweikampf um die Vorherrschaft im Welttennis zwischen Andy Murray und Novak Djokovic. Und mit Alexander Zverev und Dominic Thiem realistische deutschsprachige Anwärter auf die zweite Woche eines Slams - es kribbelt nicht ohne Grund vor den Australian Open. SPOX packt in Melbourne die Lupe aus und zeigt, wer bei den Herren groß auftrumpfen könnte.

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Tommyyyyyyyyyyyyy!

Der Vorhang für die große Tennis-Bühne 2017 öffnet sich in der Nacht zum Montag. Wenn die ersten Ballwechsel im Hauptfeld der Herren gespielt werden, dann ist ein Veteran mit von der Partie, dem das auf höchster Ebene im Profitennis nicht mehr unbedingt zuzutrauen war - bei aller Sympathie.

Tommy Haas startet gegen die Wundertüte Benoit Paire sein viertes großes Comeback nach mindestens einjähriger Abstinenz. Den Rekord für die längste Zwangspause mit anschließend geglückter Rückkehr hatte der gebürtige Hamburger bereits 2004 geknackt (467 Tage). Dieses Mal waren es gar mehr als 500 Fehltage - das letzte Match bestritt er im Herbst 2015 in Wien gegen Jo-Wilfried Tsonga. Da kann nicht mal der arg gebeutelte argentinische Volksheld Juan Martin del Potro mithalten, der leider dieses Jahr als nahezu einziger Topspieler Down Under fehlen wird.

Der 15-fache ATP-Turnier-Champion ist nochmal zurück bei seinem favorisierten Grand-Slam - 19 Jahre nach seinem Debüt 1998. Ein Jahr später sowie 2004 und 2007 erreichte er dort das Halbfinale und zeigte auch bei seinen späteren Comebacks mit der Rückkehr unter die Top 15, dass sein Talent gepaart mit dem unbedingten Willen noch für Weltklasse-Tennis ausreicht.

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Ähnliche Sphären wird er im endgültig letzten Jahr seiner bewegten Karriere nicht mehr erreichen. Muss er auch nicht. Haas möchte nochmals seine Lieblingsturniere aktiv erleben. Dafür hat er sich in der zweiten Jahreshälfte 2016 trotz Vater- und Familienfreuden im heimischen Florida nochmals gequält.

Ob das reicht, um konkurrenzfähig zu sein? Sicher ist: Dem Spieler Haas fehlt die Matchpraxis. Nach einer knappen Niederlage gegen Jerzy Janowicz bei einem Einladungsturnier sagte Haas seine zweite Partie zu Beginn des Jahres wegen einer Grippe ab.

Für die erste Runde Down Under wird es sich jedoch ausgehen. Gegner Paire, seit 2011 ohne Einzelsieg in Melbourne, spielte in Chennai erst super, dann skandalös schlecht gegen Robert Bautista Agut. In Sydney schied er anschließend prompt in Runde eins aus - ein klassischer Paire eben. Wenn Haas es schafft, den Strapazen eines Grand-Slam-Matches zu trotzen, würde entweder Fognini oder Lopez warten. Weiter wollen wir jetzt mal nicht schauen. Stattdessen lieber eine der schönsten einhändigen Rückhände der Tennisgeschichte genießen. Solange das eben noch geht.

Übrigens: Zum ersten Mal seit den US Open 2015 sind sowohl Haas, Federer, als auch Nadal bei einem Grand Slam am Start. So oft wird es das nicht mehr geben.

Der Titelverteidiger:

Hallo, hallo, hier kommt Mister Down Under! Novak Djokovic kann zum bereits siebten (!) Mal das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres gewinnen und würde damit den Australier Roy Emerson (sechs Siege) in den Schatten stellen.

Dass das ein durchaus realistisches Szenario ist, zeigt der Jahresstart des Djokers. In Doha präsentierte sich der 29-Jährige zwar spielerisch zunächst noch mit einigen Schwächen, mit diesen komischen Unforced Errors, aus dem noch komischeren zweiten Halbjahrs 2016 des Serben.

Kämpferisch war die ehemalige Nummer eins allerdings mehr als bissig. Im Halbfinale gegen den wiedererstarkten Fernando Verdasco wehrte er erst fünf Matchbälle ab, um dann in einem hochklassigen Finale Andy Murray niederzuringen. Gibt es die gleiche Paarung in zwei Wochen noch einmal?

Zunächst muss der ehemalige Becker-Schützling wieder Verdasco aus dem Weg räumen. Auf Major-Ebene wird ihn der Spanier mental aber nicht nochmal so fordern können.

Erster gesetzter Akteur wäre in Runde drei Pablo Carrena Busta oder der talentierte Brite Kyle Edmund. Rassig würde es jedenfalls im Achtelfinale zugehen, wenn "Baby-Fed" Grigor Dimitrov seine starke Form abrufen kann und zuvor Richard Gasquet schlägt (siehe unten). Gasquets Bilanz gegen die Top vier lassen wir unerwähnt. Ein möglicher Viertelfinal-Gegner wäre Dominic Thiem.

Der Topfavorit:

War in den vergangenen Jahren in der Regel die Nummer eins der Welt bei den Herren. Wäre dementsprechend 2017 Andy Murray. Also warum nicht Haus und Hof auf den Sir des britischen Königshauses setzen?

Nun, da wäre zum einen der erwähnte erste Dämpfer in Doha gegen Djokovic (auch wenn es brutal knapp war). Etwas schwerwiegender zum anderen: die Finalbilanz in Melbourne. Liebe Murray-Fans, jetzt bitte wegschauen: Er stand bereits fünfmal im Endspiel. Das Turnier gewonnen hat er noch nie. Die letzten vier Endspiele (11,13,15,16) verlor er allesamt gegen Dauerrivale und Buddy Djokovic.

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Was spendet also Hoffnung? Auf jeden Fall mal das grandiose zweite Halbjahr 2016 mit nur einer Niederlage seit den French Open. Seit der Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit Lendl ist das ganz große Sieger-Gen zurück beim Schotten. Wenn es jedenfalls jemand schaffen kann, die Final-Dämonen des vielleicht besten Konterspielers der Geschichte zu vertreiben, dann ist das der stoische Lendl.

Auf dem Weg dahin müssen sich Anhänger zunächst nicht allzu große Gedanken machen. Nach der Auftakthürde Illya Marchenko würden als erste gesetzte Akteure im Turnierverlauf Sam Querrey, in einem Achtelfinale John Isner oder der talentierte Lucas Pouille warten.

Für das Viertelfinale stünden Tomas Berdych (dessen Bilanz gegen die großen Vier lassen wir hier ihm zuliebe auch mal weg), Kei Nishikori oder ein gewisser Roger Federer bereit. Advantage dennoch: Sir Murray!

Dark Horse:

Endlich, endlich, endlich! Grigor Dimitrov ist ein echter Contender. Nach dem schon nicht ganz so schlechten Herbst 2016 und der Rückkehr in die Top 25 waren auf seinem offiziellen Instagram-Account in der Folge lediglich Safari-Fotos zu begutachten. Was entweder bedeutete, dass der Bulgare nur Freizeitfotos gepostet oder die Saisonvorbereitung auf ein Minimum zusammengestrichen hat.

Dani Vallverdu sorgte dafür, dass letzteres nicht der Fall war. Der Venezuelaner gilt als der Julian Nagelsmann des Tennis und arbeitete trotz seiner erst zarten 30 Jahre bereits an der Technik von Murray, Berdych oder del Potro. Bei letzterem scheiterte eine längere Zusammenarbeit lediglich an den konträren Wohnorten (Zürich / Buenos Aires).

So kontaktierte der nach sieben Erstrundenpleiten etwas verzweifelt wirkende Dimitrov im Spätsommer vergangenen Jahres den Südamerikaner, der damals über seinen neuen Schützling gegenüber ubitennis.net bekannte: "Seine Waffen sind nicht mehr so gut wie zuvor. Das zog einen Domino-Effekt nach sich." Funktionieren die Offensivwaffen nicht, sinke das Selbstvertrauen und die Unforced Errors würden steigen. "Grigor und ich sehen das beides als langfristiges Projekt an", sagte der Coach damals.

Baby-Fed ließ dann auch Taten folgen, wie ein YouTube-Video der offiziellen ATP-Seitezeigt. Mit Vallerdu an der Spitze zog er nach einem ordentlichen Herbst eine knüppelharte Vorbereitung durch. Der Fokus lag dabei fast ausschließlich auf der Schnelligkeit auf dem Court, was zusätzlich genügend Spielraum ließ, um an den Balltreffpunkten zu arbeiten.

Beim ersten Turnier des Jahres in Brisbane wirkte er für die harte Arbeit schon ungewöhnlich spritzig. Auffallend: Die Nummer 15 der Welt versuchte in schöner Regelmäßigkeit, den Ball noch in der steigenden Phase zu treffen, dazu kam regelmäßig der Rückhand-Slice. Dimitrov gewann das Turnier und räumte auf dem Weg zum ersten Titel seit 2015 mit Thiem, Raonic und Nishikori drei Top-Ten-Akteure aus dem Weg. Noch wichtiger aber war folgende Aussage: "Ich habe einfach festgestellt, dass ich wieder anfange, den Tennissport zu lieben."

In Runde eins darf er sich gegen den australischen Youngster Christopher O'Connell noch etwas austesten. In Runde drei wartet aller Voraussicht nach Gasquet. Bei allem Respekt vor dem Franzosen: Angesichts des Momentums von Dimotrov wäre der Achtelfinalkracher gegen Djokovic eines der absoluten Highlights der diesjährigen Australian Open.

(Angesichts der Dominanz von Murray und Djokovic gibt es daneben ja eigentlich nur "Dark Horses". Deshalb haben wir uns "Die weiteren Favoriten" diesmal gespart. Der Vollständigkeit halber: Das wären Milos Raonic (am nächsten dran) und Stan Wawrinka (immer gefährlich).)