Chuck Norris kann einpacken

SPOX
28. Februar 201417:17
Arbeitslosigkeit? Politische Probleme? Kein Problem: Rudi Garcia, call me maybegetty
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Wer in Italien politische Probleme lösen soll? Die Roma-Fans legen sich fest. Auch in England wird viel diskutiert, klar. Aber mehr über ein Tor, für das der Schütze sich erheblich schämt. Ganz anders sieht's in La Liga aus. Dort dreht sich bei Ronaldo natürlich alles um Fußball. Dies und mehr von unseren Korrespondenten in Europa.

Serie A

Von Oliver Birkner

Opa des Tages: 36 Jahre und die Hand immer noch am Ohr. Aufsteiger Hellas gewann nicht nur sein sechstes Heimspiel in Serie, Luca Toni erzielte dabei auch sein fünftes Saisontor. Aussortiert und totgesagt, addierte er gar noch vier Assists zu den Treffern und hängt sich jede Partie rein, als ginge es um den Einzug ins Champions-League-Finale. "Ich bin in einer Bergregion aufgewachsen und wir aus den Bergen sind harte Kerle, für die die Zeit keine Bedeutung besitzt", erklärte Toni. Eine kleine Hoffnung hegt er gar noch auf die WM 2014: "Wenn Prandelli ruft, laufe ich zu Fuß überall hin - auch nach Rio." Die Männer aus den Bergen sind schon unerschrockene Jungs. SPOX

Herr Balotelli wird hingegen nach Brasilien fliegen, darf sich an Tonis Eifer allerdings gerne ein Beispiel nehmen. Super Mario besaß beim 0:2 seines Milan gegen Florenz mal wieder gebremste Lust am Fußball und spielte eigentlich für keines der beiden Teams, sondern kickte ein wenig zum Zeitvertreib für sich selbst. Er fand natürlich aber noch Muße, sich die obligatorisch unsinnige Verwarnung plus Gelbsperre für die nächste Partie abzuholen. Insgesamt bilanziert der 23-Jährige mittlerweile 24 AC-Einsätze inklusive 16 Mal Gelb und ein Mal Rot. Für einen Stürmer eine imposant überflüssige Quote. Mag daran liegen, dass er kein Mann aus den Bergen ist.

Chuck Norris der Woche: Es gab ja mal die charmante Mode der Chuck Norris Witze. "Badet Chuck Norris, wird er nicht nass - das Wasser wird Chuck Norris" zum Beispiel. Oder er esse keinen Honig, sondern kaue Bienen und atme nicht - er gewährt der Luft nur Unterschlupf. Auch Italien delektierte sich eifrig, Signor Norris allerhand coole Eigenschaften zuzuschreiben. Die Romanisti haben nun eine neue Adresse gefunden. Auch wenn ihre AS am Sonntagabend beim 1:1 gegen Torino den ersten Punkt abgab, stellte man ja mit zehn Startsiegen letzten Donnerstag den alleinigen historischen Serie-A-Rekord auf. Der auserkorene Rom-Ranger heißt deshalb Coach Rudi Garcia.

Mittlerweile werden die sozialen Netzwerke von dem mirakulösen Kapazitäten des Franzosen überflutet. Dort führt Garcia Mohammed und den Berg auf halber Strecke zusammen. Er ließ bei Juve-Coach Antonio Conte die Haare nachwachsen, wird bald sogar die Arbeitslosigkeit ausmerzen, eigenhändig die Brücke über die Straße von Messina errichten und ohne Niederlage den Scudetto gewinnen. Ein User prophezeite gar, dass Garcia die italienische Politik wieder in ein normales Fahrwasser schippert. Doch das würde womöglich nicht einmal Chuck Norris hinbekommen.

Und sonst? Willkommen zurück, Capitano! Stehende Ovationen im Stadio Friuli begrüßten Javier Zanetti, der sechs Monate nach seinem Achillessehnenriss erstmals wieder auf der Inter-Bank Platz nahm. Somit begann nun auch offiziell die 19. Mailänder Saison des 40-Jährigen, der damals schwor: "Ich werde zurückkommen, wenn auch nur für eine Partie." Beim Iron Man (seit 1999 Inter-Kapitän) hat man das Gefühl, dass er die 1000. Einsätze noch problemlos schaffen wird - fehlen ja bloß noch 155.

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Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: 15 Minuten lang mutete das Spitzenspiel (Erster gegen Dritter) wie einer dieser Kicks im Regents Park mit 20 Leuten pro Team an - es gab keinen Platz, keine Kontrolle, kaum Chancen. Doch mit Santi Cazorlas 1:0 - ein Volley nach eigener Kopfball-Vorlage über den Pfosten, das muss man erstmal schaffen - dominierte Arsenal eindrucksvoll die Partie und ließ vor allem den überforderten Steven Gerrard, 33, in der Zentrale der Reds ziemlich alt aussehen. "Die bessere Mannschaft hat gewonnen, darüber lässt sich nicht streiten", sagte Liverpool-Coach Brendan Rodgers nach der 0:2-Niederlage seines Teams. (Aaron Ramsey hatte den zweiten Treffer der Gunners mit einem feinen Schuss in den Winkel erzielt). SPOX

Arsene Wenger widmete sich hinterher wieder seinem Lieblingsthema ("so ein Sieg bringt Selbstvertrauen") und erlaubte sich einen kleinen Witz. "Wenn ich Euch nach dem 1:3 gegen Aston Villa (im ersten Saisonspiel) gesagt hätte, dass wir im November mit fünf Punkten Vorsprung oben stehen würden, hätte ich aus dem Stadion rennen müssen - Ihr hättet mich umgebracht", sagt der Franzose den Pressevertretern. Dortmunds 6:1-Sieg gegen Stuttgart hatte der 64-Jährige übrigens auch angeschaut, aber nur zur Hälfte. "Nach 20 Minuten habe ich gesehen, dass es ein zu einfaches Spiel werden würde, ich hätte mir mehr Widerstand (von Stuttgart) gewünscht", sagte er, "für Dortmund war es ein schönes Freundschaftsspiel."

Mann des Spieltags: Alles, wirklich alles an dem Tor von Stoke Citys Asmir Begovic gegen Southampton (Endstand 1:1) war sensationell. Es fiel nach nur zwölf Sekunden. Der Bosnier "schoss" aus 87 Metern. Er ist - die meisten werden es wissen - Torwart. Und das Beste: mit dem Freaktreffer avancierte der in Deutschland aufgewachsene 25-Jährige tatsächlich zum Führenden in der internen Stoke-Torschützenliste. (Bisher hat niemand mehr als ein Tor erzielt) "Natürlich war das keine Absicht", sagte Begovic, leicht peinlich berührt - das Malheur von Kollege Artur Boruc, dem der vom Wind getragene Ball über den Kopf flog, erweckte in ihm eher Mitleid als Schadenfreude. "Artur hat mir gratuliert und ich habe mich entschuldigt", sagte er. Den Spielball hat er zwar aufgehoben und von den Kollegen signieren lassen, aber die Erfüllung seines großen Torhütertraums steht noch aus. "Ich würde lieber in der letzten Minute einen Kopfballtreffer machen", sagte Beggo. Wenn Stoke weiter so selten trifft, kann Trainer Mark Hughes ja mal über diese taktische Variante nachdenken.

Anything Else? Die Sicherheitsvorkehrungen vor dem ersten Waliser Derby in der Premier League waren am Sonntag enorm - Fans von Swansea durften nur mit einem speziellen Pass in die Hauptstadt Cardiff reisen. Das Match selber war eher zum Vergessen - Kapitän Steven Caulker gelang per Kopfball der 1:0-Siegtreffer - aber das störte die Fans der "Blutbilds" natürlich überhaupt nicht. Sogar der Ärger über den allzu umtriebigen Eigentümer Vincent Tan war bald vergessen - nur eine kleine Minderheit protestierte nach Schlusspfiff gegen den Eigentümer. "Das war ein Sieg für die Fans, die Spieler und den Trainerstab", sagte Trainer Malky Mackay - also nicht für Tan, der aus Marketinggründen die Vereinsfarben geändert hat und auch sonst überall mitreden will. Ärger könnte es noch für Swansea-Mittelfeldspieler Jonjo Shelvey geben, der mit einer "Schwimm"-Geste die Fans der Gegner provozierte. Die Aktion erinnerte an eine Rauferei von 1988, als Cardiff-Rowdies die Rivalen von Swansea ins Meer jagten.

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Primera Division

Von Frank Oschwald

Gefühle des Spieltags: Rayo Vallecano als Wundertüte der Liga zu bezeichnen, wäre eine hoffnungslose Untertreibung. Die Hauptstädter, die aufgrund von verschwurbelten Finanzgeschäften trotz sportlicher Qualifikation nicht international antreten dürfen, taumeln seit Wochen wie ein wild um sich fuchtelnder Boxer durch die Liga. Ab und an wird ein Gegner ausgeknockt, doch aus den letzten zehn Spielen gab's acht Pleiten und lediglich zwei 1:0-Siege. Man gewinnt oder verliert, das war schon letzte Saison schon so. Ein Remis gibt's aufgrund der offensiv ausgerichteten Spielweise eigentlich prinzipiell nicht und hat unter den Fans einen ähnlichen Stellenwert wie Fenchel-Brokkoli-Suppe. SPOX

Was bei den Rayo-Fans in Zeiten von Wappenküssern und romantischen Vereins-Liebeserklärungen vielmehr zählt, ist die Hingabe und Identifikation mit dem Verein. Das hört sich zwar nach großem Pathos an, scheint das Team von Paco Jemez aber verinnerlicht zu haben. Wie ein unterdurchschnittlicher C-Jugendspieler ließ sich Rayo-Verteidiger Anaitz Arbilla vor dem 0:3 gegen Real von Superstar Gareth Bale austanzen. Ein blöder und ärgerlicher Fehler, klar. Aber das sind schließlich Profis, die den Fauxpas beim Gedanken an ihr Sparbuch längst wieder vergessen haben und vom Sommerurlaub auf den Malediven träumen. Könnte man meinen. Arbilla hing der Fehler schwer nach. Als er unmittelbar nach dem Tor aufgrund einer taktischen Umstellung vom Feld musste, trottete der 26-Jährige zur Bank, legte sich eine Trainingsjacke über den Kopf und fing an, bitterlich zu weinen. So sieht Hingabe aus.

Lovestory des Spieltags: Unter der Woche hatte FIFA-Präsident Sepp Blatter im ewigen Duell zwischen Messi und Ronaldo klar Stellung bezogen. Messi sei der bessere Fußballer, Ronaldo habe viel zu viel Flausen außerhalb des Fußballs im Kopf und komme auf dem Spielfeld rüber wie ein Kommandant. Man kann von der Blatter-Aussage denken, was man will, das Timing der beiden Turteltauben hätte aber durchaus besser sein können.

Ronaldo auf der einen Seite traf nach der verbalen Ohrfeige in zwei Ligaspielen satte fünf Mal und strafte Blatter Lügen. Während er sich außerhalb des Platzes mit Retourkutschen gentlemanlike zurückhielt, sprudelte es nach den Toren auf dem Platz aus ihm heraus. Unter der Woche gegen Sevilla salutierte er vor seinen Mitspielern, gegen Rayo klopfte er sich mehrmals auf die Brust und deutete dann auf den Rasen, als wolle er sagen: "Ich antworte auf dem Platz". So weit so gut, könnte man aus Ronaldo-Sicht eigentlich denken. Doch ganz aus der Welt zu weisen sind die blatterschen Vorwürfe ebenfalls nicht. Denn unter der Woche stellte Ronaldo seine neue Unterwäsche-Kollektion vor und posierte für die Fotografen vor einem 17 Meter hohen halbnackten Abbild seiner selbst. Na ja, so lange er trifft...

Und sonst? Während man in Barcelona in den letzten Jahren den Notstand ausgerufen hatte, wenn Messi nicht fit war, lehnt sich der gemeine Katalane inzwischen lässig zurück. Sind aktuell ja oft die anderen, die die Buden machen. Der oft gescholtene Alexis Sanchez beispielsweise macht Riesenspiele am Fließband. Und außerdem gibt's mit Neymar ja noch den neuen Publikumsliebling, bei dessen Aktionen den Spaniern ein ums andere Mal die Nüsse aus den Händen fallen. Auch im Derby gegen Espanyol zauberte der Youtube-Star a.D. mal wieder. Vor dem 1:0 gelang ihm ein punktgenauer Pass durch die Beine von Raul Rodriguez UND Sidnei, den Alexis Sanchez nur noch einzuschieben brauchte. Doch während ganz Barcelona aufgrund des Doppeltunnels Kopf steht, erklärte Neymar, er schöpfe Kraft aus den Worten der brasilianischen Formel-1-Legende Ayrton Senna: "Wer immer du bist, egal welchen sozialen Rang du hast, ob arm oder reich, gebe immer alles, sei entschlossen und handle stets mit Liebe und Vertrauen in Gott. Irgendwann wirst du dein Ziel erreichen." Alles klar. Könnte auch bei Rayo spielen, der Neymar.

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