Goretzkas Endboss-Transformation abgeschlossen, Choupo-Moting außen besser aufgehoben: Die Thesen zum Bayern-Schützenfest gegen Köln

Dennis Melzer
28. Februar 202111:22
Leon Goretzka feierte mit den Bayern ein 5:1 gegen Köln.getty
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Leon Goretzkas Transformation zum Endboss ist abgeschlossen, die Außen-Aushilfe namens Eric Maxim Choupo-Moting überrascht und doch gibt es Anlass für Kritik. Die Thesen zum Bayern-Sieg gegen Köln.

Der FC Bayern München hat in der Bundesliga zurück in die Spur gefunden. Nach dem Remis gegen Bielefeld und der Niederlage in Frankfurt feierten die Münchner gegen "Angstgegner" Köln (gegen kein anderes Team verlor der FCB mehr Heimspiele) ein deutliches 5:1.

Trotz des - am Ende - hohen Sieges schlichen sich wieder einmal Unzulänglichkeiten ein. Leon Goretzka und ein Luxus-Duo von der Bank sicherten dem Rekordmeister jedoch drei wichtige Punkte im Kampf um die Meisterschaft. Die Thesen zum Spiel.

1. Goretzkas Transformation zum Endboss ist abgeschlossen

Vor rund einem Jahr, als noch niemand ahnte, dass der FC Bayern sein vorerst letztes Pflichtspiel bestritten hatte, schlich Leon Goretzka niedergeschlagen durch die Mixed Zone. Er hatte zwar das entscheidende 2:0 gegen den FC Augsburg erzielt, Anlass zum Hadern sah der Nationalspieler aber dennoch. Der Grund: Goretzka war im dritten Bundesligaspiel hintereinander von der Bank gekommen, die Rolle des Reservisten setzte ihm merklich zu.

"Ich bin natürlich nicht glücklich, wenn ich nicht von Anfang an spiele", beklagte er sich im Nachgang des Duells mit den Fuggerstädtern. "Das kann man offen und ehrlich sagen. Das wird man besprechen müssen", schob der Mittelfeldmann damals vielsagend nach. Er sei in einer Top-Verfassung, der "wahrscheinlich besten Verfassung" seiner gesamten Laufbahn, gab er damals, Anfang März 2020, zu Protokoll. Eine Aussage, die rückblickend nicht einer gewissen Komik entbehrt.

Für die vielzitierte Schnelllebigkeit im Fußball dient Goretzka nämlich als Paradebeispiel. Er legte nach dem Bundesliga-Shutdown nicht nur deutlich an Muskelkraft zu, er brach auch fußballerisch in gänzlich andere Sphären auf, avancierte neben dem Platz zur reflektierten, meinungsstarken Identifikationsfigur. Goretzka hatte freilich seinen Anteil am Sieg des Triples, war von einem überdurchschnittlich guten Bundesliga-Mittelfeldspieler in den erweiterten Kreis der europäischen Hautevolee aufgestiegen.

Flick: "Für mich war er der Spieler des Tages"

Aktuell, seit seiner Rückkehr nach überstandener Corona-Infektion, spielt der ehemalige Schalker jedoch wie ein angsteinflößender Endboss auf. Gegen Köln gab es mutmaßlich keinen Rasen-Millimeter, den der 26-Jähriger nicht mindestens einmal umgepflügt hatte, Goretzka grätschte, eroberte reihenweise Bälle (8) zwischen den Strafräumen, spielte kluge Pässe, schloss selbst ab - und lieferte gleich drei Torvorlagen, eine sehenswerter als die andere.

"Er hat in den letzten drei Spielen gezeigt, was ihn auszeichnet", sagte Flick nach der Partie auf der Pressekonferenz und ergänzte: "Er ist sehr aggressiv gegen den Ball und schaltet bei Ballgewinnen sehr gut um." Die drei Treffer habe Goretzka herausragend und zu besonders wichtigen Zeitpunkten vorbereitet. Gründe genug, um zu dem einzig logischen Schluss zu kommen: "Für mich war er der Spieler des Tages."

Spieler des Tages, Spieler der vergangenen Woche und einer der Spieler des Jahres bei den Bayern. Goretzka hat seit seinem frustrierten Mixed-Zone-Auftritt eine Transformation hinter sich, die ihresgleichen sucht. Er ist in der absoluten Weltspitze angekommen, jetzt ist er in der besten Verfassung seiner Karriere. Das hat die Darbietung gegen die Domstädter eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Eric Maxim Choupo-Moting überzeugte gegen Köln auf der Außenposition.getty

2. Choupo-Moting außen besser aufgehoben als im Zentrum

Etwas überraschend war es schon, als Eric Maxim Choupo-Moting eine Stunde vor Anpfiff auf dem Aufstellungsbogen auftauchte. Weil auch Jamal Musiala in der Startelf stand, Kingsley Coman und Serge Gnabry aber zunächst auf der Bank Platz nahmen, kristallisierte sich schnell heraus, dass der Routinier gegen Köln in vermeintlich ungewohnter Rolle agieren würde: Auf der linken Außenbahn.

Gänzlich unbekannt ist dem Angreifer ebenjene Rolle zwar keineswegs: Bereits während seiner Zeit bei Schalke 04 und Mainz 05 war Choupo-Moting regelmäßig als Linksaußen eingesetzt worden, bekleidete die Position in beiden Fällen sogar häufiger als die des Mittelstürmers. Mit Blick auf die nominellen Außen der Bayern, die allesamt eher als wuselige, trickreiche Tempodribbler daherkommen, erfüllt der großgewachsene Choupo-Moting andere, aber nicht die "typischen" Flügelflitzer-Voraussetzungen beim FCB.

Dennoch löste der 31-Jährige seine Aufgabe ansprechend, viel besser als die Aufgabe des Müller-Vertreters, die ihm gegen Bielefeld und Frankfurt jüngst zuteilwurde. Choupo-Moting verarbeitete die langen Bälle zumeist technisch stark und nutzte seine Physis, um die Zuspiele seiner Teamkollegen festzumachen und weiterzuleiten. Keine Eins-gegen-Eins-Situationen mit Wow-Effekt, aber effektiv vor dem Tor, als er Goretzkas mustergültige Flanke zum zwischenzeitlichen 1:0 und dem ersten Bundesliga-Treffer für den neuen Arbeitgeber einnickte.

Flick: "Wenn ein Engpass da ist, kann er das durchaus spielen"

Choupo-Moting war nicht bloß wegen des Treffers deutlich besser eingebunden ins Spiel als bei seinen letzten Auftritten, in 64 Minuten verbuchte er 42 Ballaktionen, während er auf der Zehn gegen Bielefeld über die volle Distanz beispielsweise lediglich 28-mal an die Kugel kam (mit Abstand Tiefstwert bei den Bayern) und selbige dabei achtmal verlor. Doch was gab den Auslöser dafür, Choupo-Moting als Coman-Ersatz aufzubieten?

"Kingsley hat in letzter Zeit sehr viele Spiele gemacht, auf dieser Position herrscht eine hohe Intensität. Er hat sich nicht zu hundert Prozent fit gefühlt", begründete Flick einleitend, warum er nicht auf den formstarken Franzosen gesetzt hatte. Der Coach erklärte weiter: "Wir haben uns dazu entschlossen, Choupo auf der linken Seite einzusetzen. Das kennt er von einigen seiner früheren Vereine. Wenn ein Engpass da ist, kann er das durchaus spielen."

Nicht die überschwänglichste aller Lobeshymnen, aber durchaus die Aussicht für Choupo-Moting, aufgrund des personellen Aderlasses, der die Bayern in den spielintensiven Wochen heimzusuchen droht, häufiger sein Können als Aushilfs-Außenbahnspieler zu zeigen.

3. Gnabry & Müller: Rückkehrer untermauern ihre Wichtigkeit

"Für einen Thomas Müller habe ich die Quarantäne meisterhaft überstanden. Aber ich muss wieder raus - raus aus dem Stall", sagte Thomas Müller am zwölften Tag nach seinem positiven Corona-Testergebnis. "Es ist nicht mehr weit. Bald bin ich wieder da." Gegen Köln war er wieder da, kehrte nach einigen Homeoffice-Einheiten, einer Einzelschicht am Donnerstag und einem Mannschaftstraining am Freitag gleich zurück in den Kader der Bayern.

Vermutlich hätte Flick gerne darauf verzichtet, Müller sofort mit Spielzeit zu bedenken, die Gemengelage am Samstagnachmittag verlangte allerdings, dass das erfahrene, hochdekorierte Pferd aus dem Stall gelassen wurde. Nachdem die Bayern die erste Halbzeit gänzlich im Griff hatten, drohte die Partie nach dem Seitenwechsel zu kippen. Müller, dessen "bald bin ich wieder da" wie eine Drohung anmutete, stand handgestoppte 32 Sekunden auf dem Platz, da riss er auch schon die Arme gen Himmel.

Er, der Vorlagenkönig der Vorsaison, hatte seinen Lieblingsabnehmer Robert Lewandowski gefunden, der den Ball aus der Drehung zum 3:1 im Kölner Kasten unterbrachte. Das Tor nahm den Gästen den Schwung - und belebte die Hausherren merklich.

Flick: "Sehr guter Anfang für Thomas"

Nach Müllers entscheidendem Kurzauftritt gehörte die Bühne dann einem anderen Rückkehrer: Serge Gnabry. Der Offensivspezialist feierte nach zweiwöchiger Muskelfaserriss-Zwangspause sein Comeback und versetzte den mutigen Geißböcken mit einem Doppelpack den Gnadenstoß.

Müller und Gnabry, an drei Toren direkt beteiligt, unterstrichen ihre Wichtigkeit - und zeigten, wie elementar es manchmal ist, in brenzligen Spielen derlei Qualität von der Bank nachlegen zu können. Das, was den Bayern in den vergangenen Wochen aufgrund des Personalmangels nicht möglich war.

"Das war ein sehr guter Anfang für Thomas, der mit seinem ersten Ballkontakt die Vorlage auf Lewy gegeben hat", sagte Flick bezüglich Müller. "Das hat ein bisschen Ruhe gebracht und war in diesem Moment sehr wichtig für uns." Gnabrys Doppelpack stand aus Flicks Sicht ohnehin für sich. "Sie waren heute als Einwechselspieler sehr wertvoll für uns. Wir sind froh, dass beide nach ihrer Corona-Erkrankung respektive Verletzung wieder so gut reingefunden haben", schwärmte der Übungsleiter.

4. Bayerns Hintermannschaft strauchelt schon wieder

Nach den ersten 45 Minuten hatte nichts darauf hingedeutet, dass die Bayern mit den bis dahin völlig harmlosen Kölnern Probleme bekommen würden. Doch nach dem Seitenwechsel waren es die Hausherren selbst, die den Rheinländern neuen Glauben schenkten.

Jerome Boateng und David Alaba unterlief ein folgenschweres Missverständnis, das Kölns Ellyes Skhiri sehenswert für sein Team zu nutzen wusste, indem er fast die gesamte Hintermannschaft stehenließ und den Ball über Manuel Neuer hinweg in die Maschen lupfte.

Hatten die Münchner in den beiden vergangenen Bundesligaspielen vornehmlich in Halbzeit eins mit defensiven Unzulänglichkeiten zu kämpfen, gerieten sie diesmal trotz komfortabler Führung in die Bredouille.

Flick: "Das eine oder andere hat mir nicht so gut gefallen"

Ballverluste im Mittelfeld, kein Zugriff bei den zweiten Bällen, Abstimmungsprobleme in der Viererkette - eine Viertelstunde lang lief kaum etwas zusammen, die Mannschaft von Markus Gisdol witterte immer stärker Morgenluft am Nachmittag. Weil die Kooperation zwischen Müller und Lewandowski das 3:1 zur Folge hatte und Dominick Drexler nach einem kapitalen Neuer-Bock nur den Innenpfosten traf, kamen die Bayern mit einem blauen Auge davon.

Dass das deutliche 5:1 etwas über die Anfälligkeit hinwegtäuschte, wurde nach Abpfiff dennoch thematisiert. Er sei mit dem Ergebnis zufrieden, sagte Flick. Er merkte allerdings an: "Am Dienstag gehen wir auf das Spiel noch einmal ein. Das eine oder andere hat mir nicht so gut gefallen."

Choupo-Moting hatte bei Sky ein "paar zu einfache Ballverluste" als Ärgernis ausgemacht. "Dann läuft man hinterher und es kostet Kraft. Das gibt dem Gegner wieder Selbstvertrauen."

Gnabry analysierte: "Als Thomas und ich reingekommen sind, war es etwas brenzlig für uns. Da haben wir nicht so sauber und dominant gespielt. Für die Zukunft müssen wir schauen, dass wir diese wackligen Phasen im Spiel nicht mehr haben beziehungsweise schneller wieder rauskommen." Wenn dies gelinge, so Gnabry, "dann sind wir auch wieder stärker."