Am 8. Juli 2019 gab Hansi Flick nach 29 Jahren sein Comeback beim FC Bayern und kehrte sechs Jahre nach Deutschlands WM-Triumph in Brasilien auf die Trainerbank zurück. Das lag mehr an Uli Hoeneß als an Niko Kovac.
Beim Trainingsauftakt des deutschen Meisters stand der langjährige Assistent von Bundestrainer Jogi Löw wieder auf dem Rasen, als dienstbarer Geist von Trainer Niko Kovac. "Ich habe nur eine Auszeit genommen und wollte nach der Zeit in Hoffenheim wieder zurück in das Trainer-Business", sagte Flick kürzlich zu SPOX und Goal.
"Als das Angebot des FC Bayern kam, musste ich nicht lange nachdenken. Ich wollte wieder mit Topspielern auf dem Trainingsplatz stehen", berichtete der einstige Münchner Profi (1985 bis 1990), der 2018 in seinem letzten Job als Sportvorstand bei der TSG Hoffenheim nach wenigen Monaten aufgehört hatte. Dennoch glaubt einer, der ihn sehr gut kennt, dass das Comeback in der zweiten Reihe nur bei Bayern ein Thema werden konnte: "Ich denke, bei keinem anderen Verein hätte er diesen Job angetreten."
Ob es allein an der Bedeutung des deutschen Rekordmeisters lag, am Werben von Niko Kovac oder vielleicht sogar an der Aussicht, den Chefcoach irgendwann sogar beerben zu können - darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. "Das ist eine sehr gute Entscheidung", sagte der damalige Präsident Uli Hoeneß nach der Bekanntgabe: "Das war ein ausdrücklicher Wunsch von Niko Kovac."
Entscheidung für Flick maßgeblich von Hoeneß beeinflusst
Flick wurde als erste Wahl des Kroaten dargestellt, doch nach Informationen von SPOX und Goal soll die Entscheidung maßgeblich von Hoeneß beeinflusst worden sein. Der langjährige Manager und sein einstiger Spieler hatten sich bei einem Benefizspiel der Bayern-Allstars im Mai 2018 im Odenwald nach langer Zeit wiedergesehen. Damals unterhielten sich beide auf der Tribüne lange und intensiv, seitdem spielte Hoeneß mit dem Gedanken einer Rückholaktion.
Kurzzeitig soll Flick als Sportdirektor im Gespräch gewesen sein, bevor wenig später Hasan Salihamidzic den Posten übernahm. Einige Zeit darauf bot ihm Hoeneß angeblich einen Job im Nachwuchs-Leistungszentrum an. Schließlich kamen beide Seiten im Sommer 2019 zusammen, als ein Nachfolger für den scheidenden Peter Hermann als zweiter Co-Trainer neben Robert Kovac gesucht wurde.
Zwar durfte Niko Kovac, der als Spieler bei Red Bull Salzburg 2006 einige Wochen mit Flick zusammengearbeitet hatte, den neuen Mann als seine Entscheidung verkaufen. Doch er hatte auch kaum eine andere Wahl. Denn seit den aus Hoeneß-Sicht unseligen Zeiten von Jürgen Klinsmann, der 2008 den kompletten Trainerstab ausgetauscht hatte und dann nach wenigen Monaten mit seinem großen Funktionsteam gescheitert war, achten auch die Münchner darauf, dass der Verein mindestens einen Assistenten stellt - um Einfluss zu behalten und im Fall einer Trennung nicht komplett blank dazustehen.
Das begann bei Klinsmanns Nachfolger Louis van Gaal und setzte sich fort bei Pep Guardiola und Carlo Ancelotti. Den engsten Vertrauten der ausländischen Startrainer wurde immer auch Vereinsikone Hermann Gerland zur Seite gestellt.
Ärger bei Ancelotti um "Fitnessraucher" Mauri
2017 wechselte Gerland jedoch zum neuen Nachwuchscampus. Stattdessen kehrte der ehemalige Bayern-Profi Willy Sagnol an die Säbener Straße zurück. Doch die Vorkommnisse der ersten Wochen der Saison 2018/19 dürften Hoeneß bestätigt haben, dass nur mit einem Vertreter wie Gerland genug Ordnung im Trainerstab herrscht.
Denn unter den Augen von Sagnol, Ancelotti und dessen Sohn und Assistent Davide wurde das Trainingspensum so gering, dass sich die Führungsspieler darüber beschwerten. Und der als Fitnesscoach angestellte Ancelotti-Kumpel Giovanni Mauri bekam aufgrund seiner nur dreiminütigen Aufwärmübungen und seines regelmäßigen Zigarettenkonsums im Kabinentrakt teamintern den Spitznamen "Fitnessraucher". "Mit den Assistenten von Ancelotti hat es hinten und vorne nicht gepasst", schimpfte Hoeneß nach der Trennung vom Italiener Ende September 2018.
So kehrte im Oktober 2018 Jupp Heynckes zurück und mit ihm seine altgedienten Assistenten aus der Triplesaison: Peter Hermann, für den sogar eine Ablöse an Fortuna Düsseldorf gezahlt wurde, und Hermann Gerland.
Für Sagnol war nach nur rund drei Monaten schon kein Platz mehr beim FCB. Daher sahen es die Verantwortlichen auch als richtigen Schritt, den beiden Kovac-Brüdern nach deren Amtsübernahme im Sommer 2019 Peter Hermann als Bayern-Vertreter zur Seite zu stellen (während Gerland wieder in den Campus zurückkehrte).
Doch legte Kovac auf den Rat des loyalen und kompetenten, aber auch zurückhaltenden Hermann wenig Wert und traf gleichzeitig selber einige fragwürdige taktische Entscheidungen. Eine Verlängerung kam für den gebürtigen Leverkusener, der ohnehin schon nach den acht Monaten mit Heynckes eigentlich wieder zurück zur Familie gewollt hatte, nicht mehr in Frage. Bayerns Bosse suchten also einen kompetenten zweiten Mann, der deutlich mehr Einfluss auf die Trainingsarbeit nehmen sollte.
Der Plan mit Flick: Kovac-Korrektiv und möglicher Feuerwehrmann
Der unausgesprochene Hintergedanke in der Bayern-Spitze war dabei auch der Wunsch, eine mögliche Übergangslösung für den Worst Case zu haben. Selbst nach dem Doublegewinn war Niko Kovac nicht unumstritten, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vergaß bei seiner Dankesrede nach Saisonende sogar, den Trainer zu nennen.
Schließlich entschied man sich aber doch gegen eine Trennung, setzte aber auch auf den einstigen Löw-Schattenmann Flick als Korrektiv. "Niko ist der Cheftrainer", sagte Flick nach seiner Ankunft und pries die "gute Harmonie" und das gegenseitige Vertrauen: "Als Assistenztrainer musst du dem Cheftrainer absolut den Rücken stärken, loyal sein und ihn auch weiterbringen."
Das tat der Badener dann auch und arbeitete still im Hintergrund. Er konnte das Aus für Kovac und seinen Bruder nach dem 1:5 in Frankfurt Anfang November aber auch nicht verhindern. "Es hat sicherlich Strömungen innerhalb der Mannschaft gegeben, die den Trainer weghaben wollten. Deswegen hat die Führung entsprechend reagiert", erklärte Hoeneß den Schritt.
Flick übernahm zunächst als Interimscoach, lobte bei seiner ersten Pressekonferenz aber explizit seinen bisherigen Chef. "Niko ist nie ratlos", widersprach er einem Fragesteller. "Ich habe ihn schätzen gelernt, als Mensch. Er hat sich stilvoll verabschiedet. Viele mussten schlucken. Es ist nicht so, dass das einfach an einem vorüber geht."
Auch Flick setzt beim FC Bayern auf Gerland
Er machte bei diesem Auftritt aber auch eine andere interessante Aussage: "Ich bin keiner, der in der Vergangenheit oder in der Zukunft lebt. Die Gegenwart ist für mich entscheidend." Das galt sowohl für die gemeinsame Zeit mit Kovac, die er schnell zu den Akten legte, als auch für eine mögliche Weiterbeschäftigung beim FC Bayern. Stattdessen ließ er Taten sprechen, mit denen er die Klubführung überzeugte und spätestens seit dem Doublegewinn als Chefcoach unantastbar dasteht.
Als Assistent wählte der 55-Jährige in alter Tradition einmal mehr einen alten Bekannten. "Hermann Gerland ist sehr erfahren. Er kennt die Mannschaft, er kennt die Abläufe, er kennt den gesamten FC Bayern. Deshalb war es mein Wunsch, mit ihm zusammenzuarbeiten", erklärte Flick.
Und auch in der neuen Saison wird der 65 Jahre alte "Tiger" Co-Trainer bleiben, gemeinsam mit dem neuen zweiten Mann, dem bisherigen U-17-Trainer Miroslav Klose. Den kennt Flick aus den gemeinsamen Jahren beim DFB bestens und nannte ihn "die perfekte Ergänzung unseres Trainerteams". So ähnlich war er selbst allerdings auch vor einem Jahr bei Bayern vorgestellt worden.
Hansi Flicks Trainerkarriere
Zeitraum | Verein | Funktion |
1996 bis 2000 | FC Bammental | Trainer |
2000 bis 2005 | TSG Hoffenheim | Trainer |
07/2006 bis 08/2006 | RB Salzburg | Co-Trainer |
09/2006 bis 2014 | DFB | Co-Trainer |
2014 bis 01/2017 | DFB | Sportdirektor |
07/2017 bis 02/2018 | TSG Hoffenheim | Geschäftsführer |
07/2019 bis 11/2019 | FC Bayern München | Co-Trainer |
seit 11/2019 | FC Bayern München | Trainer |