"Stuttgart muss büßen"

Carsten Germann
16. September 200916:17
Kenny Miller will gegen Stuttgart nicht wieder zum Chancentod werden - sondern jubeln wie hierGetty
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Die Glasgow Rangers haben in der Champions League oft schlechte Erfahrungen mit ihrem Auftaktgegner VfB Stuttgart gemacht. Vor dem Spiel beim VfB fordert ausgerechnet der "Staatsfeind Nummer eins" Kenny Miller mehr Mut von seinen Teamkollegen - damit die offenen Rechnungen endlich beglichen werden können.

Der Chancentod war überall. Kenny Miller muss seit dem vergangenen Mittwoch in Schottland nicht gerade um Spott betteln. Der Stürmer der Glasgow Rangers hatte im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel der Schotten gegen die Niederlande (0:1) gleich mehrere hochkarätige Chancen versiebt und zierte Tags darauf in verzweifelter Pose und mit gen Himmel gerichtetem Blick die Titelseite des Boulevardblatts "The Scottish Sun".

Auch die Zeitung "The Scotsman" hatte in Miller einen der Schuldigen für die Vernichtung sämtlicher WM-Playoff-Chancen ausgemacht. "Ich bin wirklich sehr enttäuscht, für mich ist ein Traum zu Ende gegangen", sagte Miller gegenüber SPOX, "denn es war für mich wahrscheinlich die letzte Gelegenheit, einmal an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen."

Von den Rangers zu Celtic und wieder zurück

Miller ist bei den Rangers der Mann für eigentümliche Rekorde. Nach Alfie Conn und Maurice "Mo" Johnston ist er erst der dritte Spieler, der seit dem Zweiten Weltkrieg sowohl das Trikot der Glasgow Rangers als auch das des Erzrivalen Celtic trug.

Und neben dem einstigen Teamarzt Willie "Doc" Kivlichan ist Miller gar der einzige, der erst von den Rangers zu Celtic und wieder zurück zu den Gers wechselte.

So einer polarisiert. Und das Gefühl, in Schottland Staatsfeind Nummer eins zu sein, ist Miller in der Tat nicht fremd. Bei seinem Comeback im Dress der Rangers wurde der ehemalige Celtic-Spieler im Sommer 2008 im Ibrox Park von den eigenen Fans ausgebuht.

Auch nach Schottlands 0:3 in den Niederlanden im Frühjahr in Amsterdam nagelten die Kritiker auf ihn ein, weil er wieder einmal zu viele Gelegenheiten ausgelassen hatte. Am vergangenen Mittwoch machte der unglückliche Auftritt gegen die Holländer Millers Misere perfekt.

"Es macht mir nichts aus, den Sündenbock zu spielen", erklärte Miller, "damit muss ich als Stürmer einfach leben. Ich muss versuchen, das alles zu vergessen."

"Kein Messi und kein Rush"

Unterstützung erhielt Miller in dieser misslichen Lage von Rangers-Legende Ally McCoist (251 Tore in 418 Spielen): "Du musst Kenny nur ins Gesicht schauen und weißt, wo du dran bist", sagt der Co-Trainer der Rangers, "er ist kein Lionel Messi und kein Ian Rush, aber seine Schnelligkeit und sein gutes Stellungsspiel machen ihn in jedem Team zum Leistungsträger."

Offensiv-Qualitäten, die Kenny Miller zum Auftakt in die neue Champions-League-Saison auch beim VfB Stuttgart (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) unbedingt zeigen will.

Offene Rechnungen mit dem VfB

"Für mich persönlich ist die Champions League definitiv eine Gelegenheit, das WM-Aus vergessen zu machen. Gerade mit dem VfB Stuttgart haben wir noch eine Rechnung offen. Und wer weiß, vielleicht müssen sie jetzt für die verpasste Weltmeisterschaft büßen", sagt Miller.

In der Saison 2007/2008 trugen die Schwaben durch ein 3:2 im vorletzten Gruppenspiel maßgeblich dazu bei, dass die Rangers wieder einmal den Sprung ins Achtelfinale verpassten. Auch 2003/04 war der VfB für die Gers in der Vorrunde Endstation. Der Einzug in die K.o.-Runde gelang den Rangers zuletzt in der Spielzeit 2005/2006 - mit nur einem einzigen Sieg gegen den FC Porto (3:2).

Seitdem war für die schottischen Minimalisten entweder in der Vorrunde oder bereits in der Qualifikation Schluss. Für Miller ist das fast schon sprichwörtliche Scheitern der Rangers in der Gruppenphase der Königsklasse keinen Gedanken wert.

"Wir haben keine Angst vor Europa, sondern wir haben unsere Lektion aus den letzten Jahren in der Champions League gelernt", glaubt er, "und wir haben jetzt ein wesentlich jüngeres Team. Ich freue mich auf diese Herausforderung."

Finanzkrise: Zittern auf der Geschäftsstelle

Ein Weiterkommen wäre für die Rangers so wichtig wie selten zuvor. Hinter dem schottischen Rekordmeister (52 Titel) liegt eine der turbulentesten Spielzeiten seiner ruhmreichen Klubgeschichte. Nachdem man das UEFA-Cup-Finale 2008 gegen Zenit St. Petersburg (0:2) verloren hatte, gingen gegen den litauischen No-Name-Klub Kaunas die sicher geglaubten Champions-League-Millionen flöten.

Mitten in der weltweiten Finanzkrise traf die Rangers im Herbst dann die Pleite des übertragenden Fernsehsenders der schottischen Premier League, "Setanta TV". Im Januar 2009 teilte Coach Walter Smith mit, dass "jeder Spieler zum Verkauf steht."

Auch zahlreiche Angestellte des Vereins mussten zwischenzeitlich um ihren Job bangen. Am Ende kamen die Rangers-Mitarbeiter ohne Kündigung davon.

Stattdessen trennte sich der Verein trotz des Gewinns der schottischen Meisterschaft und der Direktqualifikation zur Champions League von elf Spielern. Prominenteste Abgänge waren der langjährige Kapitän Barry Ferguson (zu Birmingham City) und Mittelfeldrenner Charlie Adam (jetzt FC Blackpool).

Ziel: Chronische Auswärtsschwäche beheben

Nach einem Sommer nahezu ohne große Transfers baut Coach Smith auf seine Meistermannschaft aus dem Vorjahr. Neben Miller setzt Smith vor allem auf den schottischen Torschützenkönig Kris Boyd.

Um in der Gruppe mit dem FC Sevilla, dem VfB Stuttgart und dem rumänischen Außenseiter Unirea Urziceni bestehen zu können, werden die Rangers vor allem ihre chronische Auswärtsschwäche beheben müssen. "Es wird ein harter Weg ins Achtelfinale", weiß Miller, "wir müssen vor allem auf fremden Plätzen weitaus mutiger auftreten."

Verhaltener Optimismus

Das macht Sasa Papac schon mal außerhalb des Platzes: "Stuttgart gehört sicherlich nicht zu den besten Teams in der Champions League", sagte der bosnische Verteidiger dem "Daily Telegraph".

"Aber die Bundesliga gehört für mich zu den stärksten Ligen in Europa, Stuttgart ist daher Favorit in diesem Duell. In Deutschland spielen die meisten Klubs sehr offen und greifen mit fünf, sechs Leuten an. Da gilt es, mit Kampf dagegen zu halten."

Seinen Geschäftsführer Martin Bain wurmt die erneute Begegnung mit dem VfB Stuttgart: "Sie haben sich drei Mal für die Champions League qualifiziert und dabei immer gegen uns gespielt. In Stuttgart haben wir stets verloren", seufzt Bain, "vielleicht machen wir es ja dieses Mal besser." Schottischer Optimismus klingt anders.

Das sind die Glasgow Rangers