Borussia Dortmund liefert beim 1:1 gegen den FC Sevilla in der Champions League eine biedere Vorstellung ab und verpasst den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale der Königsklasse. Drei Erkenntnisse zum Spiel des BVB.
BVB: Jude Bellingham muss seine Emotionen zügeln
14 Pflichtspiele hat Borussia Dortmund in dieser Saison nun absolviert. Jude Bellingham hat keine Sekunde davon verpasst. Man merkt dem Engländer mittlerweile aber deutlich an, dass seine Energie schwindet und die Kräfte nachlassen.
BVB-Trainer Edin Terzic wird nicht daran vorbeikommen, Bellinghams Einsatzzeit demnächst einmal zu reduzieren. Allerdings hätte Dortmunds dritter Kapitän in seinem Spiel auch noch ein paar Möglichkeiten, um Energie einzusparen. Das wurde beim 1:1 gegen den FC Sevilla sichtbar, nicht zum ersten Mal.
Bellingham ist teils zu sehr damit beschäftigt, sich beim Schiedsrichter zu beschweren, auffällig zu hadern oder genervt abzuwinken. Das tut er selbst gegenüber seinen Mitspielern. Gegen Sevilla war das nach nur 24 Minuten Spielzeit bereits zweimal zu sehen. Damit bricht er ein im Mannschaftssport übliches Tabu.
Einige Male hat man auch schon beobachten können, dass der oft stark attackierte Bellingham recht lange auf dem Boden liegen bleibt und sich beschwert, anstatt zu realisieren, dass ein Pfiff des Schiedsrichters ausgeblieben ist und sich das Spiel fortsetzt. Auch Amazon-Experte Matthias Sammer kritisierte Bellinghams Verhalten: "Das macht keinen Sinn. Die Mannschaft muss das regulieren."
Zumal der 19-Jährige trotz seines jungen Alters bereits ein Spieler ist, an dem sich andere orientieren. Zeigt er dann keine gute Körpersprache, ist das kontraproduktiv für ihn und vor allem das Team. Bellingham will manchmal zu viel auf einmal und mit dem Kopf durch die Wand, wenn bisweilen auch ein einfacher Pass die Lösung wäre.
BVB: Jude Bellingham "darf auch mal meckern"
"Fußball ist eigentlich ein simples Spiel. Wir aber machen es immer sehr kompliziert", sagte Mats Hummels nach der Partie bei Prime Video. Unter anderem Bellingham darf sich da angesprochen fühlen.
Allerdings: Angesichts von Bellinghams herausragender Klasse und dem überbordenden Talent sind diese Unzulänglichkeiten Jammern auf hohem Niveau sowie dem emotionalen, aggressiven Spielstil des Nationalspielers geschuldet, den dieser auch unbedingt beibehalten muss. Doch das im negativen Sinne Wilde und Unberechenbare sollte Bellingham sich selbst austreiben.
"Ich finde, er hat ein bisschen mehr Balance, ein bisschen mehr Kontrolle in sein Spiel bekommen", sagte Terzic kürzlich zu genau diesem Thema. "Wichtig ist halt einfach, dass er seine Emotionen im Griff behält. Da arbeiten wir weiter dran. Damit meine ich jetzt nicht, dass er sich über den Schiedsrichter aufregt, sondern dass er nicht auf einmal anfängt, sein eigenes Spiel zu spielen, und auf einmal anfängt, den gegnerischen Torhüter allein anzulaufen."
Auch Hummels äußerte sich dazu und verzichtete im Gegensatz zu seinen Ausführungen zur biederen BVB-Vorstellung auf Kritik an Bellinghams gegen Sevilla wieder einmal sichtbar gewordene Attitüde: "Jude will immer gewinnen, in jedem Training, in jedem Spiel. Er investiert sehr viel. Wir alle lieben diesen Jungen. Dass er mit 19 gewisse Energien hat, die ich auch gern noch hätte, und diese manchmal kanalisieren muss, ist normal. Der hat jede Minute gespielt diese Saison. Wenn einer jede Minute alles investiert, dann darf er auch mal meckern."
BVB: Donyell Malen erinnert immer mehr an seine Vorsaison
Fünf der 14 Pflichtspiele verpasste Donyell Malen mit einem Muskelfaserriss, den er sich bereits am 2. Bundesligaspieltag zuzog. Nachdem der Niederländer in seiner ersten Saison beim BVB noch stark fremdelte und sich nicht als Verstärkung herausstellte, kam diese Blessur zur Unzeit.
Malen machte in der Saisonvorbereitung nämlich einen frischen und spritzigen Eindruck, was sich auch beim Auftaktspiel im Pokal gegen 1860 München (3:0) zeigte. Dort glänzte Malen mit einem Tor und einem Assist, vor allem aber mit der von einem schnellen Offensivspieler erwünschten Zielstrebigkeit.
Seit Malen nun wieder von der Verletzung zurück ist, stand er in vier von sechs Partien in der Anfangsformation. Der 23-Jährige ist stets bemüht und fleißig, wenngleich aus ihm wohl nicht mehr der disziplinierteste Spieler gegen den Ball wird. Schwerwiegender ist jedoch: Wie schon im Vorjahr agiert Malen offensiv meist glücklos.
Gegen Sevilla leitete er das Dortmunder Tor zwar stark ein, doch in Summe unterlaufen ihm zu viele technische Unzulänglichkeiten, er verheddert sich in Eins-gegen-eins-Situationen oder nimmt zu wenig am Spiel teil. Lediglich 22 Ballaktionen in 71 Minuten gegen die Spanier belegen dies.
getty"Wir haben in der vergangenen Saison noch nicht das beste Jahr von Donny gesehen. Wir erhoffen uns von ihm einen Schritt nach vorne, gerade was seine Tore und Assists angeht", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl vor ein paar Tagen im kicker.
Es stehen allerdings weiterhin nur die beiden Torbeteiligungen gegen die Löwen auf Malens Konto. Er hat seitdem Rückschritte gemacht. Viele davon wird er sich nicht mehr leisten können. In Giovanni Reyna und Thorgan Hazard scharren zwei Spieler längst mit den Hufen.
BVB: Dortmund muss die Schwäche bei Standards abstellen
"Ich behaupte ja immer, dass die Jungs nicht doof sind, aber sie sind brutal vergesslich. Unsere Aufgabe ist es, sie jedes Mal daran zu erinnern, die Dinge aufzuarbeiten", sagte Terzic vor dem Anpfiff des Hinspiels in Sevilla. Einige Tage zuvor hatte der BVB nach Führung und guter erster Halbzeit sein Spiel beim 1. FC Köln aus der Hand gegeben und mit 2:3 verloren.
Es war wie so oft beim BVB in den vergangenen Jahren: Einerseits ist es stets ziemlich unerklärlich, wie sich solche Partien wie in Köln entwickeln können oder was der Grund ist für so manche Vielzahl an Fehlern, die die Dortmunder begleiten. Andererseits geht womöglich als Erklärung durch, dass das Unerklärliche eben zum Programm beim BVB geworden ist.
Zu dieser in Terzics Sinne vergesslichen Seite der Borussia gehört die ausgewiesene Schwäche bei defensiven Standardsituationen, die den Verein seit langer Zeit begleitet. Gegen Leipzig (das 0:1), gegen Köln (das 1:2), in Sevilla (das 1:3), gegen Sevilla (das 0:1) - der BVB hat in der laufenden Saison schon vier Gegentore nach ruhenden Bällen kassiert. Auch in Freiburg (das 0:1) und gegen Bremen (das 2:2) traf der Gegner nach Hereingaben per Kopf.
BVB auch bei offensiven Standards wenig gefährlich
Wäre der wieder genesene Gregor Kobel nicht mit einer Glanztat zur Stelle gewesen, Dortmund hätte am Dienstagabend auch das 1:2 nach einem Eckball bekommen. Eine Szene, die symbolisch für das bisweilen sehr schlechte Stellungsspiel des BVB steht: Wo zuvor noch ein dichtes Knäuel an Spielern den begrenzten Raum im Sechzehner okkupierte, benötigt es nach Ausführung des Standards nur eine Ballberührung, ehe ein Gegenspieler aus den Augen gelassen wird und plötzlich vollkommen freisteht.
Eine von Terzics Hauptaufgaben besteht darin, seiner Truppe eine permanente Gier in allen Spielphasen einzuimpfen - auch eine Lust auf Zweikämpfe und das Verteidigen des eigenen Tores. Gegentore nach ruhenden Bällen sind oft schlicht zu billig und schwer zu akzeptieren. Sie können gewissermaßen die eigenen Bemühungen über Verhältnis strapazieren und torpedieren.
Die Dringlichkeit, diese Schwäche auszumerzen, ist zweifelsfrei vorhanden. Und wenn Terzic schon dabei ist, kann er sich direkt an die offensiven Standards seines Teams machen. Auch da bekleckert sich der BVB seit Jahren nicht gerade mit Ruhm. Doch das ist eine andere Geschichte...