Belgien wird zum Hot Spot Europas, Kolumbien vergisst Carlos Valderrama - und Mexiko räumt alles ab. Die WM-Qualifikation hat ihre ersten Sensationen. Und die ersten unbesungenen Helden. Alle Kontinente im Überblick - ausgenommen Afrika, das im September spielfrei hatte.
Europa
Die gesamte Qualifikation im Überblick
Das Team der Stunde: Belgien. Die Rückkehr in die europäische Spitze ließ bei allem Talent lange auf sich warten - doch nun könnte es soweit sein. Nach dem imposanten 4:2 gegen die Niederlande gestaltete sich auch der Auftakt der WM-Quali erfolgreich: Dem ungefährdeten 2:0 in Wales folgte ein 1:1 gegen die bei der EM starken Kroaten. Trotz der tief besetzten Quali-Gruppe ohne Fußball-Entwicklungsländer (Serbien, Kroatien, Schottland, Wales, Mazedonien) wäre eine WM-Teilnahme wenig überraschend angesichts der Qualität.
Der Beleg: In diesem Sommer wurden zwei der sechs teuersten Transfers wegen belgischen Spielern arrangiert. Chelsea leistete sich Eden Hazard, Zenit verpflichtete Axel Witsel (beide 40 Mio. Euro). Moussa Dembele (für 19 Mio. Euro zu Tottenham) reiht sich immerhin auf Rang 15 ein. Und: Gleich zwei englische Topteams werden von Belgiern als Kapitäne angeführt, Vincent Kompany bei Manchester City und Thomas Vermaelen beim FC Arsenal.
Dennoch mag sich Belgien nicht der Begeisterung hingeben. "Eine gute Mannschaft definiert sich nur über Erfolge", sagt Nationaltrainer und Schalke-Legende Marc Wilmots. Und Romelu Lukaku sagt: "Wir haben noch nichts erreicht. Erst wenn wir besser sind als die Generation von 1986, könnten wir von einer goldenen Ära sprechen." Zur Erinnerung: Belgien erreichte bei der WM 1986 das Halbfinale.
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Der Spieler der Stunde: Jeremain Lens (Niederlande). Van Gaal kommt, van Gaal regiert und van Gaal sorgt für Verblüffung ob seiner Aufstellung. In den beiden Quali-Spielen standen folgende Spieler in der Startelf: Bruno Martins Indi, Ricardo van Rhihn, Jordy Clasie, Luciano Narsingh, Daryl Janmaat und Jetro Willems. Letzterer zählt als Stammkraft beim EM-Desaster fast schon zu den Gestandenen. Den besten Eindruck aus der Kaste der Namenlosen machte aber Jeremain Lens. Beim 4:1 in Ungarn beteiligte er sich mit zwei Toren und einer Vorlage, was van Gaal zu einem Lob veranlasste: "Ich muss Lens' Leistung hervorheben." Van der Vaart und Afellay fehlten im niederländischen Kader, weil sie sich nach den kurzfristigen Wechseln bei ihren neuen Vereinen einleben sollen. Die Abstinenz nutzte Lens beeindruckend.
Der Bundesliga-Legionär der Stunde: Granit Xhaka (Schweiz). Die Champions-League-Teilname mit Gladbach wurde verpasst, ansonsten aber fügte sich Xhaka erstaunlich problemlos bei der Borussia ein und bestätigte dies bei den Auftritten mit der Schweiz. Beim 2:0 in Slowenien traf er zur Führung, beim 2:0 gegen Albanien bereitete er Xherdan Shaqiris Führung vor. Ein besonderes Tor, sind Xhaka und Shaqiri doch gebürtige Kosovo-Albaner. Entsprechend wurden die beiden bei jeder Ballberührung von den albanischen Fans ausgepfiffen. Umso erstaunlicher die abgeklärte Leistung beim zweiten Sieg im zweiten Spiel, der sich als besonders wertvoll erweisen könnte. Denn: Die Konkurrenten in der Gruppe E nehmen sich gegenseitig die Punkte weg (Island besiegt Norwegen, Zypern besiegt Island, Albanien besiegt Zypern).
Südamerika: Zambranos goldener Spätsommer
Nord- und Mittelamerika: Mexiko räumt ab
Südamerika
Die gesamte Qualifikation im Überblick
Das Team der Stunde: Kolumbien. Seit den Zeiten eines Carlos Valderrama und Faustino Asprilla war keine kolumbianische Mannschaft so stark wie diese. Am Doppelspieltag wurden der WM-Vierte Uruguay mit 4:0 und die Taktik-Avantgardisten aus Chile mit 3:1 bezwungen, wodurch in der Südamerika-Staffel Kolumbien (13 Punkte) auf Platz zwei hinter Argentinien (14) aufrückte.
Wer die Mannschaft auf Atletico-Torjäger Radamel Falcao beschränkt, verkennt die erstaunliche Tiefe im Team: In der Offensive wird Falcao assistiert vom jungen James Rodriguez (Porto) und dem herrlich unberechenbaren Teofilo Gutierrez (Junior de Barranquilla), der das bequemere Leben in Ekuador dem Konkurrenzkampf in Europa vorzieht. Im Mittelfeld gibt es angesichts der Fülle und den Stammspielern Pablo Armero (Udine) und Abel Aguilar (La Coruna) selbst für Mainz' Elkin Soto keinen Platz.
Der Spieler der Stunde: Jose Rondon (Venezuela). Der vielleicht unbekannteste Top-Stürmer Südamerikas. Der 23-Jährige traf in seinen ersten beiden Primera-Division-Saisons zweistellig für Malaga, wurde im Sommer von Rubin Kasan für neun Millionen Euro gekauft und erzielte in den letzten fünf Länderspielen fünf Treffer, darunter ein Doppelpack beim wichtigen 2:0 gegen Paraguay am letzten Spieltag.
Damit kann Venezuela als Sechster (11 Punkte) weiter darauf hoffen, einen der ersten vier Plätze einzunehmen und sich sicher zu qualifizieren. Venezuela ist das einzige südamerikanische Land, das noch nie an einer WM teilgenommen hat.
Der Bundesliga-Legionär der Stunde: Carlos Zambrano (Peru). In den ersten Sommerwochen wusste Zambrano nicht einmal, bei welchem Klub er zukünftig spielt. Und jetzt? Zambrano durfte doch von St. Pauli nach Frankfurt wechseln und half als zuverlässiger Innenverteidiger mit, dass der Aufsteiger nach zwei Siegen aus zwei Spielen Bundesliga-Zweiter ist. Mehr noch: Selbst bei der chronisch erfolglosen Nationalelf Perus verkehrte sich Vieles ins Positive. Erst gewann man mit Zambrano in der Startelf gegen Venezuela 2:1 (mit zwei Farfan-Toren), dann schoss der Frankfurter beim 1:1 gegen Argentinien sogar das Führungstor. Der Doppelspieltag mit vier Punkten könnte die Wende sein, nachdem in den vorherigen fünf Spieltagen insgesamt nur drei Punkte geholt wurden.
Europa: Lens und die Kaste der Namenlosen
Nord- und Mittelamerika: Mexiko räumt ab
Nord- und Mittelamerika
Die gesamte Qualifikation im Überblick
Das Team der Stunde: Mexiko. Während sich Rivale USA müht, spaziert El Tri durch die dritte Qualifikationsrunde und steht mit dem Doppelsieg gegen Costa Rica (2:0 und 1:0) als erstes CONCACAF-Team in der entscheidenden vierten Runde. Dass Mexiko jedoch auf mehr abzielt als nur die Teilnahme an der WM, zeigen die jüngsten Erfolge: Sieg bei der U-17-WM 2011, Dritter bei der U-20-WM 2011, Sieg beim Gold Cup 2011, Sieg bei den Olympischen Spielen 2012.
In Mittelamerika wächst eine Fußball-Großmacht heran, die sogar mühelos darüber hinwegkommt, dass mit den Dos-Santos-Brüdern und Carlos Vela drei vermeintliche Supertalente verkümmern. Die Mannschaft besteht aus einem Kern von erfahrenen Spielern wie Stuttgarts Maza, Carlos Salcido und Olympia-Held Oribe Peralta, mittelalten Spielern wie Andres Guardado und den Jungespunden wie etwa Javier Hernandez, Marco Fabian und Hector Moreno.
Der Spieler der Stunde: Carlos Ruiz (Guatemala). Ruiz - einer der unbesungenen Helden des Weltfußballs. Sein Talent mag überschaubar und seine Karriere in Europa allzu kurz gewesen sein (sechs Monate bei Aris Saloniki), dennoch zählt der 31-Jährige zu den Großen seiner Heimat Guatemala . In den letzten 13 Länderspielen erzielte er 11 Treffer, alleine beim letzten Doppelspieltag gegen Antigua sicherte er beide Siege mit zwei Toren beim 3:1 und dem einzigen Tor beim 1:0. In der Gruppe 1 bedeutet das: Guatemala ist vor den punktgleichen Amerikanern und Jamaikanern Erster und könnte als einer der ersten zwei Teams die entscheidende vierte Quali-Runde erreichen.
Der Bundesliga-Legionär der Stunde: Danny Williams (Hoffenheim). Das 1:0 gegen Jamaika klingt womöglich unspektakulär, allerdings war das US-Team fast schon verdammt zum Siegen, nachdem die Partie zuvor beim gleichen Gegner mit 1:2 überraschend verloren gegangen war. "Wenn es einen Hoffnungsschimmer gibt, dann heißt er Daniel Williams", schreibt "MLSsoccer.com".
In Hoffenheim nur Reservist, wurde er von Jürgen Klinsmann im Nationalteam erstmals von Beginn an in der Doppel-Sechs aufgestellt und überzeugte neben Jermaine Jones. Bestechend vor allem seine Passsicherheit (67 von 70 erfolgreich). Seine Hoffnung: ein Stammplatz und der Verbleib in der Mittelfeld-Zentrale. "Beim Sieg über Jamaika hat man gesehen, warum ich mich dort so wohlfühle. Auf den Außen fühle ich mich dagegen nicht wohl. Das sieht man an der Leistung."
Europa: Lens und die Kaste der Namenlosen
Südamerika: Zambranos goldener Spätsommer
Asien
Die gesamte Qualifikation im Überblick
Das Team der Stunde: Jordanien. Ozeanien-Seriensieger Australien wechselte 2006 in die asiatische Konföderation, um sich mit stärkeren Gegner zu messen und sich so zu verbesseren. Wenn die Socceroos sich jedoch bewusst gewesen wären, wie stark die Gegner tatsächlich sind, hätten sie womöglich anders entschieden. Mit der Niederlage in Jordanien fiel Australien auf Platz drei zurück, punktgleich mit Irak und Oman (je 2).
Klarer Spitzenreiter ist Japan (10) vor eben jenem Jordanien (4). Sollten die Araber den zweiten Rang behaupten, wären sie für die WM qualifiziert - es wäre die Sensation schlechthin. Die Hauptrolle gehört Hassan Abdel Fattah, der Jordanien gegen Australien per Elfmeter in Führung brachte und mit dem siebten Treffer im siebten Spiel die Torjäger-Liste in Asien anführt.
Der Spieler der Stunde: Roda Antar (Libanon). Seine acht Jahre in der Bundesliga ließ er hinter sich und verdient in China bei Shandong Luneng gutes Geld, umso mehr bündelt er seine Kräfte für sein Heimatland, damit Libanon erstmals zu einer WM darf. Mit Antars 1:0 zum überraschenden Erfolg gegen Iran (mit Ali Karimi in der Startelf) zog Libanon nach Punkten mit dem Zweiten der Gruppe A gleich und ist Vierter.
Der Bundesliga-Legionär der Stunde: Makoto Hasebe (Japan). Nürnbergs neuer Spielmacher Hiroshi Kiyotake stand wie Stuttgarts Shinji Okazaki, der später Ryoichi Maedas 1:0 gegen Irak vorbereiten sollte, in der Startelf, später wurde Leverkusens Sechser Hajime Hosogai eingewechselt, Hannovers Hiroki Sakai blieb auf der Bank. Ausgerechnet der wichtigste Bundesliga-Legionär bei Japan, der stärksten Mannschaft Asiens, ist jedoch bei seinem Klub unerwünscht. Kapitän Hasebe stand in Wolfsburg zum Verkauf - und doch blieb er höflich und behielt seine Manieren. "Ich bleibe Spieler in Wolfsburg und werde in dieser Saison für den VfL kämpfen", sagt Hasebe - und nebenbei führt er Japan zur WM.
Europa: Lens und die Kaste der Namenlosen