Affenalarm in MARSEILL3

SPOX
12. Juli 201611:14
Die EM 2016 ist vorüber, Portugal ist Europameister - und sonst so? SPOX blickt zurück.getty
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Die EM 2016 ist vorüber, Portugal ist Europameister - und sonst so? SPOX blickt zurück. Mit ganz viel Huh, Jogging-Hosen und Transparent-Tattoos. Außerdem: Wir haben die wirklich wichtigen Analyse-Tools, die miesesten Hoolensöhne und Snoop Dogg. Und das alles in Gedenken an die Gamma-Eulen - R.I.P.

TOPS

Irish Fans on Fire: Nachdem fantechnisch diverse Arschgeigen, vor allem aus England, Russland und auch Deutschland die Schlagzeilen der ersten Tage der EM bestimmten (siehe auch: Hoolensöhne), schwangen sich im Lauf des Turniers die irischen Fans zum positiven Gegenpol auf. Die Gäste von der grünen Insel erhielten gar die Ehrenmedaille von Paris. Nach dem Schlaflied für ein Baby in der U-Bahn, einem Massenständchen für eine hübsche Französin, der Hilfe beim Reifenwechsel für ein Rentnerpaar oder dem Ausbeulen eines aus Versehen zerdellten Autodachs kann man da nur konstatieren: Zu Recht!

Huh: Der neue Turniermodus mit 24 Teams wurde ja schon im Vorfeld fleißig zerrissen. Doch waren es vor allem die Underdogs, die in Erinnerung bleiben werden. Nebst den Iren, die hauptsächlich ihre Fans mitbrachten, sind sportlich gesehen natürlich Wales und Island zu nennen. So schafften es Gareth Bale und seine Mannen bei der ersten EM-Teilnahme überhaupt bis ins Halbfinale. Und ganz ehrlich: Wer teilweise mit Ashley Williams Libero spielt und bei diesem hinfrisierten Eventturnier einen derartigen Kreisklassen-Charme versprüht, frei nach dem Motto "Der Dicke bleibt hinten und haut im Zweifelsfall dazwischen" - wie kann man so eine Mannschaft nicht lieben? Und die Isländer, was soll man da noch sagen? "HUH!" vielleicht. Lebt eigentlich der isländische Kommentator wieder?

Gabor, Fußballgott: "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren", hat Karl Lagerfeld einmal gesagt. Allem Anschein nach, ohne Gabor Kiraly zu kennen. Im Alter von knackigen 40 Jahren, zwei Monaten und zwei Wochen verewigte sich der Ungar nicht nur als ältester Spieler aller Zeiten bei einer EM in den Geschichtsbüchern, sondern stieg auch mit sensationellen Auftritten bei Ungarns überraschendem Achtelfinaleinzug zur Kultfigur auf. Wir ziehen unsere Jogginghosen und sagen: Danke.

Gamma-Eulen: Diese Zeilen sollen als Mahnmal dienen. Als Erinnerung an die wahren Helden der EM. Dass im Zuge des Finals Millionen von Insekten zu Tode gekommen sind, weil die Verantwortlichen über Nacht Flutlicht und Werbebanden angeschaltet ließen, ärgert unsere Redaktion nämlich mindestens so sehr wie den Insektenforscher, der in der Süddeutschen Zeitung deswegen mal vollkommen zurecht auf den Tisch haute. Zitat: "Da sieht man mal, was der Fußball für ein Drama für die Nachtfalter ist." Oh ja! Außerdem waren es keine Motten, wie die entomologisch beängstigend unterinformierte Sportjournalie sofort in die Welt posaunte, sondern eben Nachtfalter. Genauer gesagt waren es Gamma-Eulen. WAREN. Die, so der Experte aus der SZ, sind jetzt nämlich alle tot.

Jubeltraube plus eins: Natürlich, dass es bei der "sichersten EM aller Zeiten" ohne allzu großen Aufwand möglich ist, seinen Astralkörper über die Bande ins Stadioninnere zu wuchten und sich in die Jubeltraube seiner Mannschaft zu werfen - unglücklich. Einem kroatischen Flitzer beim Auftaktspiel gegen die Türkei war das aber herzlich egal. Bei so einer Bude kann man schließlich mal ein bisschen mehr eskalieren als sonst...

Der zwölfte Mann: Zwar in den Innenraum, aber sicher nicht aufs Mannschaftsfoto Portugals hätte auch der Helfer des Vorbereitungsprogramms gehört, der sich vor dem Spiel des Europameisters gegen Wales mal eben neben CR7 höchstpersönlich stellte. Und man mag vom Kollegen Ronaldo halten, was man möchte - dessen Reaktion auf den zwölften Mann war dann doch sehr sympathisch. Die UEFA twitterte das Foto im Anschluss übrigens höchstpersönlich, den Störenfried als "cheeky scamp" bezeichnend, löschte es aber wieder. Kann man laut meinem Wörterbuch übrigens mit "frecher Spitzbube" übersetzen. Oder mit "krötiger Schuft". Je nach dem.

Transparent-Tattoos: Es ist der Trend der EM. Aber Obacht: nur für die wirklich Coolen und Harten. Andres Iniesta etwa ist voll davon. Bei dem Mann sieht man eben gleich auf den ersten Blick, dass er etwas ganz Besonderes ist.

Defend it like it's hot: Auch Jerome Boateng soll hier nochmal erwähnt sein, der mit seiner motorisch eigentlich in dieser unserer Dimension unmöglichen Rettungstat gegen die Ukraine schon an Spieltag eins für eines der Bilder der EM gesorgt hat. Allem Trouble im Vorfeld zum Trotz verteidigte Boa auch so ziemlich sensationell und bekam vor dem Halbfinale via Twitter sogar Support von niemand Geringerem als Snoop Dogg, der das Bild eines Boateng-Trikots samt Hashtag #NEIGHBOR twitterte. Geholfen hat's nix, schön war's trotzdem. Wie Nazi-Opa Gauland das fand, wissen wir zum Glück nicht ("Die Leute finden es gut, wenn er es dropped like it's hot. Aber sie wollen einen Snoop Dogg nicht als Nachbarn haben")...

Der Wolf in Lammplüsch: Gegen Island war es mit dem vor dem Anpfiff angsterfüllt nägelkauenden Antoine Griezmann noch gutgegangen. Auch gegen Deutschland. Doch vielleicht hätte man vor dem Finale einschreiten sollen, als der Stürmer wieder furchtvoll und traurig vor sich hinlinste. Vielleicht hätte man sagen sollen: "Pass mal auf, Kleiner. Keine Angst. Du spielst da jetzt nicht mit. Guck mal, siehst Du da hinten die zwei bösen Männer vor dem Torwart? Die fressen rohes Kindermett zum Frühstück..." Aber mal im Ernst: Grizou hat nicht nur wegen seiner sechs Tore gezeigt, was für ein Ausnahmespieler er ist und die Auszeichnung zum Spieler des Turniers mehr als verdient. Ob er nach diesem Sonntag aber aufhört, traurig zu schauen, darf bezweifelt werden.

FLOPS

Nut-Scratching-Rate: Auch nach fast vierwöchigem, beinahe mantrahaftem Raufundrunterbeten des neuesten In-Wortes 'Packing' allerorts, legt sich die SPOX-Redaktion fest: Nö. Und außerdem: Viel definierender für diese EM als die Packing-Rate waren ohnehin andere Analysetools. Dass zum Beispiel die Engländer ihre Failing-Rate wieder pünktlich zum Turnier auf das gewohnte Niveau heben konnten. Auch interessant ist die Nut-Scratching-Rate, nach der Deutschland eigentlich Europameister hätte werden müssen (siehe auch: Handball-Affäre). Lange Frankreichs Vorteil: Als einziges Team kann die Equipe tricolore eine Griezmann-Rate im positiven Bereich aufweisen. +1.

Hoolensöhne: Hach ja, die Hooligans... Da möchte man doch denken, dass sich diese Arschgeigen irgendwo im Wald treffen könnten, um mit ihren Prügeleien wenigstens dem Rest der Welt nicht auf den Sack zu gehen - aber nein. Jedes Schimpfwort sei hiermit offiziell legitimiert, um diese Affenrudel zu beschreiben, die vor allem zu Beginn des Turniers ganze Innenstädte verwüsteten. Genauso unfein wie die Personen, die nahezu stündlich Angst und Schrecken verbreiteten, sind übrigens die Web-Hools, die rund um die Uhr Dreck verbreiten. Besondern emsig sind sie, wenn mal eine Frau zum Mikro greift oder ein homosexueller Ex-Fußballer nach seiner Meinung gefragt wird. Dann offenbaren sie die ganze Scheußlichkeit ihrer selbst. Man darf nicht aufhören, sich darüber zu empören, aber man sollte immer auch mal daran denken, in welch bedauernswertem Zustand die Hools sind. Also sowohl die von der Straße, als auch die aus dem Netz. Oder anders: Wie schlecht muss es einem gehen, damit er so wird, wie die es sind?

Handball-Affäre: Da es von jemandem, der regelmäßig Tiefenbohrungen in seiner Nase unternimmt, um die Fundstücke anschließend zu essen oder Cristiano Ronaldo an die Pfoten zu schmieren, für uns zwar im ersten Moment ein bisschen eklig, aber auch nicht wirklich schlimm war, würden wir das elende Schnüffel-Gate an dieser Stelle gerne ad acta legen. Weil, wie Lukas Podolski richtig sagt, macht das ja eh jeder. Und: Ein Schweizer Experte sagt, das Riechen an den eigenen Genitalien ist nur eine evolutionäre Übersprungshandlung, die den Körper beruhigt. Na also, alles geschmeidig.

Mal ganz ehrlich: Wirklich, Frankreich? Erst mit Island die sympathischste und coolste Truppe aus dem Turnier werfen - und das so, dass es nicht mal spannend war - und dann noch deren Jubel klauen? Ihr habt es doch sonst nicht so mit Dingen aus anderen Ländern. Eures ist doch eh das Beste und die Sprache und die Kultur und alles, sowieso. Und dann einem Land das Siegerritual stehlen, das so viele Einwohner hat wie Bielefeld. Gratulation, grande nation...

MARSEILL3: Um aus bislang komplett geheimen, internen SPOX-Emails zu zitieren:

"Was gab's denn noch für Flops bei der EM?"

"Den Typen, der da am ersten Spieltag seinen Auftritt hatte."

Muss reichen.

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Brexit, Vol. II: Hm, soll man noch weiter draufhauen auf die Engländer? Ach komm, wo wir schon dabei sind... Ein bisschen witzig ist es ja schon. Da lässt sich England von ein paar vogelwilden Politikern mit noch vogelwilderen Lügen dazu bringen, das Land in die Katastrophe zu wählen - und dann darf man sich zur endgültigen Bestrafung auch noch die Three Lions beim Fußballspielen anschauen. In diesen chaotischen Zeiten war dann wenigstens darauf Verlass, dass sich die hochgelobte Truppe schnell auf britischem Turnier-Niveau einpendelte. Heißt: Wales mit 2:1 niedergestolpert, dazu zwei Achtungs-Remis gegen die Slowaken und Fußballgroßmacht Russland. Und Island, ja mei, war dann halt einfach eine Nummer zu groß.

David Guetta: Nein. Nein, nein, nein. Einfach nein.

Hoch die Hände, Deutschland spielt!: War das mit den Elfmetern nicht einmal so etwas wie die deutsche Paradedisziplin? Mit der EM in Frankreich darf das getrost gestrichen werden. Zuerst, weil es die Mannschaft geschafft hat, sich per Handspiel im Strafraum erst gegen Italien an den Abgrund und im Folgespiel gegen Frankreich direkt in selbigen hinein zu befördern. Und das Schießen, das üben wir auch nochmal. Mesut Özil verballert gleich zwei, einen aus dem Spiel und einen gegen die Squadra Azzurra im Elfmeterschießen. Dort duellierten sich dann auch Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller genau 40 Jahre nach der Nacht von Belgrad darum, wer denn jetzt Uli Hoeneß' Strafstoß als schlechtesten der EM-Geschichte beerbt.

Brokkoli oder Federvieh?: Auch immer spannend: Wer hat die beschissenste Frisur des Turniers? Bis kurz vor dem Finale wäre das eine ziemlich einfache Geschichte gewesen, schließlich hat es Marouane Fellaini (wir erinnern uns) mit seinem blondierten Afro, der aussieht, als hätte man dem Belgier einen zu buschig geratenen Bieber um den Kopf gebunden, mehr als übertrieben. Auch der Brokkoli-Vergleich in den sozialen Medien - sehr schön. Doch dann, pünktlich zum Finale, da kommt Ricardo Quaresma um die Ecke. Beziehungsweise aus der Legebatterie. Und, ja... Das Meisterwerk "Feder auf Glatze" kann man mögen, muss man aber auch ausdrücklich nicht.

Wir müssen leider draußen bleiben: Die UEFA hat sich im Regelwerk nicht lumpen lassen und ein paar echte Perlen eingebaut. Beispiele gefällig? Der Siegerpokal darf ohne schriftliche Genehmigung der UEFA das Siegerland nicht verlassen. Oder: Zusatzbewässerung des Rasen ist nur zwischen Minute 15 und zehn vor Anpfiff erlaubt. Oder: Explizit ist an und auf der Bank nur das Rauchen verboten. Oder: Interviews auf dem oder am Rasen sind verboten. Dass die Herren tatsächlich keinen Spaß verstehen, was ihre Vorschriften angeht, mussten Gareth Bale & Co. am eigenen Leib erfahren. Weil diese nach dem Viertelfinal-Sieg mit ihren Kindern auf dem Rasen herumtollten, gab's von ganz oben eine saftige Geldstrafe für Wales...