Der Druck auf Uruguay ist vor dem eigenen WM-Auftaktspiel gegen Costa Rica (ab 21 Uhr im LIVE-TICKER) nach den Erfolgen der vergangenen Jahre enorm, doch die Quali verlief für La Celeste mehr als nur holprig. Der WM-Vierte von 2010 hat einige offensichtliche Baustellen und muss gegen den Außenseiter wohl direkt auf seinen größten Hoffnungsträger verzichten.
Gerade vier Jahre ist es her, dass Uruguay die Welt mit leidenschaftlichen und offensiven Auftritten überraschte. Bei der WM in Südafrika war erst im Halbfinale gegen die Niederlande Endstation, und um die dadurch ins Unermessliche gewachsenen Erwartungen im Heimatland noch weiter zu steigern, folgte ein Jahr später der Sieg bei der Copa America.
Kein Wunder also, dass die Spieler vor der WM in Brasilien die Ansprüche herunterschrauben. "Wir reisen nicht nach Brasilien, um noch besser abzuschneiden und das Finale zu erreichen", so Torhüter Fernando Muslera bei "FIFA.com": "Es hat uns immer genutzt, dass wir nur Außenseiter waren. Natürlich wollen unsere Fans, dass wir den WM-Titel holen, aber unser vorrangiges Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen."
Schwache Quali als Stimmungskiller
Auch auf dem Platz hatten die Urus die Erwartungen im Heimatland zuletzt deutlich abkühlen lassen. Obwohl Gastgeber Brasilien an der Südamerika-Qualifikation nicht teilnahm, stolperte Uruguay durch die Gruppe und blieb zwischenzeitlich sechs Spiele ohne Sieg. Erst ein Schlussspurt mit vier Siegen aus fünf Partien, darunter ein 3:2 zum Abschluss gegen das längst qualifizierte Argentinien, brachte das Team in die Relegation.
Gegen Fußball-Zwerg Jordanien hatte La Celeste dann keine Schwierigkeiten (5:0, 0:0) und kam so mit einem blauen Auge davon. Dennoch hatte die Quali die Problemzonen gnadenlos aufgedeckt: Die Defensive um Diego Lugano, der seit 2010 bei vier verschiedenen Klubs gespielt hat, Atletico Madrids Diego Godin sowie Maxi Pereira und Martin Caceres ist zwar erfahren, dennoch ist sie ein Unsicherheitsfaktor geworden.
Kein südamerikanischer WM-Teilnehmer kassierte in den 16 Spielen mehr Gegentreffer als die Urus (25), auch weil oft die notwendige Unterstützung aus dem wackligen defensiven Mittelfeld fehlte. Darüber hinaus ist das Team extrem abhängig von Luis Suarez und Edinson Cavani - gemeinsam erzielten die Stürmer 16 der 25 Quali-Tore Uruguays.
Forlan muss es nochmal richten
Doch Suarez wird mindestens gegen Costa Rica wohl ausfallen, eventuell steht er über die komplette Gruppenphase maximal als Joker zur Verfügung. Damit muss Diego Forlan, ansonsten vermutlich als Edeljoker eingeplant, im 4-4-2-System einspringen.
Trainer Oscar Tabarez, der die Mannschaft seit 2006 betreut, war im Laufe der Quali zunehmend von einem 4-3-3 mit Cavani, Suarez und Forlan auf das vermeintlich stabilere 4-4-2 mit offensiven Außen sowie Cavani und Suarez im Sturm umgeschwenkt, wodurch Forlan seinen Stammplatz verloren hatte.
Der 35-Jährige, der mittlerweile bei Cerezo Osaka in Japan sein Geld verdient, wurde vor vier Jahren noch zum besten Spieler der WM ausgezeichnet, musste seitdem aber seinem Alter Tribut merkbar zollen. Forlan kann Premier-League-Torschützenkönig Suarez nicht 1:1 ersetzen und muss zudem beweisen, dass er in Uruguays schnellem Umschaltspiel noch mithalten kann.
"Es ist anders, wenn man etwas erreicht", weiß der Routinier um die veränderte Drucksituation im Vergleich zur WM 2010: " Die Leute sehen dich mit anderen Augen. Angesichts dessen, was in den letzten vier Jahren passiert ist, erwarten die Menschen viel. Uruguay erwartet, dass wir besser abschneiden als bei der letzten WM."
Bauen auf La Garra Charrua
Immerhin die Mischung aus Routiniers, Physis und offensiver Explosivität scheint zu stimmen. Das Team hätte beim Confed Cup im Vorjahr beinahe Brasilien im Halbfinale ausgeschaltet und besticht durch Explosivität im Umschaltspiel und Aggressivität - braucht aber einen fitten Suarez, um die Fans in der Heimat zufrieden zu stellen und erneut eine gute Rolle zu spielen.
Ohne den Ausnahmestürmer sowie mit den offensichtlichen Defiziten im zentralen Mittelfeld droht sogar das Vorrundenaus in der starken Gruppe. Doch Uruguay wäre nicht Uruguay, würde das Team nicht an seinem berühmten Prinzip "La Garra Charrua", der Mentalität, bis zum Umfallen zu kämpfen, festhalten und daraus aller Probleme zum Trotz Mut für die WM schöpfen.
"Es ist ein Charakteristikum des uruguayischen Fußballs, dass wir aus der Asche wieder aufstehen", stellte Lugano klar und verwies auf die Historie: "Die einzige WM, die bislang in Brasilien stattfand, wurde von Uruguay gewonnen und deshalb hat es die Geschichte und die Legende für uns unabdingbar gemacht, dabei zu sein." Zumindest an der Leidenschaft sollte es auch dieses Mal nicht scheitern.