Die Niederlande stehen nach einem 3:2 (1:1)-Sieg gegen Uruguay zum dritten Mal nach 1974 und 1978 im Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft. Vor 62.000 Zuschauern in Kapstadt erzielten Giovanni van Bronckhorst (18.), Wesley Sneijder (70.) und Arjen Robben (73.) die Tore für die Elftal, Diego Forlan traf für Uruguay zum zwischenzeitlichen Ausgleich (41.), der Anschlusstreffer von Maxi Pereira (90.+1) kam zu spät.
Bei ihren zwei Finalteilnahmen gingen die Niederländer jeweils als Verlierer vom Platz. Uruguay spielt am kommenden Samstag um Platz drei. Hollands Gegner im Finale am Sonntag in Johannesburg wird am Mittwoch zwischen Deutschland und Spanien ermittelt.
Nachbetrachtung:
Jahrzehntelang spielte Holland neben Brasilien den attraktivsten Fußball aller Auswahlmannschaften. Schön - aber nicht erfolgreich. Selbst das Dream Team um Johan Cruyff konnte den WM-Titel in den 70er Jahren nicht holen. Nur 1988, bei der EM in Deutschland, war die Elftal nicht zu schlagen.
2010 spielt Holland einen anderen Fußball. Effizienter, defensiver, ergebnisorientierter. Und erfolgreicher. Oranje hat alle acht WM-Quali-Spiele und alle sechs WM-Spiele gewonnen. Trainer Bert van Marwijk hat dem Voetbal total die kalte Schulter gezeigt und in der Heimat viel Kritik einstecken müssen. Doch bis dato hat er alles richtig gemacht - Holland steht nach 32 Jahren wieder in einem WM-Finale.
Robben spielt nicht so spektakulär wie beim FC Bayern, Sneijder nicht so dominant wie bei Inter Mailand. Die Mannschaft spielt abgeklärt, fast schon bieder. Aber sie nutzt ihre Chancen und bestraft jeden noch so kleinen Fehler des Gegners.
Durch den Finaleinzug haben die Niederländer ein Gesetz gebrochen. Zum ersten Mal wird ein europäisches Team außerhalb der kontinentalen Grenzen Weltmeister. Egal, ob der Finalgegner Deutschland oder Spanien heißt: Holland wird aufgrund der bisher gezeigten Leistungen als Underdog in die Partie gehen. Doch das macht sie so gefährlich. Und im Finale kann Holland wieder in Bestbesetzung antreten.
Uruguay hat in Südafrika mehr erreicht als erwartet. Die Celeste hat sich als Letzter aller 32 Teilnehmer qualifiziert und kann noch Dritter werden. Im Halbfinale fehlten mit Lugano, Fucile und Suarez drei Säulen und ein Forlan allein war zu wenig für die Sensation.
Reaktionen:
Bert van Marwijk (Trainer Niederlande): "In der zweiten Hälfte haben wir das Spiel in den Griff bekommen. Wir hätten sogar das 4:1 machen müssen, aber am Ende wurde es nochmal eng. Das letzte Endspiel liegt 32 Jahre zurück, das ist unglaublich, was wir erreicht haben."
Rafael van der Vaart (Niederlande): "Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Angst gehabt wie in den letzten Minuten. Morgen drücke ich natürlich Spanien die Daumen, tut mir leid für Deutschland."
Wesley Sneijder (Niederlande): "Wir mussten kämpfen, es war ein schwieriges Spiel. Das Wichtigste ist aber, dass wir gewonnen haben. Das haben wir getan. Es gibt nichts Größeres als ein WM-Finale, das ist gewaltig, fantastisch."
Oscar Tabarez (Trainer Uruguay): "Wir hätten es verdient, im Finale zu stehen. Ich bin sehr stolz auf meine Spieler und darauf, was wir erreicht haben. Aber die Niederlage ist gerecht, wir akzeptieren sie. Natürlich sind wir traurig, aber wir haben viel erreicht, sind weit gekommen - obwohl uns das keiner zugetraut hatte."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Uruguay muss auf die gesperrten Suarez (Rote Karte) und Fucile (2. Gelbe) verzichten. Kapitän Lugano (Knieverletzung) ist nicht rechtzeitig fit geworden. Dafür kehrt Godin in die Innenverteidigung zurück. Caceres kommt links in der Viererekette zu seinem ersten WM-Einsatz. Cavani rückt in den Sturm, Alvaro Pereira kommt über links.
Bei den Niederlanden fallen die Gelb-gesperrten van der Wiel und de Jong aus. Boulahrouz spielt links in der Viererkette, de Zeeuw neben van Bommel im zentral defensiven Mittelfeld.
4.: Robben legt auf rechts kurz ab auf Sneijder, der aus dem Lauf flankt. Muslera hat nur die Fingerspitzen dran. Die Kugel landet bei Kuyt, der das Ding aus 13 Metern über den Querbalken jagt.
18., 0:1, van Bronckhorst: Van Bronckhorst hat 40 Meter vor dem Tor viel Platz, geht noch fünf Meter und zieht dann aus halblinker Position einfach mal ab. Der Hammer landet genau im Dreieck. Traumtor! Vielleicht aber auch nicht ganz unhaltbar...
41., 1:1, Forlan: Forlan mit ein bisschen Platz im Mittelfeld. Mit einer starken Bewegung legt er sich den Ball auf den linken Fuß und zieht aus gut 20 Metern ab. Heitinga verdeckt den Schuss zwar ein wenig, doch die Kugel schlägt mittig im Tor ein. Den muss Stekelenburg halten.
70., 1:2, Sneijder: Sneijder schnappt sich den Ball am linken Strafraumeck, legt sich den Ball auf rechts und zieht flach ab. Der Ball wird noch abgefälscht und rutscht durch zwei, drei Mann knapp neben dem rechten Pfosten ins Netz. Van Persie stand dabei wohl knapp im Abseits. War aber kaum zu erkennen.
73., 1:3, Robben: Kuyt darf von links unbedrängt flanken. In der Mitte löst sich Robben von Godin und köpft den Ball unhaltbar für Muslera ins linke Eck.
90., 2:3, M. Pereira: Pereira bekommt den Ball am rechten Strafraumeck und zieht mit links ab. Stekelenburg sieht die Kugel spät und so rutscht das Ding im lange Eck ins Netz.
Fazit: Glücklicher, aber letztlich verdienter Sieg der Elftal gegen eine engagierte, am Ende aber kraftlose Celeste.
Der Star des Spiels: Diego Forlan (SPOX-Note 2). Er schießt Freistöße und Ecken, seine Tore und Vorlagen brachten die Celeste überhaupt erst ins Halbfinale. Gegen die Niederlande spielte der Atletico-Stürmer eine andere Rolle als bisher in diesem Turnier. Statt als hängende Spitze die Bälle zu verteilen, spielte er im Sturmzentrum. Nach anfänglichen Anpassungsproblemen nahm Forlan das Heft in die Hand und brachte Uruguay mit seinem vierten Turniertreffer zurück ins Spiel. Egal, wie die WM für Uruguay ausgeht: Forlan gehört zu den Besten in Südafrika.
Für die SPOX-User gibt es gleich zwei "Men of the Match"
Die Gurke des Spiels: Alvaro Pereira (SPOX-Note 5). Den Auftrag, Robben im Verbund mit Caceres auszuschalten, konnte Pereira noch eingermaßen erfüllen. Im Spiel nach vorne war der Linksfuß aber ein Totalausfall. Pereira versuchte es nicht einmal, gegen den etwas hüftsteifen Boulahrouz ins Eins-gegen-eins zu gehen oder Hollands Rechtsverteidiger mal zu hinterlaufen. Seine Flanken waren an Harmlosigkeit kaum zu überbieten.
Die Pfeife des Spiels: Rawschan Irmatow. Abgesehen von kleineren Fehlern bei der Zweikampfbewertung hatte der Usbeke die teilweise hitzige Partie im Griff. Caceres nach seinem Fallrückzieher am Mann mit Gelb zu verwarnen, war korrekt, ebenso die Gelbe für Sneijder nach dem Schubser gegen Caceres. Nicht immer verlassen konnte sich Irmatow allerdings auf seine Assistenten, die ihr Fähnchen bei Abseitsentscheidungen allzu schnell in die Höhe hielten.
Analyse: Der Ausfall von Suarez veranlasste Tabarez zu einer Systemumstellung. Aus dem 4-4-1-1 mit Forlan als hängender Spitze und Ballverteiler wurde ein 4-1-3-2. Forlan bildete mit Cavani das Sturmduo, Perez rückte auf Cavanis Position im rechten Mittelfeld. In dieser Formation griff Uruguay früh an und erstickte Hollands Spielfluss im Keim.
Die Niederländer waren nicht in der Lage, ihr spielerisches Potential auszuschöpfen. Robben kam auf dem rechten Flügel in der ersten Halbzeit nur einmal durch, Sneijder war beim bissigen Arevalo Rios in besten Händen und dem emsigen Kuyt fehlte die Anspielstation. Van Bronckhorsts Tor fiel aus heiterem Himmel, doch nach dem Treffer wurde das Offensivspiel der Elftal keineswegs besser. Wenig Tempo, wenig überraschende Aktionen.
Mit der Einwechslung von van der Vaart stellte van Marwijk auf 4-1-4-1 um. Der Sturmlauf von Oranje blieb aber aus. Das kompakte Mittelfeld der Urus hatte leichtes Spiel bei der Balleroberung und konterte schnörkellos. Erst unmittelbar vor dem 2:1 gelang es den Niederländern, etwas Druck aufzubauen.
Durch das 3:1 wurde Uruguay ausgeknockt, am Ende fehlte die Kraft für eine Aufholjagd. Die Ausfälle von Lugano, Fucile und Suarez konnten nicht kompensiert werden. Holland genügte eine durchschnittliche Leistung für den sechsten Sieg im sechsten Spiel bei dieser WM.
Uruguay - Niederlande: Fakten zum Spiel