Schwarz-Rot-Golf?! Deutschland will nicht nur 2024 die Fußball-EM und die Olympischen Sommerspiele austragen, Deutschland will vor allem auch 2022 den Ryder Cup. Bei SPOX spricht Marco Kaussler, der Chef der deutschen Bewerbung, über den großen Traum und erklärt das Konzept. Welche Rolle spielt Legende Sir Nick Faldo? Wer sind die gefährlichsten Gegner? Und wer sorgt für ganz prominente Unterstützung? Das große GoDeutschland22-Interview.
SPOX: Herr Kaussler, Sie sind der Leiter der deutschen Bewerbung für den Ryder Cup 2022, wie oft denken Sie eigentlich aktuell jeden Tag an das große Ziel?
Marco Kaussler: (lacht) Im Endeffekt beschäftigt man sich jeden Tag 24 Stunden lang mit dem Thema. Die vergangenen Wochen und Monate waren extrem anstrengend, weil wir mit einem sehr engen Zeitfenster zu kämpfen hatten, um die Bewerbung durchzuplanen. Am Anfang sollte das Bid Book bis Mitte Februar abgegeben sein, dann wurde es richtigerweise noch bis Ende April verlängert. In der Zeit ist es uns gelungen, die richtigen Partien zusammenführen. Jetzt sind wir einfach erstmal froh, dass wir das Bid Book in der vergangenen Woche endlich abgeben konnten.
SPOX: Was sind denn die Schlüsselpunkte, die im sogenannten Bid Book stehen und erklären sollen, warum der Ryder Cup 2022 im Herbst nach Deutschland vergeben werden muss?
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Kaussler: Ich glaube, dass wir die richtigen Zutaten gefunden haben für eine aussichtsreiche Bewerbung. Wir gehen zum einen mit der Bundeshauptstadt Berlin ins Rennen, die unter anderem viele Hotelzimmer zur Verfügung stellen kann und sicher ein guter Gastgeber wäre. Dazu kommt eine Golfanlage mit Bad Saarow und dem A-ROSA Resort Scharmützelsee, wo die Spieler direkt vor Ort wohnen können. Sir Nick Faldo, seines Zeichens der erfolgreichste europäische Ryder-Cup-Spieler, würde seinen eigenen Faldo Course für den Ryder Cup 2022 umbauen. Außerdem spüren wir auch eine große Unterstützung aus der Politik, die uns sehr weiterhilft. Wir haben einen guten Mix gefunden und können sagen, dass unsere Bewerbung Hand und Fuß hat - und absolut Aussicht auf Erfolg.
SPOX: Wie ist die Wahl auf Bad Saarow gefallen?
Kaussler: Die Auswahl des Platzes war die größte Herausforderung. Beim Ryder Cup werden jeden Tag 50.000 Zuschauer erwartet, dafür braucht man zwischen den Löchern riesige Flächen. Wir haben uns mit Google Earth sehr viele Plätze angeschaut und konnten so auf den ersten Blick sehen, welche Plätze diese Flächen nicht haben. In Bad Saarow haben wir jetzt eine Möglichkeit gefunden, wo wir mit einem Umbau genügend Platz schaffen können. Wir werden einen State-of-the-Art-Ryder-Cup-Platz kreieren, auf dem 50.000 Fans hautnah Dramen erleben können. Es wird ein ganz herausragender Platz werden.
SPOX: Sir Nick Faldo wird den Platz wie angesprochen umbauen. Gibt es diesbezüglich schon erste Ideen? Ein Ryder-Cup-Platz muss ja für das Matchplay-Format gemacht sein.
Kaussler: Wir befinden uns noch in der Planung und benötigen noch einige Wochen, ehe wir erste Details vorstellen können. Aber wir haben schon erste Studien vorliegen und Sir Nick Faldo und sein Team arbeiten intensiv an der Konzeption. Man muss ja wissen, dass es nicht nur um kurstechnische Anpassungen geht, es muss auch an die Logistik mit Hospitality-Bereichen und deren Versorgung gedacht werden. Aber Nick ist mit voller Begeisterung dabei. Er wäre der Erste, der als Spieler und Captain beim Ryder Cup dabei war und der on top noch den Golfplatz designt hat. Darauf wäre er extrem stolz, deshalb ist er wirklich mit großer Leidenschaft am Werk.
SPOX: Wenn wir uns die Konkurrenz anschauen: Wer ist der gefährlichste Gegner?
Kaussler: Nachdem sich Portugal verabschiedet und seine Bewerbung zurückgezogen hat, bleiben also Spanien, Italien und Österreich. Spanien bewirbt sich mit dem PGA Catalunya, einem bestehenden Platz in der Nähe von Barcelona. Italien wäre mit dem Marco Simone Golf & Country Club außerhalb von Rom eine tolle Destination - Rom bewirbt sich ja zudem auch für die Olympischen Spiele 2024. Und Österreich hat mit dem Golfclub Fontana und der Nähe zu Wien auch eine spannende Bewerbung. Ich würde sagen, dass Italien und Österreich gleichauf unsere schärfsten Gegner sind. Gegen Spanien spricht ein wenig, dass sie den Ryder Cup 1997 in Valderrama ja schon mal hatten.
SPOX: 2022 Ryder Cup. 2024 Fußball-EM und Olympische Sommerspiele in Hamburg. Alles in Deutschland - das wäre der etwas unrealistische Traum. Gibt es zwischen den verschiedenen Bewerbungen Verknüpfungen?
Kaussler: Grundsätzlich müssen wir ja festhalten, dass wir seit einiger Zeit kein großes Sportevent mehr nach Deutschland bekommen haben. Sowohl die Olympia-Bewerbungen als auch die Ryder-Cup-Initiative für 2018 waren nicht von Erfolg gekrönt. Es wäre wirklich an der Zeit, dass mal wieder ein großes Event nach Deutschland kommt. Wenn wir versuchen, eine Verknüpfung herzustellen, müssen wir leider sehen, dass es von den Zeitschienen einfach überhaupt nicht zusammenpasst. Deshalb ist es nicht möglich, ein gemeinsames Konzept zu verfolgen. Wir haben uns auf unsere Bewerbung konzentriert und sehr stark daran orientiert, welche Stimmen wir auch von der Vergabestelle gehört haben. Da war zum Beispiel immer wieder Berlin zu hören. Außerdem war es sinnvoll, eine bestehende Anlage zu nehmen, weil es beim Neubau zu viele Risiken gibt. Das sieht man auch an der Anlage in Rio für 2016, der Platz ist wegen Bauverzögerungen immer noch nicht bespielbar.
SPOX: Sie haben vorhin die Unterstützung der Politik angesprochen: Das war ja nun nicht immer so. Innenminister Thomas de Maiziere hat sich unter Golf-Fans keine Freunde gemacht, um es sehr vorsichtig auszudrücken, als er bei der letzten Bewerbung davon sprach, dass der Ryder Cup ja nicht mal eine Weltmeisterschaft wäre.
Kaussler: Das war damals ein ziemlicher Kaltstart für die Bewerbung, das ist sicher richtig. Aber die Stimmung hat sich mittlerweile komplett gedreht. Der DGV hat den Kontakt zur Politik nie abbrechen lassen und den Dialog immer aufrechterhalten. Ob aus der Bundes- oder aus der Landespolitik oder in Zusammenarbeit mit unseren regionalen Ansprechpartnern - wir haben nur positives Feedback erhalten. Alle halten den Ryder Cup für ein tolles Event und würden sich freuen, wenn er nach Deutschland vergeben wird. Wir haben auch vor einigen Wochen einen Brief der Bundeskanzlerin bekommen, in dem sie sich für den Ryder Cup in Deutschland ausspricht. Angela Merkel hat uns ausdrücklich ihre volle Unterstützung zugesagt. Die Situation ist ganz anders als vor vier Jahren.
SPOX: Was würde eine erfolgreiche Bewerbung denn für den Golfsport in Deutschland bedeuten?
Kaussler: Wir brauchen ein Leuchtturm-Event für die Zukunft, das ist ganz entscheidend. Wenn wir uns die Kandidaten anschauen, sehen wir, dass Deutschland der größte Golfmarkt unter den Wettbewerbern ist. Bekommen wir den Zuschlag, haben wir die Chance, den Golfsport in Deutschland zu aktivieren und populärer zu machen. Wir wollen auch ein bisschen für einen Image-Wandel sorgen. Der Ryder Cup ist das emotionalste und tollste Golfevent auf der Welt. Wenn darüber in Deutschland berichtet wird, nicht nur dann über das Turnier an sich, wäre das eine ganz tolle Sache.
SPOX: Das Motto für 2022 ist ja auch "Schwarz-Rot-Golf". Glauben Sie wirklich, dass es einen Boom auslösen könnte? Die Major-Siege von Martin Kaymer hatten meiner Meinung nach leider nicht den ganz großen Effekt. Es gibt nach wie vor viel zu viele Leute, die nicht wissen oder verstehen, dass Kaymer global gesehen einer der größten deutschen Superstars ist.
Kaussler: Martin Kaymer hatte bei seinem wirklich unglaublichen zweiten Major-Sieg bei der US Open natürlich das große Pech, dass sein Triumph mit dem ersten DFB-Sieg bei der WM zusammengefallen ist. So ist sein Riesenerfolg in den Medien leider ziemlich untergegangen. Martin Kaymer und Bernhard Langer haben für den Golfsport in Deutschland viel getan, aber wir dürfen auch nicht erwarten, dass Golf in Deutschland in irgendeiner Art und Weise explodiert. Aber wenn wir mit einer Veranstaltung wie dem Ryder Cup mehr Aufmerksamkeit auf die Sportart lenken und zeigen können, welche Emotionen da herrschen, dann erwarte ich mir wie angedeutet positive Image-Effekte. Vergleichen Sie mal die Emotionen beim Ryder Cup mit den Emotionen bei einem Major-Sieg, das ist völlig anders. Und was gibt es Besseres als Freitagmorgen am 1. Tee auf der Tribüne zu sitzen und bei den ganzen Fangesängen zu warten, bis das erste Match rausgeht? Es gibt nichts Besseres. Das ist Golf in seiner schönsten Form.
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SPOX: Viel hängt natürlich auch davon ab, wie viel Golf in den Öffentlich-Rechtlichen zu sehen ist. Gibt es da schon das Bekunden von Interesse?
Kaussler: Der Solheim Cup, also das weibliche Pendat zum Ryder Cup, findet in diesem Jahr in St. Leon-Rot statt. Dafür haben wir von den Öffentlich-Rechtlichen schon die Zusage, dass sie insgesamt 23 Stunden lang über die Sportart berichten werden. Die ARD will auch den Finaltag am Sonntagnachmittag in Auszügen zeigen, da tut sich also etwas. Ich würde annehmen, dass der Ryder Cup 2022 auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden würde. Vielleicht nicht live, weil es doch viele Stunden sind, aber bestimmt in Auszügen.
SPOX: Sie binden Martin Kaymer und Co. ja auch in die Bewerbung ein, wie wichtig sind die Botschafter-Rollen?
Kaussler: Es gibt unserer Bewerbung natürlich einen großen Schub, wenn wir einen zweifachen Major-Sieger wie Martin Kaymer im Boot haben. Botschafter zu sein, ist aber nur eine Seite. Bei Martin ist es ja so, dass er 2022 noch auf dem Höhepunkt seiner Karriere sein könnte. Für uns ist es wichtig, dass wir aufzeigen können, dass wir 2022 auch Spieler aus dem eigenen Land im europäischen Team haben könnten. Das wäre fantastisch. Mit Martin Kaymer, Marcel Siem und den anderen, aber auch mit der nächsten Generation, sind wir sehr gut aufgestellt. Die Chancen stehen wirklich gut, dass wir 2022 einen Deutschen im Team sehen könnten.
SPOX: Und auch einen Captain? Wenn es Bernhard Langer in diesem Fall dann noch einmal machen würde, hätte das ja auch seinen Reiz.
Kaussler: Das stimmt. Bernhard hätte es zweifellos auch verdient, aber es wird schwer, dass er nochmal Kapitän wird. In den letzten Jahren gab es die Policy, dass es keiner werden kann, der es schon einmal war. Bis 2022 wird es dann auch eine neue Generation geben an Spielern, die jetzt Mitte 30 oder ein bisschen älter sind und dann infrage kämen. Einen deutschen Kapitän kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, einen deutschen Spieler dagegen wie gesagt sehr wohl.
SPOX: Kaymer ist sicher ein Top-Botschafter für die Bewerbung. Gibt es auch Überlegungen, Stars aus anderen Sportarten für die Sache zu gewinnen?
Kaussler: Im Fußball läuft gerade die heiße Phase, aber wenn die Saison vorbei ist, wollen wir hier nach und nach einige Jungs einbinden. Wir haben da schon sehr viel Unterstützung bekommen. Thomas Müller hat uns einen Brief geschrieben. Er hat sogar direkt an Ryder Cup Europe geschrieben, dass er uns und die Bewerbung total unterstützt. Thomas ist ja selbst ein begeisterter Golfer, der auch mit Martin Kaymer gerne mal eine Runde spielt. Er ist auf jeden Fall jemand, der uns helfen will.
SPOX-Par-10: Ich will Golf sehen, verdammt!
SPOX: Kommen wir noch zur European Tour: Sie sind ja auch Turnierdirektor der BMW-Turniere, also auch der BMW International Open, die im Juni wieder in Eichenried ausgetragen wird. Das Teilnehmerfeld wird wieder sehr gut sein, aber gibt es auch Bestrebungen, mal einen der ganz großen Namen nach München zu bekommen, Phil Mickelson beispielsweise?
Kaussler: Wir müssen erkennen, dass es sich durch die hohen Preisgelder so entwickelt hat, dass sich viele Spieler auf die US-Tour konzentrieren. Außerdem geht der Trend dahin, dass die Topstars weniger spielen als früher. Früher waren es vielleicht 27, 28 Turniere im Jahr, jetzt sind es eher 21 oder 22. Die besten Jungs versuchen, sich ihren Plan so zu machen, dass sie bei den Majors und den weiteren ganz großen Turnieren auf dem Höhepunkt sind. Dazu kommt der Termin direkt nach der US Open, da nehmen sich viele eine Woche frei. Deshalb ist es schwer, die ganz Großen nach Deutschland zu bekommen. Aber wir haben Martin Kaymer, wir haben mit Henrik Stenson die Nummer drei der Welt und mit Camilo Villegas zum Beispiel einen charismatischen Spieler, der normal nur in den USA spielt. Und viele andere. Aber ich will nicht ausschließen, dass Phil Mickelson auch mal nach München kommt.
SPOX: Mit den Porsche European Open in Bad Griesbach gibt es im September jetzt wieder ein zweites European-Tour-Event auf deutschem Boden. Ansonsten geht die Entwicklung ja auch im Golf eher von Europa weg, sehen Sie das kritisch?
Kaussler: Nein, das spiegelt einfach nur die Stärke der Wirtschaft wider. In vielen Ländern, speziell in China, boomt Golf. Mit Ashun Wu hatten wir jetzt auch einen chinesischen Sieger auf der European Tour. Aber ich bin sehr glücklich, dass wir wieder ein zweites Turnier in Deutschland auf der Tour haben. Das ist auch für die Bewerbung ein wichtiges und extrem positives Zeichen.
SPOX: Der Nachfolger von George O'Grady und ab Sommer der neue Boss der European Tour kommt aus Kanada und heißt Keith Pelley. Was erhoffen Sie sich von ihm?
Kaussler: Grundsätzlich halte ich es für gut, dass es jetzt einen Generationenwechsel gibt. Mit Pelley hat die Tour einen Medienexperten (Boss von Rogers Media, dem größten kanadischen Medienunternehmen, Anm. d. Red.) gefunden, der auch in anderen Sportarten schon erfolgreich gearbeitet hat. Ich bin sehr gespannt, wie seine Strategie aussehen wird und welche Schritte er einzuleiten gedenkt. Auch in Anbetracht dessen, dass die European Tour ja im Endeffekt eine Rest of the World Tour ist. Ganz wichtig ist aus meiner Sicht ein intensiver Dialog mit den Spielern. Um die European Tour zu stärken, aber auch um den Spielern trotzdem die Möglichkeit zu geben, für die Major-Turniere entsprechend ausgeruht sein zu können.
SPOX: Letzte Frage: Wir springen ins Jahr 2022, der Ryder Cup ist tatsächlich in Deutschland. Wovon träumen Sie?
Kaussler: Vor irgendwelchen Träumen ist jetzt erst einmal harte Arbeit angesagt bis zur Entscheidung im Herbst. Wir müssen allen klarmachen, dass Deutschland bereit ist für den Ryder Cup 2022. Teil des Konzepts ist es, den Golfsport in Deutschland zu aktivieren und ihn mehr Leuten zugänglich zu machen. Wenn wir dann 50.000 Fans vor Ort hätten und wir eine ähnliche Atmosphäre entstehen lassen wie bei der WM 2006, dann hätten wir sehr viel erreicht. Dazu noch der Faktor Berlin mit dem Brandenburger Tor und all seiner Geschichte zu den USA, der Ryder Cup im Herzen Europas - das wäre schon eine ganz tolle Geschichte.
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