Björn Werner geht mit den Indianapolis Colts in seine zweite NFL-Saison. Im Interview mit SPOX spricht der 24 Jahre alte Linebacker über sein zweites Training Camp, seine Fortschritte auf und abseits des Platzes sowie den Start in die neue Saison: Während er von Colts-QB Andrew Luck die Finger lassen muss, hat er es im ersten Spiel gleich auf den amtierenden MVP abgesehen.
SPOX: Björn, unser letztes Interview haben wir vor der WM geführt. Jetzt ist der vierte Stern endlich da.
Björn Werner: Ich hab's ja gesagt: Die schaffen das dieses Jahr! Ich hab das Spiel daheim geguckt, mit den Nachbarn und ein paar Freunden. Es war eine super WM, eine super Zeit. Leider kommt es einem so vor, als wäre es schon wieder so lange her - unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Aber mein Bruder hat mir in Deutschland schon das Trikot mit dem vierten Stern gekauft und schickt es mir rüber.
SPOX: Haben Sie Sich Spiele mit Ihren Teamkollegen angeschaut?
Werner: Ich habe das erste deutsche Spiel gegen Portugal zusammen mit unserem Quarterback Andrew Luck gesehen. Danach waren unsere Terminkalender aber zu verschieden, ich war dann auch eine Weile in Deutschland. Wobei er sogar in Brasilien vor Ort war.
SPOX: Und nach dem Spiel gegen die USA gab es dann auch den einen oder anderen Spruch.
Werner: Klar, aber Deutschland war ja auch sein zweites Team nach den USA. Er ist also auch froh, dass die Deutschen gewonnen haben.
SPOX: Wenig später ging es mit dem Training Camp los. Und diesmal nicht mehr als Rookie.
Werner: Ja, das war ein ganz anderes Gefühl, eine neue Erfahrung. Ich habe mich sehr viel wohler gefühlt, weil ich den Zeitplan kannte und wusste, wie alles abläuft. Das macht schon einen sehr großen Unterschied. Das ist wie in jedem anderen Job auch: Je länger man dabei ist, desto wohler fühlt man sich, kennt man die Abläufe, tappt nicht mehr im Dunkeln. Außerdem war ich nicht mehr so kaputt. Das kommt dann alles zusammen.
SPOX: Rookies müssen bekanntlich für das Team einiges erledigen. Gilt das für Spieler im zweiten Jahr auch noch ein bisschen, oder gehört man schon voll zum Team?
Werner: Nein, das hat sich komplett erledigt - wir haben jetzt ja neue Rookies. Es ist wirklich ein richtig großer Sprung vom ersten zum zweiten Jahr: Du gehörst direkt zur alten Garde, obwohl du erst im zweiten Jahr bist. Ich bin gerade erst 24 geworden, aber für einige gehöre ich schon zu den alten Hasen, gerade für die vielen Neuen. Die Rookies übernehmen meine Aufgaben vom letzten Jahr, da fällt echt eine Last von den Schultern, diese ganzen Kleinigkeiten. Jetzt kann ich mich einfach hinsetzen und ihnen zugucken.
SPOX: Nutzt man das dann direkt aus?
Werner: Ein bisschen. Aber ich verrate ihnen immer auch ein paar Tipps und Tricks, weil es für mich selbst noch so frisch ist.
SPOX: Footballer sind im Allgemeinen ganz gut bezahlt. Aber das Training Camp hat dann doch eher Jugendherbergen-Charakter, oder?
Werner: Auf jeden Fall. Wir waren dieses Jahr auf dem Gelände der Anderson University und dort drei Wochen im Studentenwohnheim untergebracht. Den ganzen Tag nur Football - du bist in dein Zimmer gekommen und hast nur noch geschlafen. Ein Trainingslager ist in jedem Sport der Zeitpunkt, an dem das Team zusammenwachsen muss. Die Coaches testen auch unsere mentale Stärke, sie wollen uns müde und kaputt kriegen und beobachten dann, wie wir darauf reagieren. Es war aber eine tolle Zeit, und auch schon ein Stückchen leichter als im letzten Jahr.
SPOX: Wenn man den ganzen Tag aufeinander hockt, kommen dann auch mal ernstere Themen zur Sprache?
Werner: Klar reden wir auch über Sachen "off the Field". Wir sind Freunde, da fragt man natürlich, wie es der Frau oder den Kindern geht.
SPOX: Im Training Camp hat jeder so seine Traditionen. Ihr Teamkollege Reggie Wayne zum Beispiel fährt jedes Jahr in einem ganz besonderen Untersatz vor.
Werner: Stimmt, Reggie hat schon ein paar krasse Ideen (lacht). Er braucht immer seinen ganz besonderen Auftritt. Letztes Jahr war er mit dem Helikopter da, dieses Jahr wurde er mit dem Indy Car vorgefahren. Ich glaube, es war sogar ein professioneller Indy-Car-Driver, der ihn kutschiert hat.
SPOX: In der Vorbereitung hat Head Coach Chuck Pagano gesagt, Sie hätten einen "großen Sprung gemacht". Sie wurden sogar als MVP des Training Camps bezeichnet.
Werner: Das ehrt mich natürlich. Aber es hilft mir nicht, wenn ich gut trainiere und dann nicht gut spiele. Ich muss auf dem Platz beweisen, dass ich auch so spielen kann, wie ich trainiert habe. Aber ich bin gut drauf und will dem Team zeigen, was ich draufhabe.
SPOX: Gleichzeitig haben die Colts noch einen Defensive End gedraftet. Schaut man da auch mal über die Schulter?
Werner: Nein! Wenn man anfängt, sich über andere Spieler oder den eigenen Platz im Team Sorgen zu machen, dann sollte man lieber gleich aufhören. Das habe ich von Spielern wie Robert Mathis gelernt, die schon zwölf Jahre dabei sind. Kümmere dich nur um dich selbst, mach deine Arbeit, zeig allen, dass du ins Team gehörst. Das ist meine Einstellung, so gehe ich jeden Tag an. Wenn man sich über andere Dinge den Kopf zerbricht, dann läuft etwas falsch.
SPOX: Gerade in den ersten Wochen sind Sie gefordert, weil Mathis noch gesperrt ist. Wie verhindern Sie es, dass etwas Unerlaubtes in Ihren Körper gerät? Gibt es bestimmte Vorsichtsmaßnahmen?
Werner: Oh ja, wir haben eine richtig schöne lange Liste (lacht), und anhand der muss man immer abgleichen, um welche Supplements es sich im Einzelfall handelt. Es kommt auch immer auf den Hersteller an, denn da gibt es solche und solche. Hier herrscht ganz klar die Einstellung vor: Du bist dafür verantwortlich, was in deinen Körper gelangt. Am besten geht man deshalb immer direkt zum Team-Doc.
SPOX: Die Preseason-Spiele wurden alle verloren. Je nachdem wen man fragt, bedeutet das wenig bis gar nichts, oder?
Werner: Ja, aber natürlich will man immer gewinnen. Jeder Coach hat eine andere Philosophie, wie lange seine Starter spielen, oder dann die zweite Garde. Man will gewinnen, aber gleichzeitig versucht man auch, den Ersatzleuten möglichst viel Spielpraxis zu verschaffen. Die Coaches müssen dann entscheiden, wer es in den 53-Mann-Kader schafft. Wir haben viermal verloren, aber dann muss eben jetzt ein Sieg her. Wir haben eine fantastische Mannschaft, wir spielen als Team zusammen und können uns aufeinander verlassen. Ich mache mir da keine Sorgen.
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SPOX: In einer Woche wird es ernst - und da geht es direkt gegen Peyton Manning, amtierender MVP und Colts-Ikone. Wenn Sie eine Liste machen würden, welchen Quarterback Sie am liebsten sacken würden...
Werner: ... dann wäre Peyton Manning auf jeden Fall vorn dabei! Er ist ein Future-Hall-of-Famer, schon seit 15 Jahren in der NFL. Ich bin nicht der Typ der sagt: 'X oder Y ist der beste Quarterback aller Zeiten', aber Peyton gehört auf jeden Fall zu den Top Ten oder Top Five ever. Ihn zu sacken, das wäre eine coole Geschichte - ich bin auch schon ganz schön aufgeregt. Aber letzten Endes geht es nur darum, die Broncos zu schlagen. Es ist ein wichtiges Auswärtsspiel, bei einem unserer großen Konkurrenten.
SPOX: Es könnte noch schwerer werden: Die Defense darf in diesem Jahr noch weniger machen als ohnehin schon, gerade gegen Wide Receiver.
Werner: Wie Sie sagen: Jedes Jahr kommen mehr und mehr Regeln gegen die Defense dazu, die es der Offense leichter machen. Dabei geht es vor allem um die Sicherheit der Offensivspieler. Für mich persönlich ist diesmal nichts Schlimmes dabei, aber hinter mir ist es schon hart, wenn die Defensive Backs die Receiver überhaupt nicht mehr berühren dürfen. In dieser Preseason haben sich die Referees darauf konzentriert, so viele Penalty-Flaggen gab es noch nie. Warten wir mal ab, ob das in der Regular Season auch so ist. Aber das betrifft ja nicht nur unser Team, sondern alle anderen auch. Da kann man nichts machen.
SPOX: Während sich die Secondary auf die Receiver konzentrieren, müssen Sie zum Quarterback. Was läuft im Kopf eines Pass Rushers ab, wenn man auf seinen Gegenspieler zuläuft? Legt man sich vorher einen Schlachtplan zurecht, also z.B. dreimal über außen und dann ab durch die Mitte?
Werner: Sie sind schon nah dran (lacht). Nehmen wir zum Beispiel die Broncos: Ich schaue mir in der Vorwoche ganz genau an, gegen wen ich spielen werde, und versuche bei ihm Tendenzen festzustellen. Jeder hat Stärken und Schwächen. Mein Gegenspieler macht das Gleiche - wir recherchieren sozusagen beide gegeneinander. Und dann überlegt man sich, mit welchen Moves man attackieren will. Immer natürlich abhängig davon, wie das Spiel läuft. Wenn ich im Spiel dann das Gefühl habe: 'Gut, mit dieser Bewegung klappt es', dann werde ich so lange damit ankommen, bis er mich stoppen kann. Und danach versuche ich die nächste. Das ist es, was so viel Spaß macht: Jeder Spieler ist anders, jeder Offensive Lineman gegen den ich gespielt habe oder noch spielen werde. Das bringt den Adrenalinschub.
SPOX: Und wenn man es schafft, vorbeizukommen?
Werner: Dann musst du nicht nur den Quarterback kriegen, sondern du musst auch hoffen, dass er noch den Ball hat. Aber wenn man das schafft, ist es ein unbeschreibliches Gefühl. Deshalb spiele ich, seit ich klein bin. Hoffentlich warten noch einige Sacks auf mich.
SPOX: Haben Sie denn wenigstens Andrew Luck schon ein paarmal im Training erwischt?
Werner: Andrew dürfen wir nicht anfassen (lacht)! Das ist die NFL, der Quarterback ist das Gesicht der Franchise. Man darf im Training nicht an ihn ran, nicht einmal in seine Nähe kommen. Wenn du es schaffst, die O-Line zu überwinden, dann rennst du einfach an ihm vorbei. Das ist auf dem College genauso. Man muss sich mal überlegen, wie oft wir trainieren. Wenn wir da jedes Mal den Quarterback tackeln würden... Nein, Andrew Luck wird nicht angefasst, und das ist auch gut so. Den brauchen wir noch.
SPOX: Haben Sie sich noch weitere Spiele im Kalender rot markiert? Vielleicht gegen die Patriots - da könnten sie mit Sebastian Vollmer zusammenrasseln.
Werner: Auf jeden Fall. Zwei Deutsche gegeneinander, das wird ein tolles Spiel. Er ist richtig gut, einer der besten auf seiner Position. Das wird eine große Herausforderung, aber deswegen spielt man ja. Doch jetzt konzentrieren wir uns voll auf die Broncos. Danach geht es dann von Woche zu Woche, da kriegt man einen richtigen Tunnelblick, weil es immer gleich abläuft: Trainingsplan, Taktikbesprechung, am Montag dies, am Dienstag das, und so weiter.
SPOX: Irgendwann zählt man die Tage bis zur Bye Week...
Werner: ...und auf einmal ist die Saison dann schon vorbei. Schon unglaublich, wie schnell das gehen kann, wenn man immer nur von Tag zu Tag denkt.
SPOX: Letzte Frage: Wie sieht es mit Fantasy Football aus?
Werner: Nee, Fantasy Football ist nicht mein Ding (lacht). Ich bin live dabei, das genügt mir.
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