Feigling im Punter-Kostüm

Von Adrian FrankeMarcus Blumberg
03. Februar 201609:16
Rams-Punter Johnny Hekker sorgte in Seattle für Unmut beim Gegnergetty
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Johnny Hekker bekleckert sich nicht gerade mit Ruhm, während gleich zwei große Jubiläen gefeiert werden. Die Atlanta Falcons können ihren Heimsieg gegen Carolina trotz intensiver Bemühungen nicht verhindern, Kirk Cousins glänzt mit perfektem Timing. Außerdem: Alter schützt vor Bikinis nicht! Der vorletzte Regular-Season-Hangover für diese Saison klärt auf - und richtet den Scheinwerfer auf eine Woche voller verrückter Upsets.

Der Feigling der Woche: Johnny Hekker. "Punters are People, too", pflegt Rich Eisen vom NFL Network immer zu sagen - vorzugsweise, wenn sich Teams dazu entschließen, einen Punter viel zu früh (und damit meine ich überhaupt) im Draft zu wählen (ich schaue auf euch, Jaguars!). Aber im Fall von Johnny Hekker, dem Punter der St. Louis Rams, mögen Punter auch mal schmutzige Spieler oder Angsthasen sein. Und das sogar in Personalunion!

Was war passiert? Nach einem seiner Punts rannte Hekker den längst in die andere Richtung laufenden Cliff Avril von den Seattle Seahawks von hinten um und brachte ihn zu Boden - ein klarer, wenn auch nicht brutaler, Cheap Shot (und nicht der erste in Hekkers NFL-Karriere). Dafür bekam er folgerichtig eine 15-Yard-Strafe aufgebrummt. Sowas macht man eben nicht!

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Was aber beim nächsten Punt folgte, war das wirklich Lächerliche am Auftritt des Punters! Er kickte den Ball weg, sah Avril angerannt kommen und warf sich vor Angst schlotternd auf den Boden, um zu sagen: "Bitte, bitte hau mich nicht!" Avrils Teamkollege Michael Bennett machte sich ebenfalls wild entschlossen in Hekkers Richtung auf, beließ ich dann aber dabei, den Punter am Boden winselnd zu sehen. "Er ist ein kleines ängstliches Mädchen", urteilte Bennett anschließend. Für sein Auftreten bekommt Hekker zwar keine nachträgliche Strafe, für sein Personal Foul zuvor aber wohl schon. Zu Recht!

Das Jubiläum der Woche - Player Edition: Anquan Boldin. Viel läuft nicht rund für die San Francisco 49ers in dieser Saison. Sie stehen bei 4-11 und haben damit schon jetzt so viele Niederlagen wie seit 2007 in keiner Saison auf dem Konto. Die Playoffs verpassen sie zum zweiten Mal in Serie und einen neuen Quarterback (sorry, Blaine Gabbert) werden sie sich wahrscheinlich auch zeitnah suchen - nebst anderen personellen Baustellen, versteht sich.

Aber einen Grund zum Feiern gab es dann doch am letzten Sonntag. Anquan Boldin fing seinen 1000. Pass in der NFL! Er liegt nun bei 1.004 Catches und hat Hines Ward auf Platz 12 der Allzeit-Liste abgelöst.

Unter den noch aktiven Spielern hat er die fünftmeisten Catches auf dem Konto (wenn man Reggie Wayne noch dazu zählt). Der 35-Jährige sammelt somit weitere Argumente für eine mögliche Hall-of-Fame-Nominierung in nicht allzu ferner Zukunft, zumal die Top Ten nicht weit weg ist.

Das Jubiläum der Woche - Team Edition: Die Washington Redskins. Auch unter den Franchises ist in dieser Woche eine runde Zahl zu bejubeln. Mit ihrem Sieg am Samstagabend bei den Philadelphia Eagles haben die Washington Redskins nicht nur die NFC East vorzeitig für sich entschieden, sie haben auch den 600. Sieg (inklusive Playoffs) ihrer Geschichte eingefahren. Das gelang zuvor nur vier anderen Franchises: Den Bears, Packers, Giants und Steelers.

Wenn die Redskins nun irgendwann auch noch einen politisch korrekten Namen finden, könnte man sie dann vielleicht auch euphorischer auf nationaler Ebene in den Staaten bejubeln. Wenn man nicht gerade Fan eines der anderen Teams der East Division ist.

Der Upset der Woche: Was könnte der Upset der Woche - einer Woche voller Upsets genau genommen - sein? Kandidaten gab es einige, etwa den Sieg der Jets über die Patriots oder die Pleite der brandheißen Steelers in Baltimore, wo die Ravens mit Backups auf gleich mehreren Schlüsselpositionen ran mussten. Aber nein, natürlich kann es, ganz wie in Sachen Highlander, auch hier nur einen geben. Die Mutter aller Upsets gewissermaßen: Die Atlanta Falcons haben die Carolina Panthers geschlagen und damit die Chance auf eine perfekte Regular Season zunichte gemacht!

Und was war das für ein Spiel? Ausgerechnet die Falcons, die zuletzt so dermaßen geschwächelt hatten, fanden einen Weg, den ungeschlagenen Divisionsrivalen zu bezwingen. Zur Erinnerung: Gerade einmal zwei Wochen ist es her, als Atlanta in Charlotte mit 0:38 abgefertigt wurde. Die Falcons hatten vor dem vergangenen Sonntag nur eines von sieben Spielen gewonnen.

Das Week-16-Roundup: Perfect no more...

Das Play des Tages war dabei natürlich der 70-Yard-Touchdown von Matt Ryan zu Julio Jones. Der war zwar gedeckt von gleich zwei Gegenspielern, darunter Über-Linebacker Luke Kuechly, aber schlicht nicht zu stoppen. Jones verbrannte die Panthers-Secondary so dermaßen, wie in diesem Jahr wohl noch kein gegnerischer Receiver. Und die Korken in Miami knallten, hatten die 1972er Perfektionisten doch wieder etwas zu feiern.

Die (missglückte) Selbstsabotage der Woche: Die Atlanta Falcons - denn beinahe hätten es die Falcons tatsächlich geschafft, sich mit gezielter Selbstsabotage am Ende doch noch zu schlagen: Nachdem Atlanta den Ball mit 1:47 Minuten zu spielen im vierten Viertel übernommen hatte, musste man eigentlich nur noch die Zeit herunterspielen, Carolina hatte nur eine Timeout. Ein First Down hätte also gereicht.

Doch das war den Falcons offenbar zu einfach! Also starteten sie mit einem False Start, dann kam ein Lauf für zwei Yards und die Panthers nahmen ihre letzte Timeout mit 1:44 auf der Uhr. Es folgte ein Laufspiel und die nächste Flagge - Illegal Formation. Die Strafe wurde abgelehnt, aber dadurch blieb die Zeit natürlich stehen - bei 1:41.

Und dann gab's den nächsten Lauf über ein Yard, gepaart mit einer Holding-Strafe gegen die Offense - abgelehnt, aber die Uhr blieb wieder stehen bei 1:35. Es folgte ein Field Goal, infolgedessen die Panthers den Ball mit 1:30 Minuten zu spielen doch wieder zurückbekamen. Sie verloren dann zügig einen Fumble und damit endgültig das Spiel, aber das hätten die Falcons auch deutlich einfacher haben können!

Das Timing der Woche: Kirk Cousins. Als "sehr befriedigend" bezeichnete Kirk Cousins den Sieg und seine Gala (31/46, 365 YDS, 4 TDs) gegen die Philadelphia Eagles am Samstagabend. Damit verbunden: Ein vor der Saison kaum für möglich gehaltener Division-Titel für die Redskins (siehe oben). Damit verbunden, Teil II: Eine (mutmaßlich) dicke Gehaltserhöhung für Washingtons Quarterback.

Wenig überraschend also, dass Cousins hinzufügte: "Ich bin sehr zufrieden darüber, wie wir in dieser Saison das Blatt wenden konnten. Jetzt schauen wir nach vorne und fragen uns, wie weit wir kommen können. Ich denke, die Offense ist im Laufe der Saison gewachsen. Ich wiederhole mich da, aber die Leute scheinen manchmal zu vergessen, dass ich eine Woche vor Saisonstart erst zum Starter befördert wurde. Es war ja nicht so, als hätten wir eine Chance gehabt, die Offense monatelang um mich herum aufzubauen."

Doch Cousins, dessen Vertrag ausläuft, passte sich an. Der 27-Jährige spielte eine weit mehr als durchschnittliche Saison und lieferte, als die Playoffs auf dem Spiel standen, in gewisser Weise sein Meisterstück ab. Damit stärkte er Coach Jay Gruden und dessen Entscheidung, sich in der Offseason gegen Robert Griffin III zu entscheiden, dem er eigentlich noch Anfang des Jahres den Starter-Platz gegeben hatte. Er sicherte seinem Coach so wohl den Job - und sich selbst eine nahezu traumhafte Ausgangslage für die Vertragsgespräche im Frühjahr...

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Die Verletzung(en) der Woche: Aus deutscher Sicht müssen wir natürlich auf Sebastian Vollmer von den New England Patriots schauen. Der Offensive Tackle wurde während der Niederlage seines Teams bei den New York Jets mit einer Fuß- oder Beinverletzung vom Feld gefahren und kam nicht zurück. Allerdings haben wir noch keinerlei Informationen, wie es ihm geht und ob er länger ausfallen wird. Insofern warten wir diese Situation erstmal ab.

Definitiver und eigentlich auch viel verrückter ist dagegen die Gesundheitslage auf der Quarterback-Position bei den Indianapolis Colts! Andrew Luck ist mit einer Nierenverletzung schon länger draußen und wird auch in Week 17 nicht spielen. Hinzu kommt, dass man bei Matthew Hasselbeck mittlerweile fragen muss, wo er denn nicht verletzt ist - auch er wird wohl gegen Tennessee zum Regular-Season-Finale fehlen, der 40-Jährige kassiert hinter Indys löchriger O-Line seit Wochen Prügel.

Die NFL-Grundlagen-Übersicht: Offenses, Defenses und vieles mehr erklärt

Es ist also Charlie Whitehursts Job, richtig? Falsch! Whitehurst, die (jüngst verpflichtete) Nummer drei im Team, hat sich am hinteren Oberschenkel verletzt und wurde schon auf die Injured-Reserve-Liste gesetzt.

Wer startet also kommenden Sonntag? Natürlich Stephen Morris! Wer? Stephen Morris! Wer??? Stephen Morris, der Quarterback, den die Colts in der vergangenen Woche erst von der Practice Squad der Philadelphia Eagles geholt haben - ach der... Selbstredend hat dieser noch keine einzige Sekunde in der NFL auf dem Platz gestanden. Doch wenn man bedenkt, was alles passieren muss, damit die Colts doch noch die Playoffs erreichen, ist ein Start von Morris sicher nicht das Verrückteste aller denkbarer Szenarien...

Die Entscheidung der Woche: Der Kick der Patriots. New England hatte seinen Rückstand gerade aufgeholt, New Yorks Euphorie etwas gedämpft und die Partie kurz vor Schluss ausgeglichen. Es ging in die Overtime, und New England gewann den Münzwurf - doch Special-Teams-Kapitän Matthew Slater entschied sich dafür, der Jets-Offense den Ball und somit die Chance auf den Siegbzu geben! Das Ende ist bekannt (Eric Decker dankt recht herzlich), kurios war aber die Szene rund um den Münzwurf.

Slater wirkte, nachdem er den Kick angesagt hatte, zunächst verwirrt. Es schien, als hätte er sich versprochen, er hakte bei den Refs nach. Wie aber später raus kam, wollte Coach Bill Belichick den Ball tatsächlich an Ryan Fitzpatrick und Co. geben. Slater war lediglich unsicher, weil er dachte, dass er entscheiden dürfe, in welche Richtung die Jets spielen müssen. Wählt ein Team aber den Kick, liegt diese Entscheidung beim Gegner.

"Wir haben auf eine gute Field Position abgezielt. Ich dachte, dass es die beste Entscheidung wäre", erklärte Belichick anschließend gewohnt trocken. Inwieweit es die beste Entscheidung sein kann, zu riskieren, dass Tom Brady den Ball in Overtime nicht bekommt, bleibt wohl Bills Geheimnis. Sagen wir es so: Es war alles in allem nicht sein bestes Spiel als Coach in New England.

Das Outfit der Woche: Carson Palmer. Alter schützt vor Torheit nicht - und offenbar auch nicht vor Hawaii-Kostümen! Das musste Palmer am Sonntag erfahren: Arizonas Quarterback musste an seinem 36. Geburtstag in einem improvisierten Hawaii-Kostüm, bestehend aus einem, künstlerisch wertvollen, selbst angefertigten Bastrock sowie einer Art BH zum Aufwärmen auf den Rasen.

Der Week-15-Hangover: Defense made in Germany

Palmer hatte zum ersten Mal in dieser Saison das Quarterback-interne Wurfduell unter der Woche verloren. Zuvor hatte unter anderem Matt Barkley in einem bizarren, aus Handtüchern angefertigten Outfit das Feld betreten.

Cornerback Patrick Peterson, der sich jüngst ebenfalls an dem Wettbewerb beteiligte, reiste als Verlierer zum Auswärtsspiel nach Philadelphia in einem Weihnachts-Elf-Kostüm. So lange die Siege kommen, dürfte Coach Bruce Arians wenig dagegen einzuwenden haben...

Das Duo der Woche: Ryan Fitzpatrick und Brandon Marshall. Wir kehren noch einmal zum Duell der Jets und der Patriots zurück, denn Ryan Fitzpatrick ist drauf und dran, die öffentliche Wahrnehmung seiner Karriere komplett auf den Kopf zu stellen! Lange als Wandervogel (sechs Teams in neun Jahren) und nicht viel mehr als ein solider Backup verschrien, hat Fitzmagic seine Chance bei den Jets mehr als nur genutzt: Nach Geno Smiths längst berüchtigtem Offseason-Kieferbruch mauserte sich Fitzpatrick in Chan Gaileys Offense zu einem Playoff-Quarterback.

Kaum jemand hätte vor der Saison ernsthaft gedacht, dass die Offense der Jets das Team tragen könnte, und umso weniger, wenn dann auch noch der Running-Game-Motor wochenlang immer wieder stottert.

Großen Anteil am offensiven Höhenflug der J-E-T-S hat, neben Fitzpatrick, Brandon Marshall. Der Receiver kam zum Spottpreis aus Chicago, steht jetzt aber bei 1.376 Receiving-Yards und 13 Touchdowns - zwei davon lieferte er am Sonntag beim so elementar wichtigen Sieg über die Patriots.

Es war der vielleicht (vorerst) größte Sieg in Fitzpatricks Karriere, auch wenn New England personell arg gebeutelt war. Gang Green hat sein Playoff-Schicksal jetzt in der eigenen Hand.

So könnte Fitzpatrick endlich eine fast unglaubliche Durststrecke beenden: Nur Charley Johnson, der in den 60er und 70er Jahren für die St. Louis Cardinals, die Houston Oilers und die Denver Broncos spielte, hat mehr Touchdown-Pässe auf dem Konto als Fitz (152), ohne jemals in den Playoffs gespielt zu haben.

Kurz vor dem Karriereende steht... der Trainerstab in Miami. Auch für die Teams, bei denen die Playoffs kein Thema mehr sind, steht im Saison-Schlussspurt durchaus noch etwas auf dem Spiel. Manche wollen einen jungen Quarterback testen, andere die Einstellung einiger Spieler mit Blick auf mögliche neue Verträge. Wieder anderswo geht es um die Zukunft eines kompletten Trainerstabs.

Genau das ist der Fall in Miami: Interimscoach Dan Campbell durfte sich nach dem vielversprechenden Start seiner unerwarteten Amtszeit bereits Hoffnungen auf einen langfristigen Deal machen. Doch die Bilanz aus den vergangenen Wochen: ein Sieg, fünf Pleiten und ein völlig uninspirierter Auftritt am Sonntag gegen die Indianapolis Colts und deren Backup- sowie Backup-Backup-Quarterback. Ein Team, das für seinen Trainer spielt, sieht definitiv anders aus.

Zu allem Überfluss kommen jetzt auch noch Brandherde abseits des Gridirons dazu: Campbell hatte noch am Samstag bei Pro Football Talk gefordert, dass sich seine Spieler in Punkto Leadership steigern müssen - die Frau von Cornerback Brent Grimes nahm sich das offenbar zu Herzen. Via Twitter erklärte sie, sie habe bereits von Anfang an gewusst, dass Quarterback Ryan Tannehill "nichts drauf habe. Ich habe versucht, ruhig zu bleiben, um meinen Mann nicht zu entmutigen." Es sei zudem eine "Tatsache", dass "das ganze Team Ryan Tannehill hasst". Vielleicht ist Campbell gar nicht so traurig darüber, die Dolphins in wenigen Tagen zu verlassen...

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