"Eine Steigerung zu den Mavs"

Haruka Gruber
06. Oktober 201414:42
Marco Baldi ist seit 25 Jahren für Alba Berlin im Einsatzgetty
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Nach 2012 schlägt das NBA-Herz erneut in Berlin: Der Champion aus San Antonio spielt gegen Alba - und SPOX zeigt dieses wie alle anderen Global Games im LIVE-STREAM FOR FREE!. Für Berlins Geschäftsführer Marco Baldi ist es das zweite große Highlight nach dem Aufeinandertreffen mit den Mavericks vor zwei Jahren. Der 52-Jährige prägt seit über 20 Jahren den deutschen Basketball und das wiedervereinigte Berlin. Ein Interview über das Ende der eigenen Dynastie, das "Mordor" des deutschen Basketballs, dazu ein Rat an den DBB. Und ein Rückblick über wilde Anfangsjahre - und Vogelkot auf Brötchen.

SPOX: Herr Baldi, am Mittwoch fordert Alba Berlin im Rahmen der Global Games den NBA-Meister San Antonio heraus. Sie überraschten mit der Aussage, dass Ihnen als Kontrahent die Spurs sogar lieber seien als die Dallas Mavericks mit Dirk Nowitzki. Warum?

Marco Baldi: 2012 gab es nichts Besseres, als dass Dirk im Karriere-Peak mit seinem Team in Berlin antrat. Nachdem wir das schon erlebt haben, kommt jetzt die sportliche Steigerung mit dem amtierenden Champion. Und auch persönlich finde ich es fantastisch. Ganz offen gesagt: NBA-Basketball verfolge ich frühestens ab den Playoffs. Allerdings sind die Spurs eines der wenigen Teams, die mich wirklich interessieren, weil mir die Art und Weise gefällt, wie sie spielen. Sie verkörpern den europäischsten Basketball aller NBA-Teams und sind damit extrem erfolgreich.

SPOX: Sie sind ein mehrfach ausgezeichneter Marketing-Experte: Die Spurs werden als die "weltbeste Mannschaft" beworben - doch welcher Claim passt zu Alba? SPOX

Baldi: "Die hungrigste Mannschaft." Unter dem Leitspruch gehen wir ins Rennen. Uns haben mit Jan Jagla, Sven Schultze, Levon Kendall und David Logan einige routinierte Spieler verlassen. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als auf junges Blut zu setzen. Selbst unsere Leistungsträger wie Reggie Redding oder Leon Radosevic, beide Mitte 20, besitzen noch nicht die Erfahrung, mehrere Jahre auf allerhöchstem Level zu spielen. Da messen wir uns mit anderen Kalibern, nehmen wir Bayerns Dusko Savanovic oder Ulms Maarty Leunen. Daher liegt unser Fokus auf zwei Attributen: hohe mannschaftliche Geschlossenheit sowie die höchste Intensität. Angesichts unseres Programms mit der Euroleague und der BBL wird es nicht leicht, das so durchzuziehen. Aber das wird unsere einzige Chance sein, um in Europa halbwegs bestehen zu können, es vielleicht in die Top 16 zu schaffen und in der BBL in der Spitze mitzuhalten. Man muss klar sagen: Es gibt in Deutschland Mannschaften mit mehr Talent, mehr Erfahrung und mehr Abgebrühtheit. Wir müssen die mit der höchsten Intensität und Geschlossenheit sein.

SPOX: Ist dieses Eingeständnis womöglich eine neue Stärke von Alba? Es war zu spüren, dass der Klub nach der Dynastie zwischen 1996 und 2003 lange nach einer neuen Identität gesucht hat.

BBL-Favoritencheck: Die Bayern-Jagd ist eröffnet

Baldi: Vorweg: Es lässt sich nicht alles an Titeln messen. Dass Dynastien enden wie die von Leverkusen, hatte tiefgehende, strukturelle Gründe wie das Bosman-Urteil. Bei uns war es ähnlich und lässt sich nicht einfach auf die Frage reduzieren: Titel oder kein Titel? Uns hat in unserer gesamten Geschichte ausgezeichnet, dass wir immer ein ernsthafter Kandidat für ganz vorne waren. Nachdem wir die Erwartungen nicht immer erfüllen konnten, haben wir uns selbstkritisch hinterfragt und festgestellt, dass wir uns in der Vergangenheit an der Quadratur des Kreises versuchten. Wir wollten alles auf einmal: Wie gewinnen wir die deutsche Meisterschaft? Wie qualifizieren wir uns für die Euroleague? Wie bekommen wir die Halle voll? Wie geben wir dem Publikum einen Local Hero als Liebling und Star? Wie bilden wir zeitgleich Talente für das höchste Niveau aus? Und wie schreiben wir dabei die schwarze Null? Das waren einfach zu viele Ziele auf einmal, daher vollzogen wir letztes Jahr einen Schnitt.

SPOX: Und jetzt?

Baldi: Die schwarze Null muss immer stehen, das ist die Grundvoraussetzung. Darüber hinaus legen wir den Fokus auf die Entwicklung von Profis, die bereits ein bestimmtes Niveau erreicht haben und die Förderung unseres Nachwuchsprogramms. Wir wollen, dass unser Leitspruch "Mit Leib und Seele für Berlin" wirklich gelebt wird. Deswegen haben wir beispielsweise mit Akeem Vargas und Jonas Wohlfarth-Bottermann deutsche Spieler länger unter Vertrag genommen, die - nicht despektierlich gemeint - eher aus der zweiten Reihe kommen und mit uns den Weg gehen wollen.

SPOX: Dazu passt, dass Alex King zum Kapitän ernannt wurde?

Baldi: Alex ist zwar schon 29 Jahre alt, aber auf seine Art jung. Er gehörte früher nie zu den Supertalenten und spielt noch nicht so lange auf dem Top-Level. Daher ist er heiß und will den nächsten Schritt gehen, Verantwortung übernehmen, das Team anführen. Er symbolisiert das Hungrige.

SPOX: Ist trotzdem die Strategie, eher unbekannte deutsche Spieler zu verpflichten wie Vargas, Wohlfahrt-Bottermann und Martin Seiferth, aus der Not geboren?

Baldi: Die Frage ist irrelevant, weil uns ohnehin keine andere Wahl bleibt. Bei Niels Giffey haben wir mitgeboten, weil sein Profil perfekt zu uns passt. Er ist besonders für uns und soll ein Anker unseres Programms werden. Wobei: Selbst bei Niels hat uns Bamberg weit getoppt, was das Finanzielle anbelangt. Ich sage es ohne Bitterkeit und negativen Touch: Wenn Bamberg oder Bayern unbedingt einen deutschen Spieler wollen, können wir nicht mithalten. Dem müssen wir uns stellen. International sind wir es schon lange gewohnt, dass sich Panathinaikos oder ZSKA am Markt bedienen und wir so lange warten. Jetzt ist es national ähnlich mit den zwei wirtschaftlichen Schwergewichten. Wir erkennen das neidlos an und agieren mit unseren Mitteln.

SPOX: Immerhin gelang es Ihnen 2013, mit Ismet Akipinar den vielleicht talentiertesten deutschen Point Guard nach Berlin zu locken. Jetzt steht er vor seiner ersten kompletten Profi-Saison. Ist er bereit, hinter Clifford Hammonds wichtige Backup-Minuten zu bekommen?

Baldi: Ich sehe aktuell keinen anderen in Deutschland, der in seinem Jahrgang auf der Position so viel Potenzial mitbringt wie Ismet. Er hat das Talent für eine so komplexe Position, ist dazu extrem fleißig und hat im Sommer Muskeln aufgebaut. Jetzt kann er physisch in der BBL bestehen. Und was nicht vergessen werden darf: In jedem Trainingsspiel, bei jedem Angriff, muss er den Ball gegen Cliff Hammonds vortragen. Es ist für einen jungen Spieler die Höchststrafe und kann frustrieren - gleichzeitig gibt es keine bessere Schule.

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Seite 2: Baldi über Bamberg, Bayern und Obradovic

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SPOX: Sie sprachen die Finanzkraft von Bamberg an, das im Sommer überlegt hatte, Ihren Headcoach Sasa Obradovic abzuwerben. Vor allem der Aufsichtsratsvorsitzende und milliardenschwere Finanzgeber Michael Stoschek soll sich Obradovic gewünscht haben. Wie konnten Sie ihn vom Verbleib überzeugen?

Baldi: Andere Mütter haben ebenfalls schöne Töchter und es ist völlig legitim, dass sich Sasa informiert hat. Allerdings sprach ich mit ihm nie über einen Weggang, daher haben wir uns auch nicht mit seinen anderen Möglichkeiten beschäftigt. Uns war von Anfang an klar, dass wir mit Sasa weiterarbeiten wollen. Wir wissen, was wir an ihm haben und was wir ihm bieten: Monetär stehen wir vielleicht nicht an der Spitze, aber infrastrukturell und organisatorisch bestimmt. Sasa hat bei uns Sportdirektor Mithat Demirel an der Seite und den ganzen Klub hinter sich. Er kann sich in Ruhe auf seine Aufgaben und das Coaching konzentrieren. Und was nicht vergessen werden darf: Vor einem Jahr hatten wir die gleiche Meinung über ihn, obwohl wir in der ersten Playoff-Runde ausgeschieden sind.

SPOX: Bei "Sport1" sagten Sie, dass Bambergs neuem Trainer Andrea Trinchieri jeder Wunsch erfüllt werden und der Klub finanziell unter den Top-15 in Europa liegen würde. Die Äußerung kam in Bamberg nicht gut an.

Baldi: Grundsätzlich ist es ein fantastisches Zeichen, dass mit Trinchieri ein Trainer kommt, der die gesamte BBL bereichern wird. In Kasan wäre ihm wirklich jeder Wunsch erfüllt worden und er hätte in Kaviar baden können, dennoch kommt er nach Deutschland, weil die Perspektive der BBL stimmt. Meine Äußerung wurde zu sehr ins Abfällige gezogen. Was ich sagen wollte: In Bamberg ist es aktuell ein anderes Arbeiten als in Berlin. Die Brose Baskets müssen gute Argumente besitzen, wenn es möglich ist, Wunschspieler wie Trevor Mbakwe oder Carlon Brown unter Vertrag zu nehmen, die selbst von Euroleague-Sieger Maccabi Tel Aviv umworben waren.

SPOX: Die Euroleague führt das Financial Fair Play ein, um das Mäzenatentum vieler europäischer Topvereine zu beenden. Die BBL unterstützt das Vorhaben vehement. Ketzerisch gefragt: Wo liegt der Unterschied zwischen einem von einem Oligarchen unterstützten russischen Klub und Bamberg mit einem Milliardär im Hintergrund?

Philipp Neumann im SPOX-Interview

Baldi: Vorweg: Ich kenne keine wirtschaftlich solidere Basketball-Liga als die BBL - die NBA mal ausgenommen. Im europäischen Ausland gibt es Ligen, in denen Basketballer Millionen verdienen und vor 300 Zuschauern spielen. Das widerspricht jeder wirtschaftlichen Logik. Im europäischen Vergleich sind wir am weitesten, zusammen mit Frankreich und Spanien, wo die Kommunen als wichtigster Partner in Schwierigkeiten stecken und daher eine wichtige Säule wegfällt. Die deutschen Klubs hingegen sind es gewohnt, auf dem Markt zu bestehen. Das gilt auch für Bamberg. Es ist alleine die Sache von Herrn Stoschek, so viel Geld in den Klub zu investieren, wie er Lust hat. Das Entscheidende: Selbst wenn er die Lust verliert, besitzt Bamberg ein solch stabiles Fundament in einer großen Basketball-Gemeinde, dass nicht alles zusammenbricht. Womöglich geht es nicht auf demselben Niveau weiter, doch sie wären auf einem sehr ordentlichen Niveau überlebensfähig. Das ist der Unterschied: In vielen europäischen Ligen stehen Klubs nur auf einem Standbein.

SPOX: Deutlich mehr Spannungen als zu Bamberg sind zum FC Bayern zu vernehmen. Zuletzt beim BBL-Kickoff-Meeting in Berlin ließ Volker Stix, der stellvertretende Geschäftsführer des FCB, mit deutlichen Forderungen zu einer besseren Arbeit des BBL-Präsidiums aufhorchen. Sie sind als Vizepräsident Teil des BBL-Präsidiums.

Baldi: Ich habe null Probleme, wenn die Bayern ihre Meinung öffentlich kundtun - ganz im Gegenteil. Obwohl es wichtiger wäre, wenn sie tatsächlich mitarbeiten würden, um sich für ihre Belange einzusetzen. Wenn man etwas bewegen möchte, geht das nicht über die Medien, sondern effektiv nur in den Bundesliga-Gremien, wo sie zur aktiven Mitarbeit und Übernahme von Verantwortung eingeladen sind.

SPOX: Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Alba und Bayern beschreiben?

Baldi: Ende der 90er Jahre war ich in München mit dem Bestreben, die damaligen Verantwortlichen vom Basketball zu überzeugen, weil die Sportart aus meiner Sicht perfekt ins Profil passt. Basketball ist global, modern, jung und komplementär zum Fußball. Daher befürworte ich das gesamte Bayern-Basketball-Projekt. Ich sage einfach nur meine Meinung und sie ihre. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, halten sich die Entgleisungen im Rahmen.

Vasilije Micic im SPOX-Interview

SPOX: Nun ja: Svetislav Pesic wütete in den letztjährigen Playoffs ziemlich. Unter anderem hätten er und Emir Mutapcic die Alba-Dynastie begründet und verglich Sie mit einem Trittbrettfahrer mit den Worten: "Der Hund, den du fütterst, beißt dich am Ende." Waren Sie verletzt?

Baldi: Svetislav Pesic hat einen ordentlichen Anteil an der Entwicklung von Alba. Er kam 1993 zu uns und wir benötigten vier Jahre zur ersten Meisterschaft. Mit ihm folgten drei weitere Meisterschaften und wir gewannen zusammen den Korac Cup 1995. Ein Durchbruch für den gesamten deutschen Profi-Basketball. Ihm gebührt ein Ehrenplatz bei Alba. Was das Persönliche anbelangt: Svetislav Pesic genoss in Berlin eine hohe Anerkennung. Die hat er durch seine abstrusen, persönlichen Anfeindungen größtenteils eingebüßt. Ich werde öffentlich sicher nicht weiter darauf eingehen, das verbietet mir meine Erziehung. Richtig geärgert hat mich, dass er Emir Mutapcic in seine Tirade miteinbezogen hat. Ich habe Muki 1991 am Flughafen Schönefeld abgeholt, lange bevor Svetislav Pesic zu uns kam. Er war bei uns Spieler, Spielertrainer bei der zweiten Mannschaft, Talentförderer, dann Headcoach beim Profiteam mit drei gewonnenen Meisterschaften. Er ist einer der wichtigsten Architekten unseres Klubs. In der Öffentlichkeit wird das vielleicht anders gewichtet, weil er ein feiner, zurückhaltender Charakter und kein Lautsprecher ist. Innerhalb unseres Vereins wissen die Leute sehr genau einzuschätzen, von wem welche Beiträge geleistet wurden.

SPOX: Kaum versöhnlich scheint die Beziehung zwischen Alba und Ex-Spieler Heiko Schaffartzik, der 2013 nach München wechselte. Machte Berlin im Umgang mit ihm Fehler?

Baldi: Das sehe ich anders. Heiko ist ein Berliner Junge und hat schon dadurch viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er hat einen eigenen Kopf und es ist sicher kein Zufall, dass er in seinen ersten zehn Profijahren praktisch jede Saison zu einem neuen Verein ging. Er scheint mittlerweile als Spieler und als Mensch gereift zu sein und fand in München offenbar das, was er gesucht hat. Das freut mich aufrichtig für ihn. Es sind einige Dinge hochgekocht wie die Vorrichtung, die einige als Kreuz interpretiert haben, oder seine Verbeugungsaktion vor den Fans. Das sollte man alles als das sehen, was es ist, und nichts aufbauschen.

SPOX: Ist das möglich? Der "Berliner Kurier" geht so weit, dass er den FC Bayern häufig nicht mit dem Vereinsnamen nennt, sondern als Synonym das Wort "Mordor" nutzt. Die Gleichsetzung mit dem Ort des Bösen aus den "Herr der Ringe"-Büchern geht vielen Beobachtern zu weit.

Baldi: Das Phänomen, das vor allem im Boulevard Auseinandersetzungen im deutschen Basketball hochgekocht und verstärkt werden, ist neu. Da müssen wir aufpassen. In meiner Funktion als BBL-Vizepräsident wurde mir von den Bayern unterstellt, ich hätte es so eingefädelt, dass die Bayern ihr Playoff-Spiel in Ludwigsburg wiederholen müssen. Der Gedanke ist abstrus und bedeutet im Grunde, dass die Liga korrupt sei. Es darf sich niemand wundern, wenn so ein Vorwurf medial aufgenommen wird und Schaden anrichtet. Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel.

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SPOX: Die BBL steigert sich stetig und bietet mit dem Wettstreit von Alba, den Bayern und Bamberg den Nährboden für das weitere Wachstum des deutschen Basketballs. Wird dieser aber vom sportlich schwachen Abschneiden des DBB in Gefahr gebracht?

Baldi: Wir müssen uns die Frage stellen: Wie soll die zukünftige Zusammenarbeit zwischen der BBL und dem DBB konkret aussehen? Es gibt sie aktuell praktisch kaum. Bei allem gegenseitigem Respekt müssen wir jetzt die Kräfte bündeln. Vor ungefähr zehn Jahren fing die BBL an, sich quantifizierbare Ziele zu setzen und einen Businessplan aufzustellen. Seitdem messen wir uns konkret an Budgetzahlen, am Zuschauerinteresse, an der Quote an eingesetzten deutschen Spielern und so weiter. Ich glaube, dass der DBB jetzt so weit ist, sich ebenfalls messbare Ziele zu setzen. Denn erst so besitzen wir die Basis, um effektiv zusammenzuarbeiten und in eine Richtung zu rudern. Die Voraussetzungen sind gegeben. Mit dem neuen Vizepräsidenten Armin Andres verantwortet jemand den Leistungssport beim DBB, der die Motivation mitbringt, etwas zu bewegen. Dazu wird ein Gremium aus BBL- und DBB-Vertretern initiiert, die sich ähnlich wie früher der "Beirat für Spitzensport" zusammensetzt, um die vielen Themen anzugehen: Wie gehen wir mit den A-Nationalspielern um? Was ist mit den Juniorennationalspielern? Wie werden Spielpläne abgestimmt? Wie sieht die Trainerausbildung aus? Es gibt 1000 Themen. Wenn wir sie richtig angehen, werden wir alle erheblich profitieren.

Tim Ohlbrecht im SPOX-Interview

SPOX: Was ist mit der ungeklärten Frage, wer der neue Bundestrainer wird?

Baldi: Das ist die klare Aufgabe des DBB. Man hat sich sicherlich keinen Gefallen getan, in diesem Jahr so lange zu warten. Deswegen fand vor der EM-Qualifikation praktisch keine Kommunikation mit den Nationalspielern statt. Es kann sich niemand vom Verband beschweren, dass einige von ihnen an der Summer League teilnahmen oder sonstige Pläne hatten. Jetzt ist etwas Zeit da. Wichtig ist, dass die Anforderungen und das Profil genau definiert sind, um den passenden Trainer zu engagieren.

SPOX: Sie begleiten den deutschen Basketball seit 30 Jahren und erlebten viele Höhen und Tiefen der BBL und des DBB. Kennen Sie das Gefühl, dass Ihnen die Welt zu klein wird und Sie etwas Neues ausprobieren wollen? Sie sollen in der Vergangenheit Angebote aus dem Fußball erhalten haben.

Baldi: Es waren zwei Fußball-Bundesligisten dabei. Es gab andere interessante Optionen, Basketball-Klubs aus dem Ausland und einiges auf Verbandsebene. Ich sage das nicht, um zu kokettieren, sondern um zu verdeutlichen, dass ich keinen Karriereplan verfolge. Ich habe mir nie vorgenommen, 25 Jahre für Alba zu arbeiten. Genauso wenig hatte ich den Wunsch, bei der erstbesten Gelegenheit ein vermeintlich besseres Angebot anzunehmen. Jedes Mal, wenn ich in mich hineinhorche, weiß ich, dass mich Alba Berlin nach wie vor erfüllt und reizt.

SPOX: Bambergs ehemaliger Macher Wolfgang Heyder sprach immer ähnlich über seinen Klub und rückt nun - freiwillig oder nicht - in den Nachwuchsbereich zurück. Kommen Gedanken hoch, ob es einem irgendwann ähnlich ergehen könnte?

Baldi: Ich möchte die Vorgänge in Bamberg nicht bewerten, wobei ich es persönlich sehr bedauere. Es gibt alte Kempen wie Wolfgang oder früher Otto Reintjes, die Blut, Schweiß und Tränen investiert haben, um den Basketball voranzubringen. Daher habe ich eine Träne im Augenwinkel. Es kann wie bei Wolfgang bei mir mal der Punkt kommen, an dem ich feststelle, dass ich mich nicht mehr mit der Klubstruktur identifizieren kann. Oder umgekehrt. Ich habe Alba mit groß gezogen, sehe es wie ein eigenes Kind - und irgendwann wird man es loslassen. Aber es wird immer in meinem Herzen bleiben, egal was passiert.

SPOX: 2014 feiert Alba Berlin beziehungsweise der Vorgängerverein BG Charlottenburg das 25-jährige Jubiläum. Sie sind seit 24 Jahren dabei. Was macht die Faszination Alba aus?

Baldi: Es ist die gesamte Stadt Berlin. Als ich 1990 anfing, ging das fast zeitgleich einher mit dem Mauerfall. Ich konnte Teil dessen sein und dabei helfen, dass mit Alba ein Klub entstand, der Ost und West vereint. Ein Klub, der viele Erfolge vorweist, immer neue Wege ging, mittlerweile zum mitgliedstärksten deutschen Basketballverein geworden ist und mit seinem Wirken über 25 Jahre ein hohes internationales Ansehen aufgebaut hat.

SPOX: Die Anfangszeiten sollen vogelwild gewesen sein. Es heißt, Sie hätten im ersten Jahr nichts verdient. Wie wurden Sie überhaupt überzeugt?

Baldi: Von einem, den die gesamte Alba-Familie vermisst: Unser Mannschafts-Arzt Gerd-Ulrich Schmidt, der vor vier Jahren leider viel zu früh verstarb. Ich kannte ihn aus meiner aktiven Zeit. Als ich von Berlin nach Ludwigsburg gewechselt war und parallel mein Studium beendet hatte, rief er mich zwei Jahre lang bestimmt alle vier, fünf Wochen an und forderte mich auf: "Wir sind in Berlin soweit, alles steht, wir brauchen nur einen, der die Fäden zusammenbindet!" Ich dachte mir: Was gibt es Aufregenderes für einen basketballverrückten Menschen, als in Berlin etwas auf die Beine zu stellen? Ich traf mich also mit dem damaligen Präsidenten, mit dem ich einen Vertrag aufsetzte. Ich war wohl ziemlich blauäugig - und wurde gleich mit der Realität konfrontiert. Es war einfach gar nichts da und wir hatten drei Monate Zeit, um bis zum Saisonstart ein Team aufzustellen und das Nötigste für den Spielbetrieb zu organisieren. Ich bekam im ersten Jahr keinen Cent, der Präsident meinte: "Du bist der Manager, du besorgst die Kohle, also schau', wo du sie herkriegst." Natürlich hätte ich kündigen und wieder verschwinden können.

SPOX: Aber?

Baldi: Ich konnte in der Wohnung eines ehemaligen Mitspielers unterkommen. Es sollten eigentlich nur ein paar Wochen sein, es wurde allerdings über ein Jahr. Um etwas Geld zu verdienen neben der Arbeit für das Basketball-Projekt, kam ich kurz nach dem Mauerfall über einen anderen Kumpel zu einem Backkombinat, das von der Treuhand gerade übernommen wurde. Sie engagierten mich als eine Art Marketingberater. Für mich öffnete sich so eine komplett neue Welt. Es war tough. Zwei-, dreimal in der Woche fing ich morgens um 6 Uhr früh im Backkombinat an und fuhr dann um 9 Uhr rüber in den Westen, um von Grund auf einen Basketball-Verein aufzubauen. Meistens war ich bis Mitternacht unterwegs. Ich hatte also zwei komplett unterschiedliche, herausfordernde Projekte gleichzeitig - und für diese Einblicke bin ich bis heute sehr dankbar.

SPOX: Inwiefern?

Baldi: Nur ein paar Beispiele: Im Backkombinat waren an die 1500 Mitarbeiter - und im gesamten Betrieb nur ein Telefon. Besprechungen fanden mit bis zu 40 Leuten statt - und 10 Sekretärinnen tippten anschließend das Protokoll, weil es keinen Kopierer gab. In der Produktionshalle, wo die Backstraße stand, saßen zig Spatzen unter dem Dach, so dass man hier und da Vogelkot vom Brötchen wegwischen musste, bevor sie in den Verkauf gingen. Und alles wurde mit Bargeld bezahlt. Ich wusste nicht einmal, ob die Firma überhaupt ein Konto besaß. Meine Hauptaufgabe war allerdings, die ganzen Hasardeure, die aus dem Westen kamen, abzuwehren. Davon, eine Marke aufzubauen, waren wir himmelweit entfernt. Dafür war es ein tiefer, wertvoller Einblick beim Zusammenwachsen zweier Wirtschaftssysteme.

SPOX: Welchen Job hatten Sie vor der Zeit in Berlin?

Baldi: Ich hatte während des Studiums und dem Basketballspielen in Ludwigsburg nebenbei ein Praktikum bei einem Startup-Unternehmen absolviert, das schnell auf 250 Mitarbeiter wuchs. Die Firma war spezialisiert auf Hightech-Lösungen für Werkzeugmaschinen. Ich bekam das Angebot, nach dem Praktikum und ohne jede Berufserfahrung als Marketingleiter zu beginnen. Ich sollte ein Firmenmarketing aufbauen und hatte in meinem Büro zunächst nur ein leeres Blatt und einen Stift. Das war ähnlich wie bei Alba - nur dass ich Budget zur Verfügung hatte. (lacht) Ich bin sehr dankbar für die Chance und die Erfahrung, merkte aber nach einiger Zeit, dass die Branche nichts für mich war. Ich bin kein Technik-Freak und ich wollte immer meiner Leidenschaft nachgehen: Basketball.

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