Philipp Neumann geht in seine erste volle Saison bei den EWE Baskets Oldenburg. Vor dem Saisonstart der BBL spricht der Big Man über seinen Sommer bei den NBA-Teams und erklärt, weshalb es nicht mit einem Summer-League-Engagement geklappt hat. Zu den Geschehnissen bei den Brose Baskets Bamberg und in der Nationalmannschaft hat er eine klare Meinung.
SPOX: Herr Neumann, Sie hatten einen interessanten Sommer. Nach der Saison ging es in den USA und sie haben bei einigen NBA-Teams vorgespielt. Wie kam es dazu?
Neumann: Das gehörte einfach zum normalen Draft-Prozedere. Ich habe immer schon den großen Traum gehabt, es einmal in die NBA zu schaffen. Mir war immer klar, dass dies ein großer und gewagter Traum ist, aber ich habe alles daran gesetzt, mir diesen zu erfüllen. Ich bin über eine Agentur an die Teams in die USA herangetreten und habe mich zum Draft angemeldet. Dann werden sie auf dich aufmerksam und wenn man Glück hat, laden sie dich ein. Dadurch, dass ich im Gegensatz zu den meisten anderen Spielern, die dort vorspielen durften, nur einen sehr kurzen Zeitplan hatte, musste ich die Teams in relativ kurzer Zeit abarbeiten.
SPOX: Wie läuft so ein Empfang ab?
Neumann: Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin von Deutschland nach Philadelphia geflogen. Am Flughafen wurde ich dann von einem Limousinenservice abgeholt. Der Chauffeur hat mir sogar die Tür aufgehalten. Das war mir alles sehr unangenehm, weil ich sowas eigentlich gar nicht mag. Es gab aber auch die Variante, dass wirklich jemand vom Team kam und dich in Empfang nahm. Oder man sich ein Taxi nehmen musste und die Kosten anschließend erstattet bekam.
SPOX: War die Summer League ein Ziel?
Neumann: Ja, das war ein Ziel von mir, aber es hat sich kein Team gefunden, bei dem die Aussichten auf Spielzeit und das Spielen auf der richtigen Position gewährleistet gewesen wären. Es gab kein Team, das mir volles Vertrauen entgegengebracht hat. Dadurch habe ich mich entschieden, auf die Summer League zu verzichten und weiter an meinen Defiziten und meinem Körper zu arbeiten. Und natürlich auch ein bisschen Urlaub zu machen. Das hat mir diesen Sommer auch sehr gut getan.
SPOX: Ist das für die Zukunft eine Option?
Neumann: Ich habe mir damals gesagt, dass ich es einmal über den Draft versuchen werde und wenn es nicht klappt, kann der Weg für mich nur noch über gute Spiele in Europa gehen. Noch mal den Weg über die Summer League versuchen, ist für mich eigentlich keine Option.
SPOX: Wie war denn das Feedback der Coaches?
Neumann: So weit eigentlich ganz gut. Ich habe in Houston, Washington, Philadelphia, Milwaukee und bei den Clippers vorgespielt und bis auf ein Workout lief es ganz gut. Ich denke, man hat gemerkt, dass ich schon ein bisschen mehr Spielerfahrung habe als meine Gegner, dafür aber nicht den Körper, den sie haben. Am Ende fehlte vielleicht ein bisschen das Glück oder ich konnte nicht vollends überzeugen.
SPOX: Sie waren auch beim Eurocamp in Treviso und wurden dort als bester Power Forward ausgezeichnet. Bedeutet Ihnen diese Auszeichnung etwas?
Neumann: In der Regel bedeutet einem jede Auszeichnung etwas. Ich finde auch diese Auszeichnung sehr schön, allerdings muss ich gestehen, dass ich im gesamten Turnier vielleicht drei Minuten auf der Vier gespielt habe. Dadurch ist das vielleicht etwas kritischer zu sehen. Es gab bei dem Turnier viele gute Fünfer und wenig ausgebildete Vierer, vielleicht war ich mit jemandem gleich auf und sie wollten mir auch einen Preis geben.
SPOX: Kommen wir zur Nationalmannschaft. Warum waren Sie im Sommer nicht dabei?
Neumann: Ich war in den USA und wollte ja eigentlich auch Summer League spielen. Daher hatte ich von Anfang an gesagt, dass ich in diesem Sommer nicht in der Nationalmannschaft spielen möchte, weil ich wusste, was mit den NBA-Workouts auf mich zukommen wird. Ich wollte danach einfach auch ein bisschen Zeit für mich haben. Ich gehe in Oldenburg in mein letztes Vertragsjahr und will endgültig zeigen, was in mir steckt. Ich glaube, dass mir die Nationalmannschaft in diesem Fall nicht geholfen hätte.
SPOX: Wie haben Sie die Kritik an den Summer-League-Teilnehmern wahrgenommen? Haben Sie sich den Schuh auch selbst angezogen?
Neumann: Das ist ein sehr, sehr schwieriges Thema. Ich glaube, dass man die Spieler, die in die Summer League gehen, eher unterstützen sollte. Wenn ich es geschafft hätte, hätte ich mir den Schuh auch angezogen, aber die Kritik wäre an mir abgeprallt. Viele dieser Jungs, die dort hingefahren sind, haben einen Traum vor Augen. Und jemandem zu sagen, "Verfolge nicht deinen Traum", ist eine harte Aussage. Per Günther hat sich dazu ja auch geäußert. Dem muss man eigentlich nicht mehr viel hinzufügen. Wir wollen bessere Spieler in Deutschland und natürlich ist für die deutschen Spieler die NBA ein Traum. Wenn man dadurch leider erst verspätet zur Nationalmannschaft reisen kann, ist das dennoch im Bereich des Akzeptablen. Ich finde es schade, dass es deswegen Kritik hagelt. Man sollte die Spieler von Verbandsseite unterstützen und nicht kritisieren, weil beim DBB vielleicht aktuell keine Rosenzeit ist. Das ist der falsche Weg, aber ich möchte mit den Aussagen auch niemanden auf die Füße treten.
SPOX: Die EuroBasket steigt im kommenden Jahr teilweise in Deutschland. Ist das ein Ziel für Sie?
Neumann: Ich weiß nicht, wie die Saison verläuft, aber natürlich wäre es schön, eine EM in Deutschland zu spielen. Ich muss aber Step by Step denken. Wir sind aktuell noch in der Saisonvorbereitung und es ist für mich persönlich eine wichtige Saison. Wenn die Spielzeit zu Ende ist, kann man sich gerne darüber Gedanken machen, was im Sommer ist. Ich weiß nicht, ob ich verletzungsfrei bleibe oder was sonst passiert. Zudem ist der Sommer die einzige Zeit, in der man die Gelegenheit hat, an seiner eigenen Entwicklung zu arbeiten. Ein Wunsch wäre es auf jeden Fall, aber es kam auch von DBB-Seite die Aussage: "Wer bei der EM-Quali nicht mitmischt, wird es schwer haben, bei der EM dabei zu sein". Das kann ich in dem Fall auch verstehen, habe es aber in Kauf genommen.
SPOX: Das wird für Dirk Nowitzki wohl nicht gelten...
Neumann: Natürlich, es wäre dämlich, das auch für Dirk geltend zu machen.
SPOX: Wie sehen Sie die mögliche Teilnahme von Nowitzki? Ist er ein Gewinn für das Team oder besteht die Gefahr, dass sich alle anderen hinter ihm verstecken?
Neumann: Ich kenne ihn leider nicht persönlich, aber ein Spieler wie Dirk Nowitzki ist für jedes Team natürlich ein unfassbarer Gewinn. Allerdings haben auch die letzten Jahre ohne ihn gezeigt, dass wir langsam dahinkommen müssen, Spieler wie ihn zu entwickeln. Das geht nicht auf dem gleichen Niveau, aber wir müssen anfangen, Spielern wie Dennis Schröder, der einen ähnlichen Weg geht, mehr Verantwortung zu übergeben. Aber natürlich kann auch Dennis bei einem Turnier unendlich viel von Dirk lernen. Wir sollten uns allerdings nicht mehr zu einer Nation machen lassen, die sich nur auf Dirk verlassen kann.
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SPOX: Sie gehen jetzt in Ihre erste volle Saison in Oldenburg. Inwieweit hilft das im Gegensatz zum Vorjahr?
Philipp Neumann: Das Ganze hat natürlich viele Vorteile. Ich kenne die Mannschaft schon, bin mit den ganzen Abläufen vertraut und weiß, worauf ich mich bei Coach Machowski einlasse. Vor allem ist mir bewusst, wie extrem wichtig die Fans, die Menschen, die hier leben, für den Sport sind.
SPOX: Ihr Coach Sebastian Machowski möchte in dieser Saison weniger Punkte kassieren. Wird sich dadurch auch das Spiel der EWE Baskets verändern?
Neumann: Natürlich wird sich etwas ändern, aber nicht so gravierend, dass es irgendwie Probleme bereiten sollte. Wir haben mit Tywain McKee auf der Point-Guard-Position einen neuen Spieler. Das ist für ein Team immer eine Veränderung, aber er ist sehr defensiv-begeistert - wie auch Maurice Stuckey. Die Beiden machen uns stärker. Aber wir haben bislang in der Vorbereitung einfach auch ein größeres Augenmerk auf die Defensive gelegt.
SPOX: Sie hatten bereits den neuen Point Guard McKee angesprochen. Wie unterscheidet er sich zu Dru Joyce?
Neumann: Ich glaube, die beiden sind überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Daher ist es schwer zu sagen, wo sie sich genau unterscheiden. Sie sind komplett unterschiedliche Typen, auch abseits des Feldes. Auf dem Court wird man direkt sehen, dass Ty ein komplett anderer Spielertyp ist.
SPOX: Sie sprachen das Verhalten abseits des Courts an. Wie macht sich das bemerkbar?
Neumann: Dru ist ein sehr lustiger Mensch, der immer positive Energie ins Team gebracht hat. Dadurch, dass er schon einige Zeit hier gespielt und sich auch wohl gefühlt hat, präsentierte er sich natürlich automatisch ein wenig anders. Bei Ty spürt man einfach, dass er zuletzt in Russland gespielt und ihn das auch ein wenig gezeichnet hat. Ohne das jetzt böse zu meinen, er ist es nicht gewohnt, dass ein Team auch abseits des Feldes ein Team ist. Das ist in Russland einfach nicht so, das haben mir schon viele Spieler bestätigt. Aber man merkt bereits nach kurzer Zeit, dass er langsam auftaut.
SPOX: Mit Philipp Zwiener und Maurice Stuckey haben sich auch die deutschen Spots in Oldenburg leicht verändert. Sind die Deutschen in diesem Jahr mehr gefordert?
Neumann: Wir werden von Maurice in diesem Jahr sehr viel erwarten dürfen. Ich kenne ihn schon lange und halte defensiv wie offensiv sehr viel von ihm. Ich glaube, dass von den Deutschen nicht unbedingt mehr gefordert wird, aber wir eher die Chance haben, uns zu zeigen. Dadurch, dass letztes Jahr Dominik Bahiense de Mello zwar auch viel gespielt hat, aber leider gegen Ende nicht mehr die Leistung bringen konnte, wurden wir auch da bereits gefordert. Wir werden dieses Jahr verstärkt die Möglichkeit haben, zu zeigen, was in uns steckt.
SPOX: Sie sagten bereits, dass Sie sich auf Oldenburg konzentrieren wollen. Welche persönlichen Ziele haben Sie sich gesetzt?
Neumann: Meine persönlichen Ziele sind einfach: Ich will zu einem Spieler werden, der dem Team effektiv hilft. Ich möchte, dass die anderen Spieler gerne noch eine weitere Saison mit mir spielen wollen, dass sie merken, dass wir gut harmonieren. Wenn ich jetzt sagen würde, ich will 20 Punkte machen, wäre es relativ egal, wenn das Team schlecht aussieht. Ich war sehr zufrieden mit meiner letzten Saison hier in Oldenburg und möchte einfach noch eine Schippe drauflegen. Ich will noch mehr von Spielern wie Julius Jenkins oder Ricky Paulding, der hier in Oldenburg eine Legende ist, aufsaugen.
SPOX: Warum läuft es für Sie in Oldenburg besser als in Bamberg?
Neumann: Das ist eine sehr schwierige Frage. Als ich auf dem Weg nach Oldenburg war, war Bamberg schon nicht mehr das, was es mal war. Damit meine ich nicht die Fans, die Sponsoren oder die generelle Freundlichkeit, die Basketballern in Bamberg entgegengebracht wird, sondern intern. Ich sage das auch in einem traurigen Ton. Es war einfach nicht mehr dieses unfassbare, erfolgsgeile Team der vergangenen Jahre. Es gab Schwierigkeiten, die von außen falsch aufgenommen wurden, wo wir nicht die Chance bekommen haben, als Team daran zu arbeiten. Es wurden direkt Vorkehrungen getroffen, die eher nicht vom Trainerteam ausgingen. Ich möchte jetzt auch keine Namen nennen und kann es auch nicht zu 100 Prozent bestätigen, es ist aber meine persönliche Meinung. Das werden die Oldenburger Fans vielleicht nicht so gerne hören, aber ich hatte ja auch eine gute Saison in Bamberg. Ich habe eine Saison mitgewonnen. Dann habe ich schlecht angefangen und es lastete extrem viel Druck auf dem Trainer und auch auf mir. Ich war diesem Druck vielleicht einfach noch nicht gewachsen. Und als dann die Möglichkeit kam, nach Oldenburg zu gehen, war die Motivation und die Lust kaum zu steigern. Ich wurde hier perfekt aufgenommen und habe mich sofort wohlgefühlt. Letztlich sind wir alle keine Roboter, aber ich denke, das ganze Gefüge hier war ein großer Faktor dafür.
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SPOX: Haben Sie noch Kontakt nach Bamberg?
Neumann: Sicherlich. Bamberg ist neben Oldenburg die Stadt, in der mein Leben stattfindet. Ich bin immer noch häufiger dort, auch wenn es schwierig ist, weil beide Städte 560 km auseinander liegen. Aber ich habe auch noch zu Spielern Kontakt, zu meinem alten Physiotherapeut oder auch zu Freunden, die ich außerhalb des Basketball habe. Ich hoffe, dass dieser Kontakt nie abbrechen wird.
SPOX: Wie sehen Sie Bamberg nach dem Neuaufbau?
Neumann: Ich habe keine Ahnung. Es kann wirklich ein Team sein, das mit München konkurrieren kann, aber es kann auch ein Team sein, dem man zu viel auferlegt hat und das zu sehr verändert wurde. Dann kann es auch nach hinten losgehen. Es ist nicht mehr das Bamberg, aber es ist etwas Neues.
SPOX: Sind die Bayern erneut das Team, das es zu schlagen gilt?
Neumann: Ich glaube schon. Erst recht jetzt mit Anton (Gavel, Anm. d. Red.), mit dem ich die Ehre hatte, jahrelang zusammenzuspielen. Sie haben mit ihm einen unglaublichen Charakter hinzubekommen. Dazu haben sie auf der Fünf Vladimir Stimac geholt, der extrem stark spielt. Die Münchner wissen, wie man Basketball spielt. Sie werden die Favoritenrolle als amtierender Meister haben und ich denke, es wird am Ende wieder heißen: "Beat Bayern, sonst wird es nichts".
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SPOX: Und was ist mit Oldenburg?
Neumann: Wir werden in den Medien wieder so gar nicht gehandelt. Alle reden nur von den drei großen B's. Aber wir können wieder einiges schaffen. In den letzten beiden Jahren hatte Oldenburg auch kaum einer auf dem Schirm. Vor zwei Jahren ging es ins Finale, letzte Saison haben wir Bayern im Halbfinale in ein fünftes Spiel gezwungen. Wir sind stärker als im Vorjahr und ich traue uns alles zu, aber jetzt zu sagen "Wir werden Deutscher Meister", ist sicher zu hoch gegriffen. Gerade bei der Konkurrenz kann alles passieren. Man kann Bamberg überhaupt nicht einschätzen, die Bayern haben sich verstärkt, ich habe Quakenbrück noch nie so stark gesehen und auch Ulm hat sich mit überraschenden Namen verstärkt. Mein persönliches Ziel wäre dieses Mal, ein fünftes Spiel zu gewinnen und ins Finale einzuziehen.
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Philipp Neumann im Steckbrief