Ein NBA-Spektakel in München, die nächste Erhöhung des Budgets, das Werben um Tibor Pleiß: Im großen SPOX-Interview enthüllt Geschäftsführer Marko Pesic den Masterplan der Bayern-Basketballer. Aber was läuft mit Red Bull? Warum müssen Robin Benzing und Lucca Staiger um ihre Zukunft kämpfen? Und weshalb sind die Bayern nicht an Per Günther, dem heißesten Free Agent des Sommers, interessiert?
SPOX: Herr Pesic, von Mitte Januar bis Mitte Februar trifft der FC Bayern in der BBL ausnahmslos auf unterlegene Mannschaften aus dem Tabellen-Mittelfeld oder darunter. Im Eurocup stand die Teilnahme am Achtelfinale bereits nach vier von sechs Zwischenrunden-Spielen vorzeitig fest. Ist es derzeit so entspannt, wie es klingt?
Marko Pesic: Überhaupt nicht. Wir befinden uns sportlich in einer sehr spannenden Phase. Nachdem wir eine schwierige, sehr schwierige erste Saisonhälfte hinter uns brachten, sieht man jetzt am Horizont, wozu die Mannschaft fähig ist. Und wirtschaftlich werden in diesen Wochen die entscheidenden Weichen gestellt für die nächste Saison, um Sponsoring-Verträge zu verlängern und gegebenenfalls neue Partner zu finden. Von daher kann von Entspannung keine Rede sein. Das ist allerdings kein Problem, wir können mit dieser Anspannung gut leben.
SPOX: Angesichts der bisher wechselhaften Saison fällt es schwer, den Leistungsstand Ihrer Mannschaft zu bewerten. Welche Schulnote würden Sie für die erste Saisonhälfte vergeben?
Pesic: Die Ausschläge im Sport sind so extrem, die Höhen und Tiefen kommen in einer solch schnellen Frequenz, dass man unseriös wäre, schon jetzt eine Schulnote zu vergeben und ein Fazit zu ziehen. Am 4. Januar haben wir das BBL-Spiel in Bamberg mit 17 Punkten verloren - und exakt zehn Tage später in das Eurocup-Spiel Bamberg nach einer fast perfekten Leistung mit 38 Punkten gewonnen. Was sagt uns das? Vor allem eins: Dass eine Bewertung, Stand jetzt, keinen Sinn ergibt.
SPOX: Ihr Vater Svetislav Pesic hingegen hat als Head Coach immer wieder seine Unzufriedenheit bekundet und die Einstellung der Mannschaft, vor allem in der Verteidigung, in Frage gestellt.
Pesic: Die Mannschaft tat mir allerdings auch etwas leid. Denn seit dem Saisonstart war alles ein Kampf. Ein Kampf, dass alle gesund werden und fit bleiben - und dann geht mit der nächsten Verletzung alles wieder von neuem los. Wie jetzt: Wir waren gerade einmal zwei Wochen mit unserem ursprünglichen Kader komplett - und dann verletzt sich Nihad Djedovic wieder so schwer, dass er bis April fehlen wird. Wenn gleichzeitig die Leistungen nicht stimmen, entsteht eine große Frustration. Seit dem neuen Jahr ist die Grundstimmung aber deutlich positiver und es gilt, diese besondere Atmosphäre zu schützen.
SPOX: Das Verletzungspech ist auffällig. Können die Ausfälle die teils sehr nachlässige Defense entschuldigen?
Pesic: Man muss differenzieren: Es stimmt, dass es in der Eins-gegen-eins-Defense sehr oft um die Einstellung des Spielers geht und nicht um die Verletzungen anderer. In der Team-Defense hingegen sind Automatismen elementar, das beginnt schon im Training, daher hatten wir in dem Punkt solche Probleme. Wobei ich mir gewünscht hätte, dass wir trotz aller Probleme besser und vor allem konstanter verteidigt hätten. Jetzt geht es darum, die von Saisonstart an starke Offense und die Defense zu synchronisieren. Über die gesamten 40 Minuten eines Spiels gelingt es uns immer noch nicht, aber es wird spürbar besser.
SPOX: Svetislav Pesic haderte nicht nur mit den Ausfällen und der Defense, sondern mit der generellen Qualität des Kaders. Im Dezember wandte er sich explizit an die Medien, um seiner Forderung nach mehr Budget Nachdruck zu verleihen.
Pesic: Das hat er so gar nicht gesagt. Und Trainer dieser Kategorie sind nie zufrieden. So ticken sie und das ist der Grund, weshalb sie so viel erreicht haben. In ihm steckt noch viel Energie und manchmal sagt er eben, was er denkt. Ob er damit etwas bezwecken wollte? Da müsste man ihn selbst fragen.
SPOX: Sein Vertrag läuft nach dieser Saison aus.
Pesic: Wir setzen uns im Laufe des Februars zusammen.
SPOX: Wie kann man es sich vorstellen, wenn der Geschäftsführer und Sohn mit dem Trainer und Vater verhandelt?
Pesic: So ist es ja nicht, die Gespräche laufen immer in einem angemessenen Rahmen ab. Das Präsidium und Volker Stix als mein Geschäftsführer-Kollege werden ebenfalls am Tisch sitzen und wir werden sehen, wie die Perspektive ist.
SPOX: In der Basketball-Szene geht jeder davon aus, dass der Trainer bleibt.
Pesic: Was klar ist: Nicht jeder Trainer kann eine Mannschaft wie den FC Bayern übernehmen. Wir verlangen nicht nur, dass jemand ein-, zweimal am Tag das Team trainiert und es auf ein Spiel vorbereitet. Wir brauchen jemanden, der unsere Spielphilosophie und das System mitträgt, das bis runter in den Jugendbereich reicht. Von solchen Kalibern gibt es nicht viele, und er gehört zu ihnen. Wir sind beiderseitig mit dem Ist-Zustand zufrieden und jetzt hängt es davon ab, ob eine Situation darstellbar sein wird, die für den Klub passt und ihn zugleich motiviert, weiterzumachen.
SPOX: Stimmt es, dass Sponsoren Schlange stehen und die Bayern-Basketballer das Budget erneut erhöhen können?
Pesic: Bei den Sponsoren verfolgen wir zwei Grundprinzipien. Erstens: Wir gehen nicht raus und sprechen 30 Unternehmen an. Stattdessen möchten wir einen geschlossenen kleinen Kreis an potenten Sponsoren mit internationalem Gewicht, mit denen wir gemeinschaftlich etwas aufbauen können. Zweitens: Wir wollen mit den Partnern Kontinuität leben und ihnen unsere gemeinsame Perspektive aufzeigen. Daher sind wir zuversichtlich, dass wir unser Budget weiterentwickeln und verbessern werden. Es kann nicht unser Ziel sein, zu stagnieren und zu verwalten. Ob zusätzliche Mittel komplett in die Mannschaft investiert werden oder an der Halle und Infrastruktur gearbeitet wird, müssen wir gemeinsam mit dem Präsidium entscheiden. Wie auch immer: Wir werden unserem Trainer, wer immer es sein wird, für die nächste Saison sehr gute Voraussetzungen bieten können.
SPOX: Zuletzt wurde Svetislav Pesic von Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer bei einem Termin mit Fußball-Journalisten in den höchsten Tönen gelobt. Was steckt dahinter?
Pesic: Matthias Sammer ist jemand, der über den Tellerrand hinausschaut. Ein Beispiel: Ich selbst habe die Handball-WM sehr intensiv verfolgt - und das vor allem wegen Katar. Von den sicher berechtigten Diskussionen über die Einbürgerungen abgesehen, ist es aus sportlicher Sicht doch sehr interessant und bemerkenswert, was Katar gelungen ist. Der Nationaltrainer Valero Rivera hat es in kurzer Zeit geschafft, aus Einzelspielern unterschiedlichster Länder eine Mannschaft mit einer spielerischen Identität zu formen. So etwas ist spannend und genau das, woran auch Matthias interessiert ist. Wie funktioniert eine andere Sportart? Welche Methoden der Personalführung gibt es?
SPOX: Das Bayern-Basketball-Projekt wurde maßgeblich von Uli Hoeneß initiiert. Zu den Verantwortlichen der restlichen Fußball-Abteilung war eine gewisse Distanz zu vernehmen. Spüren Sie nun eine größere Unterstützung von den Fußballern?
Pesic: Ich habe schon den Eindruck, dass wir noch mehr als zu Beginn in der großen Bayern-Familie angekommen sind, unsere Arbeit geschätzt und als Bereicherung der Weltmarke FC Bayern gesehen wird. Was das Sportliche anbelangt, bewegen wir uns in der Zusammenarbeit sicherlich auf einem sehr hohen Niveau, seit Matthias Sammer und Pep Guardiola da sind. Mein Vater kennt Pep von der gemeinsamen Zeit beim FC Barcelona sehr gut und sie tauschen sich regelmäßig aus. Pep ist ein großer Basketball-Fan und das gegenseitige Verständnis ist groß. Daher hilft man sich und wir profitieren vor allem in der medizinischen Abteilung sehr.
VOTING Wie würde Euer EM-Kader aussehen?
SPOX: Die Basketballer wurden wie die Fußballer deutscher Meister. Doch zum ganzheitlichen Ansatz des Vereins gehört es, eine starke Nachwuchsabteilung zu besitzen. Wie weit sehen sie sich?
Pesic: Wir haben es vorher nie öffentlich gesagt, aber intern ist es definitiv so: Die Entwicklung der Jugendabteilung ist uns genauso wichtig wie die Erfolge der Profimannschaft. Als wir anfingen, hatten wir mit Bogdan Radosavljevic nur einen Jugend-Nationalspieler - jetzt sind es neun. Wir investieren sehr viel, um das zu fördern. Diese Tatsache wird bei den ewigen externen Debatten über unser Budget leider vernachlässigt. Beim Nachwuchs sind wir noch viel geduldiger als beim Profiteam: Titel im Nachwuchsbereich sind uns zwar wichtig, aber nicht das primäres Ziel. Es geht darum, nachhaltig Talente zu fördern und ich sehe bei uns vier, fünf Nachwuchsspieler, die ein unglaubliches Potenzial besitzen und mittelfristig in die erste Mannschaft aufrücken könnten. Mein großes Ziel ist es, diese Durchlässigkeit zu fördern. Bei Alba Berlin habe ich erlebt, wie es ist, mit vier, fünf Freunden die Jugendteams zu durchlaufen und plötzlich bei den Profis gemeinsam die deutsche Meisterschaft zu gewinnen und im Nationalteam Erfolge zu feiern. Nur so entsteht eine Identifikation im gesamten Verein.
Seite 1: Pesic über den Saisonverlauf, neue Sponsoren und Matthias Sammer
Seite 2: Pesic über die Entwicklungen der Bayern-Spieler und Interesse an Per Günther
Seite 3: Pesic über die NBA in München, Red Bull und die Beziehungen zum DBB
SPOX: Die Bayern verpflichteten letztes Jahr aus Jena den 19-jährigen Daniel Mayr, 2,17 Meter großer Center und eines der interessantesten Basketball-Talente überhaupt. Wie weit ist er? Kann er aufgrund seiner Größe zum nächsten Tibor Pleiß werden?
Pesic: Das sind zwei unterschiedliche Spielertypen. Daniel verfügt über sehr viel Talent im Spiel mit dem Gesicht zum Korb und besitzt bei seinen 2,17 Metern einen unglaublich guten Schuss. Aber er muss am Spiel mit dem Rücken zum Korb arbeiten. Unsere Überlegung lautete, dass wir eine Saison benötigen werden, um Daniel an die erhöhten Trainingsanforderungen und an die neue Umgebung zu gewöhnen. Wobei sich Daniel speziell seit Januar so gut macht, dass wir ihn schon früher nach oben ziehen könnten. Paul Zipser ist für so einen behutsamen Weg ein gutes Vorbild.
SPOX: Zipser kam Anfang 2013 ebenfalls als halbfertiger Profi zu den Bayern und wird von vielen Experten als nächster europäischer Superstar bezeichnet. Wie weit ist er?
Pesic: Paul ist seit zwei Jahren bei uns und davon musste er ein Jahr verletzt aussetzen, was seiner Entwicklung natürlich nicht geholfen hat und mental sehr schwierig zu meistern war. Viele hätten nach so einer Zeit aufgegeben, wären in Selbstzweifel versunken - und hätten das Abitur nachgemacht oder studiert, um ein zweites Standbein aufzubauen. Das Interessante: Paul hat sich in der schweren Phase definitiv für den Basketball entschieden. Dieses Commitment ist sein großes Plus. Charakterlich hat er ohnehin keinen Makel und er ist einer der am härtesten arbeitenden Spieler in der Mannschaft. Momentan befindet er sich sportlich zwar noch in einer Periode, in der er sich finden muss, dennoch ist klar: Er bringt alle Voraussetzungen mit, um zu einem europäischen Topspieler zu werden.
SPOX: Ein denkbares Szenario für die kommende Saison: Die Offense wird um die Allrounder Zipser und Nihad Djedovic konzipiert. Zwei Flügel-Spieler, die für Ihre Positionen sehr groß sind, das Spiel gestalten können und gut mit dem Ball umgehen.
Pesic: Beide machen uns variabler. Paul kann nicht nur als Shooting Guard und Small Forward spielen, sondern mit seinen 2,04 Metern und seiner Athletik auch als Power Forward. Und Nihad ist für mich einer der, wenn nicht der athletischste Spieler auf den Außenpositionen. Ich kenne keinen, der mit dem Ball in der Hand schneller und effektiver ist als er. Und mit dem stabileren Wurf, den er sich bei uns angeeignet hat, wurde er schwerer auszurechnen. Sein größtes Problem ist und bleibt, dass sein Angriff von der Verteidigung abhängt. Dass er in der Defense unglaublichen Druck auf den Gegenspieler ausüben kann, bewies er beim Bamberg-Sieg gegen Brad Wanamaker. Vom Potenzial her ist Nihad einer der besten Verteidiger der Liga. Wenn er das konstanter zeigt, würde ihm die Offense noch leichter fallen. Um ein kompletter Spieler der europäischen Topklasse zu sein, fehlt ihm noch diese Dimension. Aber jetzt soll er erstmal wieder gesund werden.
SPOX: Wie zufrieden sind Sie mit Vasilije Micic, dem 21-jährigen Point Guard?
Pesic: Dass Vasa wegen einer komplizierten Verletzung ausgerechnet am Wurfarm acht Wochen aussetzen musste, war großes Pech. Sonst wäre er noch weiter. Vasa ist vom Intellekt her unglaublich weit, mit dem Kopf eines 30-jährigen Point Guards. Außerdem habe ich selten einen jungen Spieler gesehen, der so auf den Körper achtet und ihn pflegt. Daher bin ich mir sicher, dass er das Potenzial hat, eine verlorene Spezies an Aufbauspielern wiederzubeleben. Mitte des letzten Jahrzehnts gab es große Point Guards, die groß und sehr spielintelligent waren: Zoran Planicic, Marko Jaric, Theodoros Papaloukas, Dimitrios Diamantidis. Auf einmal waren sie nicht mehr in Mode und es kamen schnelle, athletische Point Guards von 1,90 Metern und noch kleiner. Daher muss sich Vasa erstmal im Point-Guard-Haifischbecken zurechtfinden. Ich traue es ihm zu, eine Renaissance einzuleiten.
SPOX: Dennoch hat sich in dieser Saison die Spielmacher-Position als eine der Schwachstellen erwiesen. In der Euroleague zeigten sich die Bayern von einigen gegnerischen Point Guards überfordert, so gelangen Fenerbahces Andrew Goudelock im Audi Dome 34 Punkte und im wichtigen Auswärtsspiel in Mailand Daniel Hackett 25 Zähler.
Pesic: Goudelock und Hackett sind absolute europäische Spitzenklasse und ein Vergleich mit unseren Point Guards ist nicht ganz fair, weil sie Combo-Guards sind und nicht das Spiel gestalten müssen. Hackett hat in Mailand Joe Ragland an der Seite und Goudelock spielt bei Fener mit Ricky Hickman, Emir Preldzic, Bogdan Bogdanovic oder Nemanja Bjelica zusammen, die alle Point-Guard-Skills mitbringen. Trotzdem stimme ich zu: Wir haben nicht immer Wege gefunden, diese scorenden Combo-Guards zu verteidigen. Das Bittere: Wir waren eigentlich gut genug für die Euroleague, doch wir konnten nie das Bestmögliche abrufen. Ich hätte gerne gesehen, wie sich ein topfitter Bryce Taylor gegen Goudelock angestellt hätte. Oder wir hätten Anton Gavel gern gesagt: "Du nimmst jetzt den Hackett und machst ihn fertig!" Aber das besagte Spiel in Mailand, das am Ende entscheidend war für das Ausscheiden, war eben Antons Comeback nach vier Wochen Pause.
SPOX: In dieser Phase sorgte Svetislav Pesic mit der Aussage, Heiko Schaffartzik sei als Point Guard überfordert, für Erstaunen.
Pesic: Nein, der Coach meinte nicht überfordert, sondern überlastet, was faktisch stimmt. Er konnte ihm nie eine Pause geben. Wegen den Verletzungen musste Heiko durchspielen, nachdem er im Sommer schon für den DBB an der EM-Quali teilnahm.
SPOX: Nach dieser Saison läuft der Vertrag von Schaffartzik aus, ebenso wie bei Robin Benzing und Lucca Staiger. Wie sehen Sie die Zukunft der drei Nationalspieler?
Der große DBB-Kader-Check: Die Angst geht um
Pesic: Jeder Spieler erhält die Chance, nächste Saison bei uns zu sein. Nur: Wer bleiben will, muss es mit Leistung hinterlegen. Und das nicht nur im Spiel, sondern in jeder Trainingseinheit. Wir achten sehr genau darauf, wer fleißig ist, sich ins Team eingliedert und alles unternimmt, um dem Kollektiv zu helfen.
SPOX: Vor allem an Benzing scheiden sich die Geister. Es heißt, er würde sich von der Kritik der Medien, dass er stagniert, noch zu sehr verunsichern lassen.
Pesic: Robin hat im Verein ein hohes Standing, vor allem das sollte ihm wichtig sein. Er ist alt genug, um es zu verarbeiten und man darf erwarten, dass er nicht alles ernstnimmt, was über ihn geschrieben wird. Er ist 26 und hat an vier Großturnieren teilgenommen - und wie vor vier Jahren bin ich weiter der festen Überzeugung, dass er alles für den FC Bayern mitbringt. Jetzt hat er die Phase erreicht, in der von ihm erwartet wird, dass er mehr Verantwortung übernimmt. Und das nicht nur für sein Spiel, sondern für das Spiel der gesamten Mannschaft. Ich bin gespannt, wie er das in der restlichen Saison umsetzt.
SPOX: Bei Staiger stehen die Zeichen auf Trennung? Er wird gelegentlich nicht mal mehr eingewechselt.
Pesic: Viele schätzen es falsch ein, aber Lucca bekommt fast genauso viele Minuten wie im Vorjahr. Wir verfügen über einen großen Kader und nicht jeder kann immer viel spielen. Luccas Qualität ist der Schuss von außen. In Europa kenne ich nicht viele, die sich einen so perfekten Wurf antrainiert haben wie er. Er wird wie im Vorjahr als Spezialist gefragt sein. Bezüglich einer Vertragsverlängerung gilt für ihn das gleiche wie bei Robin: Wenn sie spielen, muss man von ihnen erwarten, dass sie Leistung bringen. Ich bin mir daher sicher, dass Lucca in dieser Saison für uns ein wichtiger Spieler sein wird.
Günther im Interview: "Arroganz war mein Panzer"
SPOX: Beim packenden Heimsieg der Bayern gegen Ulm kam es zu einem spannenden Eins-gegen-eins-Duell zwischen Schaffartzik und Per Günther. Beide sind Point Guards, beide sehen sich als Leader des DBB-Teams und beide sind nach dieser Saison vertragslos. Günther gilt sogar als einer der heißest umworbenen Free Agents der BBL und wurde von Bundestrainer Chris Fleming explizit gelobt. Ist ein Spielmacheraustausch denkbar?
Pesic: Erstens ist Heiko der Kapitän der Nationalmannschaft und Chris Fleming weiß genau, was er an ihm hat, genau wie wir. Zweitens schließe ich aus, dass Per für uns ein Thema wird. Wir haben zudem auf der Point-Guard-Position so viele Optionen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass der FC Bayern interessant für Per ist.
Seite 1: Pesic über den Saisonverlauf, neue Sponsoren und Matthias Sammer
Seite 2: Pesic über die Entwicklungen der Bayern-Spieler und Interesse an Per Günther
Seite 3: Pesic über die NBA in München, Red Bull und die Beziehungen zum DBB
SPOX: Die Bayern legen Wert darauf, dass ein Neuzugang den Level des Teams hebt. Ein struktureller Nachteil der Bayern beim Wettbieten ist allerdings die Monetarisierung der Heimspiele. Der Audi Dome hat mit 6700 Zuschauern nicht einmal die Hälfte des Fassungsvermögens der Berliner O2 World. Wie weit sind die Planungen bezüglich der Red-Bull-Arena?
Pesic: Ich bezweifle, dass sie Red-Bull-Arena heißen wird. Es wird eine Arena, die von Red Bull gebaut wird, und es gibt nun die Zustimmung der Stadt München, das Vorhaben zu unterstützen. Das ist der aktuelle Stand. Doch konkrete Gespräche, wie die Zusammenarbeit zwischen Red Bull und Bayern München aussehen soll, stehen erst noch an. Die Fertigstellung dürfte vor 2018 ohnehin nicht in Frage kommen. Das Bayern-Präsidium kümmert sich darum, dieses Projekt gemeinsam mit Red Bull zu erörtern und gegebenenfalls zu entwickeln. Wir sind mit dem Audi Dome sehr zufrieden und finden hier eine perfekte Situation vor: Eine Heimstätte für alle Trainingseinheiten, alle Heimspiele und für die gesamte Geschäftsstelle.
SPOX: Blicken Sie nicht neidisch auf Alba, das dank der O2 World pro Spiel 5000 bis 10.000 Zuschauer oder sogar ein NBA-Team wie die San Antonio Spurs empfängt?
Pesic: Es steht außer Frage, dass uns eine höhere Kapazität gut tun würde. Dennoch ergibt der Vergleich zu Berlin keinen Sinn. Die O2 World hat ja nicht so viel mit Alba zu tun, sondern wurde von der Anschutz Entertainment Group gebaut, die ebenfalls die Hallen in London oder Istanbul betreibt. Deswegen reisen die NBA-Teams in diese Städte. Alba profitiert davon. Ich gehe aber mittelfristig davon aus, dass NBA-Teams zu uns nach München kommen.
SPOX: Sie waren Anfang Januar in New York. Stimmt es, dass Sie im Austausch mit der NBA stehen?
Pesic: Ich wollte mir die Arena der Brooklyn Nets anschauen und den engen Kontakt zur NBA pflegen. Ich bin gespannt, was in der nächsten Zeit passiert.
SPOX: Die Olympiahalle, die größte in München, ist mit rund 12.500 Plätzen gleichfalls limitiert. Ist das kein Ausschlusskriterium für die NBA?
Pesic: Unrealistisch ist gar nichts. Es gibt keine Probleme, sondern nur Lösungen und alles ist möglich. Vielleicht können wir irgendwann in der Allianz Arena spielen. Es gibt viele Optionen.
SPOX: Wie ist es um die lose Kooperation mit den Oklahoma City Thunder bestellt?
Pesic: Wir stehen immer wieder in Austausch. Wir laufen nicht blind durch die Welt, sondern sind neugierig, wie andere Organisationen mit Herausforderungen umgehen. Den Thunder erging es mit der Verletzung von Kevin Durant und Russell Westbrook ja ähnlich und wir tauschen uns über solche Themen aus. Wir haben ein exzellentes Verhältnis zueinander.
SPOX: Auf den großen Positionen könnte bei den Bayern eine Zäsur anstehen. Von Dusko Savanovic abgesehen sind alle Center und Power Forwards nach der Saison ungebunden: John Bryant, Vladimir Stimac, Jan Jagla, Yassin Idbihi. Helfen die Verbindungen zu den Thunder, um Tibor Pleiß nach München zu locken? Oklahoma City hält die Rechte am Center, der diese Saison beim FC Barcelona spielt und um seine Minuten kämpfen muss.
Pesic: Wenn Tibor anruft und sagt, dass er in Barcelona unzufrieden ist, lege ich sofort auf, steige ins Auto und hole ihn persönlich ab. In dem Moment, in dem er etwas anderes machen will und Bayern eine Option ist, werden wir alles versuchen. Ich weiß nicht, wie realistisch das ist. Tibor hat sich überall durchgesetzt: Erst in Bamberg, dann in Vitoria, und er hat das Talent, sich auch jetzt bei Barca durchzukämpfen. Das wird er schaffen.
SPOX: Mit Pleiß hätten die Bayern zumindest wieder einen weiteren Leistungsträger in der deutschen Nationalmannschaft. Es ist nicht ganz unrealistisch, dass nur Schaffartzik für die EM 2015 nominiert wird.
Pesic: Benzing und Zipser sind ebenfalls No-Brainer für die EM.
VOTING Wie würde Euer EM-Kader aussehen?
SPOX: Es bleibt die Frage: Streben die Bayern-Basketballer nicht an, wie im Fußball den Kern der deutschen Nationalmannschaft zu stellen?
Pesic: Unser primäres Ziel lautet nicht, dass ein Bayern-Profi im DBB-Team spielt. Es ist ja nicht nur von Vorteil. Heiko, Robin und Lucca hatten nach der Meisterschaft 2014 rund eine Woche Pause und stiegen dann beim DBB in die Vorbereitung zur EM-Quali ein. Als das geschafft war, ging es mehr oder weniger direkt in unsere Saisonvorbereitung. Einige Profis anderer Teams standen dem DBB hingegen wegen irgendwelcher Entschuldigungen nicht zur Verfügung. Wir werden immer unsere Spieler abstellen, weil wir wissen, wie wichtig eine Nationalmannschaft für die Entwicklung des deutschen Basketballs ist. Abgesehen davon weiß ich nicht, wo der große Vorteil sein soll, dass ein Bayern-Profi wegen der Nationalmannschaft ein Jahr durchspielt. Wir beten jeden Tag, dass sich niemand verletzt, wenn sie beim DBB sind.
SPOX: Hat sich das Verhältnis zwischen dem DBB und den BBL-Klubs nicht verbessert? Spätestens mit der Ernennung von Chris Fleming?
Pesic: In der Vergangenheit gab es fast keine Zusammenarbeit zwischen dem DBB und der BBL. Es war eher ein Arbeiten neben- oder gegeneinander. Seitdem Armin Andres im Verband als Vizepräsident für den Bereich Leistungssport zuständig ist, haben wir endlich einen, der selbst aus dem Sport kommt, selbst Spieler und Trainer war. Er weiß, wie Basketball funktioniert und kann es vermitteln. Dank ihm geht es in die richtige Richtung. Die Beziehungen zu den Klubs haben sich verbessert. Und Chris Flemings Ernennung zum Bundestrainer war richtig, weil er in seinem Leben schon etwas erreicht und aufgebaut hat. Gemeinsam mit Armin Andres funktioniert das gut.
SPOX: Svetislav Pesic hätte sich gewünscht, in Doppelfunktion den DBB-Job zu übernehmen, doch das scheiterte am Veto der BBL. Zugleich wurde Ludwigsburgs Vorsitzender Alexander Reil zum neuen BBL-Präsidenten gewählt, der damit ebenfalls zwei Ämter innehat. Wie lässt sich das erklären?
Pesic: Indem man sich vor Augen hält, dass die erste Entscheidung falsch und die zweite Entscheidung richtig ist. Das Verbot der Doppelfunktion bedeutet nämlich, dass die bestmöglichen Trainer, die den deutschen Basketball am besten kennen, für das DBB-Team nicht zur Verfügung stehen, nur weil irgendwelche Leute die - meiner Meinung nach unbegründete - Angst haben, dass ein Spieler für die Nationalmannschaft bevorzugt oder zum Klub des Coaches gelockt wird.
SPOX: Ist die Angst wirklich unbegründet? Was würden Sie sagen, wenn nicht Svetislav Pesic sondern Berlins Trainer Sasa Obradovic die Nationalmannschaft verantworten würde?
Pesic: Ich könnte nur was dagegen haben, wenn ich glauben würde, dass alle deutschen Nationalspieler der Bayern plötzlich nach Berlin wechseln würden. So würde ich aber nie denken, nicht nur wegen Sasa, sondern weil ich sonst die Spieler für wenig intelligent halten würde.
SPOX: Jene vermeintlich unbegründete Angst trieb Oldenburgs geschäftsführender Gesellschafter Hermann Schüller dazu an, in der "BIG" ein Interview zu geben, in der er das Doppelfunktions-Verbot auch für das BBL-Präsidentenamt fordert. Es hätte neutralere Kandidaten gegeben und Reil wäre parteiisch.
Pesic: Als ich das sah, fand ich den Vorgang erstaunlich. Denn der einzige Gegenkandidat war doch derjenige, den Herr Schüller unter anderem im Interesse seines Vereins positioniert hatte. Und dieser wurde offenbar nicht gut genug beworben. Wenn jetzt Herr Reil nach dem Votum der Klub-Mehrheit der beste Kandidat als Präsident ist - warum stellt man das nachträglich in Frage? Zumal die Amtsperiode vorerst ohnehin nur bis September geht. Und wie ich Herrn Reil kenne, würde er danach von sich aus abtreten, wenn er wüsste, dass es Geeignetere als ihn gäbe. Er hat allerdings seit Jahren verschiedene Ämter in der BBL inne - und immer im Sinne der Liga gehandelt. Jetzt wird das leider in Frage gestellt. Das gibt es in anderen Sportarten nicht. Im Fußball ist Reinhard Rauball Präsident der DFL und zugleich von Borussia Dortmund. Ich habe kein einziges Mal etwas Negatives gehört, im Gegenteil.
SPOX: Trotz des Doppelfunktions-Verbots für Trainer: Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von BBL-Geschäftsführer Jan Pommer und speziell mit dem League-Pass-Angebot durch die Deutsche Telekom? Bambergs Coach Andrea Trinchieri verglich Pommer sogar mit Steve Jobs - wobei die Reichweite mit 40.000 Abonnenten nicht den Ansprüchen der Bayern genügen dürfte.
Pesic: Es gibt in Europa kein besseres Basketball-Produkt. Das Angebot ist der Wahnsinn! Wichtig ist vor allem, dass die Deutsche Telekom nicht nur finanziell investiert, sondern mit vollem Engagement dabei ist und die Fachkompetenz des eigenen Programms vorantreibt. Man spürt, dass die Telekom als Weltunternehmen an Basketball in Deutschland glaubt - es gibt kein größeres Lob als das. Uli Hoeneß hat vor zwei Jahren zu Jan Pommer gesagt, dass das Pokal-Final-Four der BBL bald im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen laufen müsse. Damals glaubte das niemand - nun wird es im April im ZDF gezeigt. Das wäre ohne die Telekom nicht möglich gewesen. Aber: Auf Dauer wird das nicht ausreichen, wenn wir es in der BBL nicht alle gemeinsam verstehen, ein gutes Produkt noch weiter nach vorne zu pushen.
Seite 1: Pesic über den Saisonverlauf, neue Sponsoren und Matthias Sammer
Seite 2: Pesic über die Entwicklungen der Bayern-Spieler und Interesse an Per Günther
Seite 3: Pesic über die NBA in München, Red Bull und die Beziehungen zum DBB
Die BBL im Überblick