Ey, lies mal das Kleingedruckte! Der etwas andere Rechercheausflug
Von Felix Kneidl
"Wer lesen kann, ist klar im Vorteil". Lernt man von "besserwisserhaften" Lehrern und noch viel "besserwisserhafteren" Professoren an der Uni. Gilt halt leider auch noch, wenn man eigentlich schon ausgelernt hat und für die Performgroup das DFB-Trainingslager in Ascona begleiten durfte, so wie ich Ende Mai 2016.
Der DFB hat auch außerhalb von täglichen PKs und öffentlichen Trainingseinheiten ein högschd-professionelles Programm auf die Beine gestellt. Ablenkung für die anwesende Journalisten-Schar. Klar, damit die halt nicht den ganzen Tag vor dem Mannschaftshotel herumlungert.
Von Stand Up Paddling bis zu einem "Rechercheausflug" zu einem Weinkeller war alles dabei. Auch der folgende Programmpunkt: Rechercheausflug "Monte Verita".
Grüner Tee für die innere Mitte
Folgender, im Nachhinein, fataler Gedankengang fand bei mir statt: "Monte? Is'n Berg. Da gibt's bestimmt ne Hammer Aussicht und die nehm ich mit!" Das war der eigentliche Plan. Dass diese Aussicht dann von den herumliegenden Bäumen verdeckt war, war die erste Ernüchterung.
Was dann aber folgte, war eine dreistündige Tour über eine Teeplantage, inklusive eines Vortrags, wie dieser dann am besten verarbeitet wird und welche Sorte man, ganz nach dem japanischen Vorbild, am besten trinken sollte (Grün, für alle die ihre innere Mitte finden wollen).
Gut, hab ich eben aus Versehen meinen Horizont etwas erweitert, ist ja nicht das Allerschlimmste. Nach drei Stunden hätte es dann aber auch gut sein können. War es aber nicht. Denn dann ging's erst richtig los.
Kultur bitte nur in Maßen
Um 18 Uhr stand nämlich noch eine Führung auf dem Plan. Alle Geheimnisse des "Monte Verita" sollten uns jetzt von der ältesten Bewohnerin der Berg-Siedlung erklärt werden. Nochmal drei Stunden lang. Versteht mich nicht falsch: Kultur hat schon was. Aber eben nur in Maßen.
Denn wenn man auf einmal sechs Stunden lang auf einem Berg gefangen ist, fünf Liter grünen Tee getrunken hat und von einer Führung in die nächste stolpert, während unten im Tal Marco Reus und Bastian Schweinsteiger jede Sekunde ihr EM-Aus hätten verkünden können, dann hat der Spaß ein Ende.
Da hat es mir dann auch gedämmert, warum so wenige der Kollegen an der Tour teilgenommen haben. Die haben nämlich einfach weiter nach unten gescrollt auf dem Programm und gelesen, was außer der Bergbesichtigung noch so auf der Agenda stand. Wer lesen kann, ist eben klar im Vorteil.
Mit Tee im Presseraum
Innerlich hab ich mich auch schon auf Gespräche mit der Redaktion eingestellt, warum wir denn die einzigen seien, die die PK nicht hätten. "Da war ich Teetrinken auf nem Berg ohne Aussicht", wäre da glaube ich jetzt nicht auf allzu viel Verständnis gestoßen.
Aber um das vorweg zu nehmen: Ich habe zum Glück nichts verpasst. Gegen 21 Uhr ging es dann zurück nach Ascona und Jogi Löw sollte erst Tage später das EM-Aus von Marco Reus verkünden.
Da war ich dann im Presseraum. Mit meiner Kamera - und einer Tasse mit grünem Tee.