Beckham und der ungebetene Gast
Von Adrian Franke
"Jetzt aber raus hier!" Ja, das ist ein Zitat aus dem "Schuh des Manitu" zu Beginn meines persönlichen Jahresrückblicks. Es ist nämlich vor allem auch ein Satz, den ich selbst vor gar nicht allzu langer Zeit in etwas weniger druckreifem Höflichkeitsgrad zu hören bekommen habe.
Das war Ende Oktober, an einem nebligen (was auch sonst) Tag in London. Gerade hatten sich die Washington Redskins und die Cincinnati Bengals im altehrwürdigen Wembley Stadium alles abverlangt, und das im Football seltene Kunststück vollbracht, Unentschieden zu spielen.
Meine Analyse mag darunter am Ende angesichts der andauernd wechselnden Führung ein wenig gelitten haben, schließlich galt doch: Möglichst schnell runter in die Kabine, um auf Stimmenjagd zu gehen! Den Weg dahin hatte ich mir vor Spielbeginn extra von einer netten Security-Dame genau erklären lassen.
In die Ansprache von Coach Gruden gestolpert
Ein NFL-Team in London? Overtime-Regeln? Was halten die Teams von dem Gastspiel auf der anderen Seite des großen Teichs? Mit diesen und vielen weiteren Fragen im Kopf ging es also im Eiltempo runter von der Pressetribüne, durch den Bauch des Stadions, bis ich schließlich vor der Redskins-Kabine und dem dazugehörigen (äußerst jungen) Security-Guard stand.
Das SPOX-Fazit zur NFL in London: Glamour, Kabinensturm, blutige Teenager
Einmal kurz die Akkreditierung vorzeigen, alles gut, und rein da. Naja - so dachte ich jedenfalls. Denn anstatt des erwarteten Bildes - Spieler, die entspannt vor ihrem Spind sitzen und Fragen beantworten - war ich gerade eben in die Ansprache von Head Coach Jay Gruden an sein Team gestolpert! Ein Team-Security-Mensch machte mich darauf auch schnell und mehr als deutlich aufmerksam, so dass ich mich blitzartig auf der anderen Seite der Tür wiederfand.
Aber alles kein Problem - fünf Minuten später standen die Spieler dann geduldig Rede und Antwort.
Das Warten auf Beckham
Keine Frage: Die NFL und vor allem die Spieler in London, wo sich, für alle Freunde des runden Leders auch einige Fußball-Stars sehen ließen, über mehrere Tage so nah zu erleben, war für mich ein absolutes Highlight 2016 - vielleicht noch um Haaresbreite von einem Ereignis im Sommer getoppt.
Denn während das NFL-Jahr gerade irgendwo zwischen Draft und Preseason vor sich hin dümpelte und Hintergrund-Recherchen sowie Team-Vorschauen den Alltag prägten, kam eines Tages Chefredakteur Regelmann zu mir. Neuigkeiten gab's - niemand geringeres als Odell Beckham Jr. würde in einigen Wochen in München vorbei schauen! Interview? Vor Ort? Mit OBJ? Geil!
Am frühen Sonntagmorgen in einem Münchner Hotel war es schließlich so weit - etwas zu früh für den Kollegen Beckham, wie sich herausstellte. Denn das gesamte Team inklusive Kamera und allem drum herum musste sich ein Weilchen gedulden, ehe sich der Receiver der New York Giants, spätestens seit seinem längst legendären Catch weltweit berühmt, zu uns gesellte.
Wenn jegliche Aufregung verfliegt
Machte allerdings nichts, eine halbe Stunde lang konnte ich mich dann mit Beckham ausführlich unterhalten und jegliche Aufregung war innerhalb weniger Sekunden komplett verflogen. Selbst zu seiner Fehde mit Josh Norman äußerte er sich, obwohl er vorher mit seinem breiten Grinsen gesagt hatte, dazu nichts erzählen zu wollen. Und ein sattes Frühstück gab's anschließend auch, ehe es für den Receiver weiter nach London ging - wo ich mich nächstes Jahr hoffentlich auch wieder finde.
London-Spiele stehen ja schließlich auch 2017 wieder auf dem Programm, derer vier sogar! Und wen stören da schon ein bisschen englischer Nebel und Regen.
Oder, wie mein geschätzter NBA-Kollege Ole Frerks so treffend knurrte, ehe er sich nach Spanien zu den NBA Global Games und ich mich nach London zur NFL International Serie aufmachte: "Im Süden ist es doch eh viel zu warm für dich." Recht hat er.