"Wissen nicht einmal, wo Lettland liegt"

Janis Strelnieks gewann 2015 mit den Brose Baskets Bamberg die Meisterschaft
© getty

Mit den Brose Baskets Bamberg mischt Scharfschütze Janis Strelnieks aktuell die Turkish Airlines Euroleague auf. Im Interview spricht der Lette über Buhrufe für Landsmann Kristaps Porzingis, das Gefühl einen Hexenkessel zum Schweigen zu bringen und erklärt, warum er bei seinem Coach Andrea Trinchieri um seine Auswechslung bitten soll.

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SPOX: Herr Strelnieks, wie sind Sie eigentlich so ein guter Shooter geworden?

Janis Strelnieks: Das ist eine gute Frage. Ich denke, das fing schon in der Kindheit an. Alle sagen immer, Lettland ist ein reines Shooter-Land und wir können gar keinen Basketball spielen, sondern nur werfen. Egal, ob du Point Guard oder Big Man bist, jeder Lette kann werfen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich immer versucht habe, meinen Wurf weiter zu verbessern.

SPOX: Aber warum sind alle Letten gute Shooter? Liegt das an der Ausbildung?

Strelnieks: Das kann schon sein. Es war irgendwie schon immer so. Selbst wenn du 30 oder 40 Jahre Jahre zurückschaust, konnten alle Letten werfen. Das überträgt sich dann weiter. Die Spieler werden Trainer und geben das dann an ihre Spieler weiter. Mein Nationaltrainer Ainars Bagatskis war auch ein starker Schütze und ist es sogar bis heute. Der versenkt beim Aufwärmen gerne mal 20 Würfe in Folge.

SPOX: Wie bereiten Sie sich vor? Haben Sie einen bestimmten Ablauf vor den Spielen, um den Rhythmus zu finden?

Strelnieks: Normalerweise nehme ich eine Menge Würfe hintereinander, aber die dann auch fokussiert. Ich nehme die Würfe nicht einfach nur, um sie zu nehmen. Wenn du fünf oder sieben Würfe in Folge nimmst, musst du dich konzentrieren. Ansonsten geht's noch mal von vorne los. Unser Coach sagt immer: "Gib dich nie damit zufrieden, gut zu sein. Du musst exzellent sein." Daher versuche ich im Sommer immer an allem zu arbeiten. Defense, Offense, Wurf, Passspiel, Penetration... Es gibt viele Sachen, an denen ich arbeiten kann.

SPOX: Hatten Sie Vorbilder in Ihrer Kindheit?

Strelnieks: Ja, die hatte ich schon, aber das waren alles Letten. Ich hatte als Kind nicht die Möglichkeit, die großen Spieler außerhalb Lettlands zu verfolgen. Als ich älter wurde, war Raimonds Miglieniks mein Vorbild. Er war einer der besten lettischen Point Guards überhaupt. Aber ich schaue mir auch gerne Vassilis Spanoulis an, obwohl er kein reiner Spielmacher ist. Bei ihm und auch bei Dimitris Diamantidis gefällt mir einfach dieses unglaubliche Selbstbewusstsein, das sie ausstrahlen.

Vassilis Spanoulis- Eine Hommage: I, Vassilis

SPOX: Sie haben Miglieniks und auch Bagatskis angesprochen, aber wenn man über Basketball auf dem Baltikum spricht, geht es eigentlich immer zuerst um Litauen. Dabei vergessen viele, dass Lettland schon mal eines der besten Teams Europas war und 1935 sogar Europameister wurde. Wird Ihre Generation noch immer vom lettischen Dream Team beeinflusst?

Strelnieks: Nicht wirklich, aber wir haben natürlich alle den Film gesehen, der vor zwei oder drei Jahren über das Team entstanden ist. Das ist ein toller Film und eine gute Motivation, aber die Zeiten haben sich geändert und der Basketball hat sich weiterentwickelt. Bei den Litauern ist Basketball nun mal Volkssport. Wenn du in Litauen aufwächst, schickt dich dein Vater auf jeden Fall zum Basketball und nirgendwo anders hin. In Lettland hast du die Wahl zwischen Basketball, Eishockey und Fußball. Das verteilt sich dann. Würden alle Basketball spielen, wären wir wahrscheinlich genauso gut wie Litauen.

SPOX: Mit Ihrem Landsmann Kristaps Porzingis spielt nun aber eines der größten europäischen Talente in der NBA. Dazu kommt das gute Abschneiden Lettlands bei der EuroBasket. Gibt es gerade einen Basketball-Boom in Ihrem Land?

Strelnieks: Sagen wir so: Unsere junge Basketball-Generation ist gerade richtig gut. Das fing alles mit der U-18-Auswahl 2007 an. Wir haben damals die Bronzemedaille bei der EM geholt. Das war ein historischer Erfolg für uns. Danach gab es noch mal Bronze bei der U18, Silber bei der U20 und der U16. Wir haben gerade einfach jede Menge gute, junge Spieler. Wenn es gut läuft, sollten wir in fünf Jahren eine richtig gute Nationalmannschaft haben. Ich hoffe, Porzingis wird dann auch für uns spielen.

Kristaps Porzingis: Das ruhende Auge des Orkans

SPOX: Sein Start in der NBA verlief nicht so gut. Die Knicks-Fans waren überhaupt nicht einverstanden, dass die Knicks ihn im Draft auswählten und buhten Porzingis aus. Das sieht mittlerweile ganz anders aus. Trauen Sie ihm eine gute Rolle zu?

Strelnieks: Auf jeden Fall. Er ist so talentiert und hat dazu eine unglaubliche Größe. Er wird vielleicht noch ein bisschen brauchen, um sein Spiel komplett auf die NBA umzustellen, aber er bringt alles mit. Ich denke, die Fans, die gebuht haben, kannten ihn einfach nicht. Er ist Lette und die meisten wissen nicht einmal, wo Lettland überhaupt liegt. Sie sollten ihm eine faire Chance geben und dann wird es sich auszahlen.

Seite 1: Strelnieks über Lettlands Dream Team und Kristaps Porzingis

Seite 2: Strelnieks über Bambergs Guard-Rotation und hitzige Euroleague-Hallen

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