"Mein Bauchgefühl sagt, Alonso schafft's"

Von SPOX
Wer hat am Sonntag Grund zu feiern? Sebastian Vettel (l.) oder Fernando Alonso?
© Getty
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These: Bei Regen ist Alonso nicht zu schlagen

Heidfeld: Die Leistung im Regen ist definitiv entscheidend. Wobei wir es bei den Beiden auch da mit Ausnahmetalenten zu tun haben. Sebastian hat sein erstes Rennen im Regen von Monza auf einem Toro Rosso gewonnen. Fernando hat aber dieses Jahr dominiert, wenn es geregnet hat. Er hat das Rennen in Malaysia gewonnen und war zwei Mal bei nassen Bedingungen auf Pole Position. Deswegen ist im Moment regentechnisch der Fernando im Vorteil.

Maack: Es mag etwas langweilig klingen, aber auch für mich hat Alonso bei Regen einen eindeutigen Vorteil. Seine Leistungen in diesem Jahr waren überragend, sobald es nass wurde. Vettel hat sich dagegen in Malaysia das Rennen zerstört, als er sich am Frontflügel von Narain Karthikeyan den Reifen aufschlitzte. Klar, ihn trifft daran keine Schuld. Aber ich könnte mir schon vorstellen, dass er beim Überrunden daran denken muss und kurz zögert.

Heidfeld: Fernando ist nicht nur wegen der letzten Ergebnisse und Vorfälle im Vorteil, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass im Regen alles passieren kann. Wenn es trocken sein sollte und Sebastian vom Technikdefekt der blöden Lichtmaschine verschont wird, kann man davon ausgehen, dass er unter die Top 4 fährt. Das ist ihm dieses Jahr immer gelungen, außer es gab spezielle Umstände. Das ist die große Frage, die in Brasilien immer wieder auftritt. Da kann es immer mal wieder regnen und dann wird es richtig interessant. Aber das gehört zum Rennsport dazu.

Maack: Auch wenn es zum Rennsport dazu gehört und ich nicht genau weiß, warum ich so empfinde: Ich würde es schöner finden, wenn die WM nicht durch ein Vabanque-Spiel im Regen entschieden wird.

Manül: Ganz im Gegenteil wäre es für mich die reinste Freude. Schließlich ist das WM-Finale von 2008 unter ähnlichen Bedingungen eines der großartigsten gewesen, was ich erlebt habe. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als zwei der weltbesten Piloten dabei zuzusehen zu dürfen, wie sie unter den allerschwierigsten Bedingungen am absoluten Limit um die Weltmeisterschaft kämpfen. Vettel hat im Regen von Monza Geschichte geschrieben. Schon in den Nachwuchsserien hat er immer wieder eindrucksvoll bewiesen, dass er unter solchen Bedingungen zu den allerallerbesten Fahrern gehört. Aber Alonso steht ihm hier sicherlich in nichts nach, insofern finde ich in diesem Punkt beide Piloten gleichstark. Viel interessanter finde ich die Frage: Was ändert der Regen an den derzeitigen Kräfteverhältnissen?

Maack: Auf der einen Seite ist das natürlich ein Vorteil für Ferrari, weil es etwas weniger auf das Auto als auf den Fahrer ankommt. Alonso kann deshalb durch seine eigene Leistung einige Schwächen ausgleichen. Auf der anderen Seite ist der Grip der Regenreifen noch stärker von der richtigen Temperatur abhängig, als die Trockenreifen. Und Ferrari hatte bei den geringen Temperaturen in Austin bekanntlich Probleme, die Betriebstemperatur der Pirelli-Slicks zu erreichen.

Manül: Durch den großen Einfluss der Fahrer könnten auch Rosberg und Schumacher im Mercedes für Überraschungen sorgen. Ebenso traue ich dies auch einem Hülkenberg und einem Perez zu, ganz zu schweigen von Ausnahmekönner Lewis Hamilton, der im Regen alle in Grund und Boden fahren kann. Allesamt sind sie ausgewiesene Regenspezialisten. Eben solche Piloten könnten auf den vorderen Punkterängen auftauchen und entweder entscheidender Puffer für einen der beiden Titelanwärter sein, aber auch Problemherd, zum Beispiel während eines Zweikampfes. Denn bei allem Risiko müssen beide erstmal ins Ziel kommen.

These: Die Tests der neuen Pirelli-Slicks behindern die Piloten

Heidfeld: Das stört nicht. Die beiden Teams werden sich gut überlegen, was für sie Sinn macht. Wenn ein Team seine Position in der Konstrukteurs-Wertung gesichert hat, kann man da ein bisschen mehr aufs nächste Jahr schauen. Schließlich ist das ein wichtiger Punkt. Aber bei den Teams und Fahrern, bei denen es um die WM geht, wird man sich gut überlegen, was einen Vorteil für das Brasilien-Wochenende bringt.

Manül: Ich bin da etwas anderer Meinung. Es sorgt sicherlich für ein bisschen Unruhe. Die Vorbereitungen auf das nächste Jahr laufen schon längst auf Hochtouren, weshalb die Teams die gesammelten Daten sicherlich dankend annehmen. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass sich die beiden WM-Anwärter im Speziellen am Freitag etwas zurück nehmen und sich voll auf Samstag und Sonntag konzentrieren.

Maack: Zuerst müssen wir mal abwarten, wie das Wetter am Freitag ist. Wenn es regnet hat sich die Testerei sowieso erübrigt. Wenn es aber trocken bleibt, könnte ich mir vorstellen, dass Vettel und Alonso weitgehend aus dem Programm herausgenommen werden. Vielleicht drehen sie ein paar Runden auf den Slicks, aber sie werden ganz schnell wieder auf die 2012er Mischungen wechseln, um das Set-up zu optimieren.

These: Ferrari hat wieder Probleme mit der Reifentemperatur

Maack: In Austin hatte Ferrari Probleme, die beiden härtesten Mischungen aus dem Pirelli-Sortiment zum Arbeiten zu bekommen. In Interlagos glaube ich daran nicht. Es hängt viel von der Umgebungstemperatur ab und die dürfte in Brasilien, wo derzeit ja Sommer ist, höher sein als im texanischen Winter. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass Ferrari sich in dieser Saison mit den weichen Mischungen leichter getan hat, als mit den harten. Die Auswahl spielt Alonso sicher nicht in die Karten.

Heidfeld: Ich stimme zu. Die Reifen sind zwar gleich, aber natürlich kommt es ganz stark darauf an, wie die Strecke und die äußeren Bedingungen sind. Ich würde den Vorteil dennoch bei Red Bull sehen. Sie hatten in den letzten Rennen das stärkere Auto, speziell in der Quali. Im Rennen kann Ferrari meistens zulegen, aber Red Bull schafft es unter fast allen Bedingungen, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. Ferrari ist da mehr darauf angewiesen, dass alles zum Auto passt.

Manül: Ich glaube, die Reifen werden nicht so entscheidend sein, wie bei dem ein oder anderen Rennen dieses Jahr. Im Qualifying erwarte ich einen engen Kampf um die Pole zwischen McLaren und Red Bull. Beide Teams haben bewiesen, dass sie die beiden härtesten Reifenmischungen auf eine Runde am besten zum Arbeiten bekommen. Für Nando wäre Platz fünf in der Quali ein realistisches Ziel, ich denke irgendwo zwischen fünf und acht wird er starten. Für Sonntag ist hingegen Niederschlag angekündigt, was die Karten neu mischt. Seb und Nando haben dieses Jahr beide bereits eindrucksvolle Leistungen auf den Wets und den Inters gezeigt, für Sonntag sind die Chancen also ausgeglichen.

Tippspiel: Wer wird Weltmeister?

Heidfeld: Wie es faktisch aussieht, haben wir relativ ausführlich erörtert. Ich würde eher nach meinem Bauchgefühl gehen. Und das sagt mir: Alonso schafft's. Ich wünsche es Sebastian. Ich hoffe, dass er es schafft. Aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass es Alonso packt.

Maack: Mit dem Bauchgefühl tut sich der Journalist gerne mal schwer. Die bessere Ausgangslage spricht für Vettel. Er hat 13 Punkte Vorsprung, er hat das bessere Auto, er hat den besseren Teamkollegen. Wenn man die Ausfälle und die Tankpanne in Abu Dhabi in die Rechnung einbezieht, wäre der Verlust des Titels fast schon ein Debakel, da der Red Bull gerade in der zweiten Saisonhälfte das deutlich bessere Auto war. Ich glaube aber daran, dass Renault das Problem jetzt gebannt hat. Mein Tipp ist Vettel.

Manül: Nach wie vor schlägt mein Herz am Wochenende für Nando. Ich hoffe auf ihn, ich wünsche es ihm. Wenn er es schafft, dann mit einem Regenkrimi oder durch einen Vettel-Ausfall. Aber ich befürchte dennoch, dass Sebastian abgeklärt genug ist und den Titel unter Dach und Fach bringt. Verliert er den Titel, würde ich es nicht gerade als "Debakel" bezeichnen, aber er würde sicher sehr enttäuscht sein, da er speziell nach der Sommerpause das beste Gesamtpaket hatte. Angesichts der Ausgangslage vor dem Saisonfinale könnte es nur dann zu einem Debakel werden, wenn der Titel durch einen Defekt oder einen Fahrfehler verloren wird, also durch Eigenverschulden. Deshalb mein Tipp: Vettel.

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Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

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