These 4: Das neue Reglement hat die Formel 1 zerstört
RoyRudolphusAnton: Die Formel 1 besitzt die nicht nachahmenswerte Gabe, sich selbst zu zerstören. Das Reglement ist dabei nur ein Mosaikstein. Ich bin 16 Jahre Fan und kann mich an keine - heikle - Situation erinnern, in der alle Beteiligten zum Zwecke des Ganzen gehandelt hätten. Siehe Indy 2005. Sie denken zu kurzfristig, -sichtig und vor allem in Ich-AGs. Was haben die großen Teams davon, wenn Caterham und Marussia krepieren? Weniger Einnahmen auf der Motorenseite. Na bravo. Das System krankt, jeder weiß es, aber keiner handelt. Die Formel 1 steht sicher nicht wegen der Turbo-Motoren und des - für meinen Geschmack - jämmerlichen Sounds am Scheideweg, sondern, weil die Politik bedrohliche Überhand nimmt. Dass der Sport nur als Plattform einer Gelddruckmaschine benutzt wird, liegt auf der Hand - und war im Übrigen schon so, als die F1 auf dem Klimax zirkulierte. Allein die Zuschauereinbrüche an TV-Geräten und Rennstrecken sollten den Verantwortlichen die Augen öffnen. Es passiert nicht, also wage ich die Behauptung, dass sich nichts ändern wird; außer, dass die Seifenblase eher früher als später platzt.
Ziegler: Die Formel 1 hat sich durch das neue Motorenformat einer entscheidenden Dimension beraubt: Der Lärm ist weg und damit ein Teil der Faszination. Warum sollte ich mir als Fan einen Vor-Ort-Besuch für teures Geld leisten, wenn ich dabei kaum mehr geboten komme als zu hause vor dem TV? Die Soundkulisse war bisher ein gutes Argument. Doch diese gibt es nicht mehr. Dafür ist die Formel 1 deutlich komplexer und komplizierter geworden. Für den normalen Zuschauer ist damit längst nicht mehr ersichtlich, was auf der Strecke vor sich geht. Zu viele "Showelemente" wie unterschiedliche Reifenmischungen, der verstellbare Heckflügel und ERS lassen den Sport künstlich erscheinen. Ja, die Formel 1 mag "grüner" geworden sein, aber wen interessiert das auf den Zuschauerrängen? Für die Hersteller ist es eine tolle Marketingbotschaft, für die Fans völlig egal. Sie wollen nur eines: Rennen sehen. Dazu braucht es kein kompliziertes technisches Reglement. Das Motto müsste lauten: keep it simple. Damit es jeder versteht. Dazu Technik am Limit und keine leise säuselnden Motörchen.
Red_7: Ich bin eigentlich immer ein Reformfreund. Wer neue Regeln nicht versucht oder ausprobiert, wird langfristig eine stagnierende Formel 1 haben, weil die Technik die Ingenieure nicht mehr vor Herausforderungen stellt und man sich nur noch in Details verliert. Ich halte es auch für richtig, dass die F1 die Herausforderung ERS aufgegriffen hat, weil dies noch einmal ein Bereich ist, auf dem echte Innovationen möglich. Was die F1 nach wie vor nicht im Griff hat ist das Problem des Testverbots und der damit zementierten Leistungsverhältnisse im Feld, sowie das Problem der Finanzen für die Privatteams, die so keine Chance auf Überleben haben. Vielleicht sollte die F1 etwas aus ihrem Elfenbeinturm herauskommen und die guten Elemente anderer Serien aufgreifen, wie etwa Antriebskonzept der WEC.
Maack: Die Jammerei ist fast das einzige Problem der Formel 1. Sicher, die V6-Turbos sind leiser als ihre Vorgänger, das liegt aber vor allem an den Auspuffanlagen. Die Diskussionen um den Sound gab es aber bei jeder Reglementänderung. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir keine 20.000-RPM-Kettensägen mehr haben. Solche Zahlen sollen Motorräder leisten, nicht Autos. Um vermarktbar zu sein, muss die Formel 1 vor allem eins bieten: Ein ausgeglichenes Feld ohne absoluten Dominator. Anfang der 90er war die Formel 1 perfekt: Vergleichweise simple, sich dennoch unterscheidende und faszinierende Autos. Wir müssen endlich wegkommen von dieser Wirbelgenerierung und -optimierung, die letztlich nur 0,0001 Sekunden Vorteil pro Runde bringt. Beschränkt die Bauteile an den Frontflügeln, schafft die Vortex-Generator am ganzen Auto ab, schreibt glatte Oberflächen vor. Nur: Dafür braucht es einen starken Mann, der von FIA, FOM und den Teams mit Macht ausgestattet wird. Und im egoistischen Formel-1-.Geschäft wird das leider wohl nie passieren. Da muss die faszinierendste Rennserie der Welt erstmal komplett heruntergewirtschaftet werden. Wir sprechen uns in fünf bis zehn Jahren wieder!
Ziegler: Dass die Formel 1 durch das neue Reglement wirklich umweltfreundlicher geworden ist, ist ein Trugschluss: Die paar Liter Sprit für den Rennbetrieb stehen in keinem Verhältnis zum "ökologischen Rucksack" von dutzenden Trucks und Flugzeugen, die den viel zu großen Rennzirkus um die Welt transportieren. Weniger Personal vor Ort und in den Werken, weniger Budget und mehr Einfachheit bei für den Zuschauer nicht relevanten Bereichen. Wozu braucht ein Frontflügel 120 Winglets und 80 Ausbaustufen? Das Budget kann weitaus sinnvoller eingesetzt werden. Und dann haben auch Privatteams wieder eine Chance, mitzumischen. Warum nicht mit Kundenautos? Das gab es in der Formel 1 schon früher.
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