Reaktion auf die Moderne

Pep Guardiola, Louis van Gaal und Joachim Löw haben ihre eigene Auffassung
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Die Weltmeisterschaft 2014 verhalf Fünfer -und Dreierkette endlich auch zum medialen Aufsehen. Beide Formen haben sich aus dem ballbesitzorientierten Spiel entwickelt und könnten diesem nun ein Ende bereiten.

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Etwa zwei Wochen nach dem Weltmeistertitel der deutschen Nationalmannschaft trifft sich in Mannheim die fußballerische Elite des Landes. Der Bund Deutscher Fußball-Lehrer lädt ein zum Internationalen Trainer-Kongress, erste Worte fallen von Frank Wormuth und Volker Finke. Helmut Sandrock, Armin Veh und Thomas Schaaf sind zu Gast.

Das zentrale Thema ist schnell gefunden: Die vergangene WM. Alle vier Jahre spiegeln sich an dieser Stelle die taktischen Trends der internationalen Ligen ab. Die WM 2010 legte den Fokus auf schnelle Ballverarbeitung und Weitergabe, das 4-2-3-1 wurde salonfähig.

In Brasilien wurde der Trend schnell gefunden: Die Dreierkette respektive die Fünferkette ist zurück. Dabei bleibt jedoch unbeachtet, dass es sich hier nicht um eine echte Neuerung handelt, sondern vielmehr um eine logische Konsequenz.

Vom Libero zur Manndeckung

Das Konstrukt aus Libero und zwei Manndeckern ist Geschichte. Zu uneffektiv ist die Einteilung gegen moderne Spielsysteme, ein wenig zu statisch für schnelle Rochaden und anfällig im Übergabe-Vorgang. Der Trend geht zu mehr Risiko, mehr Spielgestaltung aus der ersten Reihe und damit auch hin zu einer raumdeckenden Dreierkette vor einem mitspielenden Torwart.

Während die Niederlande und Costa Rica mit drei zentralen Verteidigern und defensiv ausgerichteten Flügelläufern positiv überraschten, wagte Chile den Balanceakt zwischen voller Offensive und riskanter Dreierkette. Ausgerechnet die Weltmeister rund um Joachim Löw schienen sich dem zu verweigern - auch wenn das nur die halbe Wahrheit ist.

Denn auch der DFB verzichtete nicht auf den Spielaufbau mit drei Mann vor Manuel Neuer. Entscheidend ist hier jedoch der Unterschied: Deutschland setzt mit dem zwischen die Innenverteidiger fallenden Philipp Lahm auf eine situative Dreierkette, während andere Nationen dies standardmäßig tun.

Es gilt zu unterscheiden zwischen der Grundordnung und einem System. Der DFB definiert eine Grundordnung in der Ausbildung als Anordnung der Spieler ohne Bewegung, ein System als Anordnung der Spieler mit Bewegung. Die WM rückte eine Dreier-bzw. Fünferkette als Grundordnung in den Fokus.

Hier liegt der große Unterschied zwischen dem, was inzwischen zum guten Ton im modernen Fußball gehört und dem, was Trainer wie Pep Guardiola, Antonio Conte oder Marcelo Bielsa vorantreiben. "Modern" - das verbindet man gerne damit, den Ball in den eigenen Reihen zu halten, selbigen nach Verlusten schnell wieder zurückzuerobern und lieber hoch, als tief zu verteidigen.

Abkippende Sechs oder Asymmetrie

Diese Ausrichtung zog bereits vor Jahren erste Änderungen nach sich. Sei es ein Mittelfeldspieler, der zwischen die Innenverteidiger fällt und damit den Außenverteidigern erlaubt, sich weiter in die Offensive einzuschalten, oder eine asymmetrische Ausrichtung im eigenen Ballbesitz. Bei letzterem agiert ein Flügelspieler merklich defensiver, als sein Gegenpart und erzeugt so erneut eine Dreierkette.

Das Ziel bleibt das gleiche: Ein weiterer Mann positioniert sich im Mittelfeld. Denn ballbesitzorientierter Fußball und Gegenpressing lassen sich nur schwer in Gleich- oder sogar Unterzahl spielen. Die Lösung, diese Spielweise auszubremsen, blieb lange offen. Der FC Barcelona dominierte den Weltfußball und gewann zweimal die Champions League.

Chelsea und Inter Mailand versuchten sich an extrem defensiven Systemen, teils mit Sechserketten vor dem eigenen Strafraum, Real Madrid setzte auf schnelles Überspielen des gegnerischen Pressings. Die WM fasste also auf engem Raum das zusammen, was viele zuvor schon probiert hatten und gab ihm den letzten Schliff.

Es ließ sich eine klare Trennlinie ziehen. Auf der einen Seite stehen die Mannschaften, die agieren, die sich für eine Dreierkette entscheiden, die den Ball haben wollen und ihn weit entfernt vom eigenen Strafraum wieder erobern wollen. Auf der anderen Seite stehen die Mannschaften, die reagieren, die sich für eine Fünferkette entscheiden, die auf ihre Chancen warten und dann schnell umschalten.

Seite 1: Dreierkette nicht gleich Dreierkette

Seite 2: Fünf Mann gegen den Ballbesitz

Seite 3: Drei Mann für den Ballbesitz

Seite 4: Die Zukunft - auch für den DFB?

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