SPOX: Hängt das damit zusammen, dass Leipzig vor zweieinhalb Jahren Frieder Schrof und Thomas Albeck, die lange Zeit sehr erfolgreich in der Jugendabteilung des VfB Stuttgart arbeiteten, zu sich geholt hat?
Boldt: Das kann ich nicht final beurteilen, da dürfte sicherlich etwas dran sein. Leipzig ist für mich aber in erster Linie Ralf Rangnick. Er ist clever genug, nicht nur Spieler, sondern auch Mitarbeiter an Land zu ziehen, die einfach Qualität haben. Ganz unabhängig davon, dass man zu diesem Projekt stehen kann, wie man möchte: Es ist Fakt, dass dort sehr gute und sehr strukturierte Arbeit geleistet wird.
SPOX: Wie stehen Sie zum Projekt RB Leipzig?
Boldt: Lassen Sie es mich so sagen: Mir persönlich gefällt es nicht, dass Leipzig so gut arbeitet. Man kann mit viel Geld auch nicht gut arbeiten, doch das ist in Leipzig ganz und gar nicht der Fall. Sie arbeiten mit System und Strategie und kaufen sich nicht blind eine Mannschaft zusammen. Da steckt schon etwas dahinter.
SPOX: Das heißt, sobald Leipzig in der Bundesliga spielt, könnte der Klub beim Thema Spielerakquise Vereinen wie Leverkusen davon ziehen?
Boldt: Dann wird es zumindest eng, das merkt man bereits jetzt. Leipzig geht schon jetzt an Spieler heran, die jederzeit in der Bundesliga spielen könnten oder es wie im Falle von Davie Selke schon tun. Sollten sie eines Tages auch noch in Richtung internationale Plätze vordringen, wird es mit den Mitteln, die sie zur Verfügung haben und der Arbeit, die sie leisten, eine große Herausforderung - und zwar für alle.
SPOX: Auch für Bayern München?
Boldt: Auch für Bayern München.
SPOX: Gab es schon einen Fall, bei dem Sie sehen mussten, dass Reschke vor Ihnen dran war - zum Beispiel bei Joshua Kimmich?
Boldt: Natürlich vermute ich, an welchen Spielern Michael dran ist. Das ist aber auch kein dramatischer Wissensvorsprung, weil es in diesem Geschäft erstens nichts Ungewöhnliches ist und zweitens wie gesagt ein Unterschied zwischen Leverkusen und dem FC Bayern besteht. Kimmich war in der Tat auch bei uns ein Thema - aber eben nicht zu der Summe zu dem Zeitpunkt. Deshalb haben wir kein Angebot abgegeben, obwohl ich glaube, dass das ein richtig guter Spieler wird.
SPOX: Wie äußert sich der angesprochene Unterschied denn konkret in Verhandlungen?
Boldt: Nehmen wir das Beispiel Martin Ödegaard. An ihm waren dutzende Klubs dran, natürlich auch wir. Doch irgendwann war eben klar, dass wir keine Rolle mehr spielen würden. Wenn es für ihn in sportlicher Hinsicht darum gegangen wäre, Kaderspieler bei den Profis zu werden, dann wären wir oder Vereine wie beispielsweise Ajax Amsterdam im Rennen gewesen. Wenn es aber auch um Geld, Glamour und solche Dinge gehen soll, dann spricht man mit Bayern München oder Real Madrid.
SPOX: Erklären Sie doch bitte einmal am Beispiel Kevin Kampl, den Leverkusen sehr gerne verpflichtet hätte und der im Winter stattdessen nach Dortmund ging, wie solche Verhandlungen verlaufen können?
Boldt: Dass er der Wunschspieler unseres Trainers war, ist bekannt. Wir haben auch große Anstrengungen unternommen, um ihn zu uns zu holen. Wir wollten aber nicht die Summe bezahlen, die Dortmund letztlich bezahlt hat. Das wäre mit der teuerste Transfer unserer Vereinsgeschichte gewesen - und das war uns einfach zu viel Geld.
SPOX: Stattdessen war Ihr Plan, Kampl für ein halbes Jahr zu RB Leipzig auszuleihen, damit er dort beim Kampf um den Aufstieg mithilft und anschließend günstiger zu Bayer wechselt.
Boldt: Genau, dahingehend haben wir auch ein Angebot gemacht. Dieses Szenario hätte gut für uns gepasst, da uns am Saisonende beispielsweise in Simon Rolfes und Stefan Reinartz zwei Mittelfeldspieler verlassen werden. Wir konnten uns aber bei der Ablösesumme für den Sommer nicht mit Red Bull einigen, Kevin Kampl wollte nicht länger warten. Plötzlich war Dortmund auch sein Wunschverein.
SPOX: Waren Sie überrascht davon, dass auf einmal der BVB mitbot?
Boldt: Nein, dass sie Interesse haben, war klar. Ich war höchstens überrascht davon, dass es nach dem letzten Spieltag der Hinrunde so schnell über die Bühne ging.
SPOX: Wie ärgerlich ist es, wenn man sich wochenlang bemüht und damit beschäftigt, am Ende aber doch nicht zusammenkommt?
Boldt: Das muss man in diesem Business emotionslos sehen. Der BVB hat uns den Spieler nicht weggeschnappt. Dass es nicht funktioniert hat, ist nicht problematisch. Die Frage ist, ob Kevin letztlich die richtige Entscheidung getroffen hat. Mal findet man eine für alle Seiten befriedigende Lösung, mal erzielt man keine Einigung. 2013 waren wir beispielsweise kurz davor, Sokratis zu verpflichten. Das hat nicht geklappt, also haben wir die nächste Möglichkeit geprüft und letztlich einen anderen Spieler geholt. Man sollte auf diesem Terrain nicht in Kategorien wie Sieg oder Niederlage denken.
SPOX: Trotz Ihrer erst 32 Jahre sind Sie schon eine lange Zeit in diesem Geschäft tätig. Sie haben Ihr Hobby zum Beruf gemacht, der Sie wiederum sehr geschäftig macht. Können Sie überhaupt einmal vernünftig abschalten?
Boldt: Ich war in der vergangenen Länderspielpause für drei Tage beim Skifahren. Im Freundeskreis höre ich schon manchmal die Bemerkung: Jetzt mach' mal dein Handy aus. (lacht) Ich finde schon meine Wege, um auch mal zur Ruhe zu kommen. Es ist auch eine Frage der Gestaltung seines Arbeitstages, dann bleibt auch Zeit, um sich mal abends mit Freunden auf ein Bierchen zu treffen. Dieser Beruf ist für mich aber keine Belastung, auch wenn der Druck nun temporär höher geworden ist. Wenn ich morgens aufstehe, freue ich mich auf meine Arbeit. Deshalb lehne ich es ab, darüber zu meckern.
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