"Ich habe das falsch rübergebracht"

Andre Breitenreiter hat beim FC Schalke 04 einen Vertrag bis Ende Juni 2017 unterschrieben
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SPOX: Draxler meinte, er habe auf Schalke stagniert und eine Luftveränderung gebraucht. Ist es für Sie nachvollziehbar, dass er das sagt?

Breitenreiter: Definitiv. Ich hatte mit Julian einen engen Austausch. Er hat sich offen, ehrlich und korrekt verhalten. Er sagte mir an einem der ersten Trainingstage bereits, dass er den Verein gerne wechseln möchte. Er hatte das Gefühl, bei Misserfolgen in der Öffentlichkeit häufig als derjenige angesehen zu werden, der die Verantwortung dafür trägt. Der Wechsel und die Suche nach einer neuen Herausforderung in einem anderen Umfeld als im heimischen sind vor allem menschlich absolut nachvollziehbar. Er möchte erwachsen werden.

SPOX: Sportlich ist es jedoch ein herber Verlust.

Breitenreiter: Natürlich. Er war bei uns auf einem guten Weg, absolvierte eine tolle Vorbereitung und hat in den ersten Spielen überzeugende Leistungen abgeliefert. Er hätte auch bei uns den nächsten Schritt gemacht und sich sportlich weiterentwickelt. Davon bin ich nach wie vor hundertprozentig überzeugt. Doch darum ging es ihm nicht. Er wollte von hier ausbrechen.

SPOX: Auch Max Meyer hat bereits geäußert, dass die Erwartungshaltung an ihn auf Schalke enorm hoch sei. In Leroy Sane steht nun das nächste vielversprechende Talent im Fokus. Glauben Sie, dass es heutzutage wirklich möglich ist, den Hype und die Euphorie von solchen Spielern fernhalten zu können?

Breitenreiter: Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Es ist wichtig, dieses Thema offensiv anzusprechen - genau das tue ich. Es müssen alle sensibilisiert werden und an einem Strang ziehen: Verein, Trainer und auch die Medienlandschaft. Man darf in der Berichterstattung nicht übertreiben.

SPOX: Ist das nicht ein hehres Ziel?

Breitenreiter: Es ist auf jeden Fall machbar. Mir ist bewusst, dass entsprechend darüber berichtet wird, wenn diese Jungs hervorragende Leistungen bringen. Allerdings darf das nicht zwischen den Extremen pendeln: im einen Moment werden sie bewusst in den Himmel gelobt, in schwächeren Phasen wird auf sie eingeprügelt. Das muss aufhören. Diese Spieler sollen die Bodenhaftung bewahren können, denn wir als Trainer müssen weiterhin auf sie einwirken, damit sie sich nicht auf dem Erreichten ausruhen. Wir sollten alle die Sinne dafür schärfen, mit jungen Menschen insgesamt vorsichtiger umzugehen.

SPOX: Diesen Pendeln zwischen den Extremen betrifft ja aber auch Sie als Trainer.

Breitenreiter: Aber der große Unterschied ist, dass ich reifer bin und damit umgehen kann. Ich brauche darüber nicht zu jammern, das ist Teil des Geschäfts. Ich kann die Berichterstattung gelassener einschätzen. Ein junger Spieler dagegen ist sehr sensibel und lässt sich leichter beeinflussen. Ich bin nicht naiv und denke, ich könnte die Medienlandschaft verändern. Ich möchte nur für Verständnis werben, dass hinter den Protagonisten der Bundesliga Menschen stehen, die auch einen weichen Kern haben und es sowohl in positiver, als auch in negativer Hinsicht nicht leicht haben, mit diesem Hype umzugehen. Auch sie sollen ein normales Leben führen können.

SPOX: Sie haben als Coach in Paderborn mal Ihr Fett wegbekommen, als Sie sich im Anschluss an die 0:6-Heimniederlage gegen den FC Bayern für das "tolle Erlebnis" bedankten. Waren Sie von dem Echo erstaunt, dieser Ausspruch wird ja teils bis heute rezitiert?

Breitenreiter: Da kann ich heute total drüber lachen. Das wurde völlig falsch dargestellt. Ich habe es sicherlich schlecht formuliert, doch mich natürlich in keiner Weise für das 0:6 bedankt. Es ging mir darum auszudrücken, wie stolz alle in Paderborn auf das sein können, was wir gemeinsam erreicht haben. Es zeigt sich ja auch aktuell, welch zwei außergewöhnliche Jahre das waren. Auch ich mache Fehler und habe das falsch rübergebracht. Wenn der eine oder andere meint, das heute noch so darzustellen, dann soll er das eben tun.

SPOX: Mit solch vermeintlichen Problemen hatten Sie zuvor in Ihrer Trainerkarriere kaum zu tun. Wie empfinden Sie das Leben in dem doch etwas eigenen Universum Bundesliga?

Breitenreiter: Ich glaube es ist mein Vorteil, lange Zeit außerhalb dieser großen Welt gearbeitet zu haben. Ich konnte die unterschiedlichen Prozesse gerade bei einem solch kleinen Verein wie Havelse miterleben. Dort habe ich das Essen bestellt, die Trainingskleidung sortiert oder Wäsche gewaschen. Ich weiß es nicht nur zu schätzen, dass mir diese Dinge nun abgenommen werden, sondern genieße natürlich auch die höhere Aufmerksamkeit für unsere Arbeit.

SPOX: Haben Sie noch ausreichend Zeit, Ihre privaten Werte zu leben?

Breitenreiter: Ich muss immer schmunzeln, wenn ich höre, dass man als Bundesliga-Trainer 24 Stunden beschäftigt ist. Das ist aus meiner Sicht nicht wahr. Alle Bundesligisten sind gut aufgestellt, es werden einem viele Sachen abgenommen. Gedanklich ist man vielleicht den ganzen Tag mit dabei. Die Zeit ist durchaus intensiv, gerade wenn man alle drei Tage spielt bleibt wenig Zeit für Privates. Es geht aber sehr wohl. Das sollte man nicht zu hoch hängen.

SPOX: Am 8. Oktober sind Sie 100 Tage Schalke-Trainer, exakt einen Monat später findet Ihr erstes Revierderby gegen Borussia Dortmund statt. Dass der BVB nicht so cool ist, haben Sie schon verinnerlicht?

Breitenreiter: Ich rede nicht über Dortmund, weil das für uns überhaupt noch kein Thema ist. Wir schauen von Spiel zu Spiel, wie man so schön sagt. Vor allem die Entwicklung der Mannschaft steht im Vordergrund. Bis zum Derby stehen noch etliche Partien an und die haben im Moment Vorrang. Wir können über den BVB sprechen, wenn es soweit ist.

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