Der FC Bayern hat in seiner Geschichte einige herausragende Stürmer gesehen. Allen voran natürlich Gerd Müller, auf dessen Toren die Erfolgsstory dieses Klubs gebaut ist. Karl-Heinz Rummenigge, Roland Wohlfarth, Giovane Elber, Roy Makaay und aktuell Robert Lewandowski.
Am Sonntag ist ein weiterer Mittelstürmer von historischem Rang mit dem FC Bayern nach China geflogen. Miroslav Klose zählte überraschend zur Delegation des deutschen Rekordmeisters in Fernost. Auch wenn Kloses Zeit in München nicht außerordentlich erfolgreich war, ist der Kontakt nie abgerissen.
Wie beide Seiten in Zukunft zusammenarbeiten, ist offen, aber sicher ist, dass Klose nicht mehr als Spieler im roten Trikot auflaufen wird - auch wenn ihm das viele noch zutrauen würden. Der mittlerweile 39-Jährige wirkt auch rund ein Jahr nach seinem Karriereende noch so drahtig und austrainiert, dass er in der Bundesliga sicher noch für einige Tore gut wäre.
FC Bayern verzichtet auf Lewandowski-Backup
Aber den Backup für Lewandowski gibt Klose nicht mehr. Auch ein anderer Oldie, mit dem der FC Bayern gute Erfahrungen gemacht hat, Claudio Pizarro, wird nicht noch einmal an die Säbener Straße zurückkehren. Ob alt oder jung, bekannt oder nicht, spielt aber ohnehin keine Rolle. Die Bayern haben sich entschlossen, dem Kader keinen weiteren Mittelstürmer zuzuführen.
"Wir sind uns mit dem Trainer einig, dass wir da nichts machen wollen", sagte Vorstandschef Rummenigge vor der Abreise. Grund eins: Lewandowski mache pro Jahr 90 bis 95 Prozent aller Spiele und für die restlichen Partien ergebe es keinen Sinn, einen sündhaft teuren Backup zu verpflichten. "Einen Spieler dieser Qualität gibt es nicht, der sich für zwei, drei Spiele im Jahr auf die Bank setzt", sagte Rummenigge.
Grund zwei: "Wir haben mit Thomas Müller eine echte Alternative. Ich möchte daran erinnern, dass die deutsche Nationalmannschaft mit Thomas Müller auf dieser Position Weltmeister geworden ist." Historiker mögen Rummenigge jetzt zurufen, dass Müller in Brasilien 2014 nur so lange als Mittelstürmer agierte, bis Klose fit genug war und seine Position ab dem Viertelfinale übernahm.
Kein Alvaro Morata in Sicht
Doch so genau müssen sie das beim FC Bayern auch nicht nehmen, weil Grund eins das ausschlaggebende Argument ist. Die Münchner hätten gerne einen Offensivallrounder wie Alexis Sanchez verpflichtet, der auf fast allen offensiven Positionen Weltklasse verkörpert und auch als Mittelstürmer agieren kann.
Nur hätte das finanzielle Gesamtpaket Alexis die Dimensionen und das Gehaltsgefüge selbst im Münchener Luxuskader gesprengt. Einen reinen Backup-Stürmer, der sich über weite Strecken auf die Bank setzt und dann in einem Champions-League-Viertelfinale beispielsweise sofort funktionieren würde, da hat Rummenigge Recht, gibt der Markt nicht her.
Und die Bayern hatten auch nicht die Möglichkeit, einen Stürmer der Kategorie Alvaro Morata für vergleichsweise günstige 30 Millionen Euro zurückzuholen wie Real Madrid vor einem Jahr.
Lewandowskis schlechtes Timing bei Verletzungen
Die Bayern sehen sich also gezwungen, ihrer Politik zu folgen, die sie schon im Winter einmal ausgerufen hatten. Als damals die Stimmen lauter wurden, den Bayern fehle ein adäquater Ersatz für Lewandowski, schoss Uli Hoeneß zurück.
"Wenn ich immer höre, der FC Bayern hat keinen Ersatz für Lewandowski, für Gerd Müller hatten wir auch keinen Ersatz", sagte der Präsident. "Robert ist so zäh, so fit, seine Muskulatur ist ein einziger Strang. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, bei dem ist alles tipptopp."
Wie Rummenigge am Sonntag führte also auch Hoeneß vor einem halben Jahr die Konstitution des Modellathleten Lewandowski an. Der Pole hat in seinen bisher drei Saisons in München nur neun Spiele verletzungsbedingt verpasst.
Das Timing seiner Blessuren hätte aber schlechter kaum sein können. Im Champions-League-Viertelfinale gegen Real Madrid verpasste er das Hinspiel wegen einer Schulterverletzung und 2015 spielte er im Halbfinale in Barcelona nach einer Gesichtsverletzung mit einer Maske weit unter seinen Möglichkeiten.
Carlo Ancelotti muss das Risiko minimieren
Die dünne Besetzung des Sturmzentrums bleibt ein nicht zu kalkulierendes Risiko, das die Münchner bewusst in Kauf nehmen und nur mit einem Mittel reduzieren können. Hier ist Trainer Carlo Ancelotti mehr gefragt als die für Transfers zuständigen Rummenigge oder Michael Reschke.
Der Italiener, der in seiner ersten Saison seinem Ruf als Verwalter gerecht geworden ist, muss mehr als Gestalter auftreten und im Laufe der Saison eine Alternative zu Lewandowski entwickeln. Der FC Bayern braucht eine Formation, in der Müller oder auch ein anderer Spieler als Mittelstürmer funktioniert und nicht als Eins-zu-eins-Ersatz für Lewandowski untergeht.
Müller hat zuletzt selbst angemerkt, dass er sich in dieser isolierten Rolle nicht wohlfühlt und mehr Spieler um sich herum braucht. Mit Thiago, James Rodriguez, Arjen Robben, Franck Ribery und Kingsley Coman hat Ancelotti jede Menge hoch qualifiziertes Personal, das er gewinnbringend einsetzen kann.
FCB-Bosse erhöhen Druck auf Carlo Ancelotti
Dass sich auch die Vereinsführung von Ancelotti ein bisschen mehr erwartet als in seiner Debütsaison, haben Rummenigge und Hoeneß mit ihren Aussagen vom Wochenende bereits klargemacht, wenn auch nur indirekt.
Hoeneß hat den Trainer nach der Verpflichtung dessen Wunschspielers James in die Pflicht genommen und Rummenigge hat selbst den Vergleich mit dem Triplejahr 2013 in den Mund genommen.
"Carlo macht auf mich ein bisschen den Eindruck wie Jupp Heynckes in seinem zweiten Jahr. Jupp war im ersten Jahr dreimal Zweiter, das hat ihn ziemlich gewurmt. Er hat dann die Dinge ein bisschen verändert und bei Carlo habe ich den Eindruck auch, dass die Schrauben angezogen werden", sagte Rummenigge.
In der Stürmerfrage muss Ancelotti aber deutlich kreativer sein als Heynckes. Der hatte damals mit Mario Mandzukic, Mario Gomez und Claudio Pizarro gleich drei Top-Stürmer zur Verfügung.