"Mein Vater sagte immer..." Olivier Boussard braucht nicht lange, den Lieblingssatz von Geoffrey Kondogbia herauszufinden. Der junge Franzose sitzt mit dem Journalisten von France Football am Trainingsplatz des AS Monaco und gibt ein umfangreiches Interview. Boussard scheint überrascht ob der Abgeklärtheit, die Kondogbia bei seinen Antworten an den Tag legt. "Ganz schön diplomatisch, der junge Mann", gibt er zu Protokoll.
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Genau diese Abgeklärtheit unterstreicht nicht nur sein reifes Auftreten gegenüber anderen Personen, sondern auch all das, was sein Auftreten auf dem Feld ausmacht. Im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals gegen den FC Arsenal gehörte die Nummer 22 des AS Monaco zu den besten Spielern auf dem Platz. Er erzielte das 1:0 im Emirates für seine Farben und ließ darauf eine Leistung folgen, die den 1,88-Meter-Mann auch bei nicht Fußball-Verrückten bekannt machte.
"Ich wollte boxen"
Kondogbia führte Regie, wie man es von einem Spieler in seinem Alter auf dieser Position nur selten beobachten darf. Hektik und Nervosität scheinen Fremdwörter für ihn zu sein, eine gute Spielübersicht und geschicktes Einsetzen seines robusten Körpers sind seine Maxime. Aufzufallen ist ihm nicht wichtig. Die Mannschaft ist und bleibt Priorität Nummer eins. "Während einer Partie konzentriere ich mich nur auf mein Spiel und das der Mannschaft. Den ganzen Rest schalte ich ab." Worte, die für einen so jungen Mittelfeldspieler in der Umsetzung keine Selbstverständlichkeit darstellen.
Seinen persönlichen Siegeszug begann der junge Geoffrey schon mit sechs Jahren, als ihn sein Vater dazu überreden musste, Fußball zu spielen.
"Mein Vater hat immer die Beiträge beim Fußball-Klub bezahlt, aber ich wollte lieber mit meinen Freunden spielen, Fahrrad fahren oder auf der Straße herumtollen. Ich hasste die Disziplin beim Verein, das ständige hin- und herpassen. Daher ging ich nie zum Training."
Sein Vater pochte aber darauf, dass sein Sohn weitermachte, obwohl Klein Geoffrey ganz andere Dinge im Sinn hatte: "Ich wollte eigentlich nur dribbeln und Spaß haben. Außerdem wollte ich mit dem Boxen anfangen. Eines Tages ging ich zu meinem Vater, um ihm das zu sagen. Darauf hat er mir nur geantwortet, dass dies das letzte Jahr sein würde, in dem er mich beim Fußball-Verein einschreibt."
Der Weg ins Fernsehen
Irgendwann in jenem Jahr fand Kondogbia trotzdem seinen Gefallen am Fußball und daran, was dieser einem jungen Menschen ermöglichen kann. Der kleine Freigeist spielte vier Jahre für den FC Nandy, bevor er 2003 in den Jugendbereich des US Senart-Moissy wechselte. Der Fünftligist diente ein Jahr später als Sprungbrett in höhere Sphären des Fußballs, als der RC Lens an die Türe klopfte. Kondogbia war damals gerade elf Jahre alt.
War es in der Vergangenheit noch der Vater, der ihn zum Fußball drängte, war es dieses Mal der Sohnemann selbst, der seinen alten Herren erst überreden musste. "Mein Vater wollte eigentlich nicht, dass ich nach Lens gehe. Ich habe so lange auf ihn eingeredet, bis er schließlich zustimmte." Und zum ersten Mal ließ er dem Jungen auch seinen Willen.
In der Tat wurde seine Begeisterung für den Fußball nicht nur durch das runde Leder geweckt. Kondogbia trieb in jungen Jahren auch etwas anderes an, das er einmal so beschrieb: "Bei Nandy dachte ich mir: ‚Es wäre toll, ins Fernsehen zu kommen.' In Moissy war ich schon zuversichtlicher: 'Ich will ins Fernsehen.' Bei Lens habe ich dann verstanden, was ich dafür tun muss: Ich musste unbedingt Profi werden. Für diesen Traum habe ich dann 100 Prozent gegeben. Ich wusste, das mir eine Karriere als Profi bevorstand."
Diese Selbstverständlichkeit war wahrscheinlich die treibende Kraft, die ihn 2010 im zarten Alter von 17 Jahren zu seinem Profidebüt verhalf. Gegen keine geringere Mannschaft als Olympique Lyon wurde er am 21. November in der 84. Minute für Toifilou Maoulida eingewechselt und begann damit, seinen Traum offiziell zu leben.
Adieu Raph'
In seiner ersten Saison gab es für Kondogbia nur ganze drei Einsätze im Dress von Lens und der Klub stieg zum Ende der Meisterschaft sang- und klanglos ab. Im Sommer verließ auch sein bester Freund, Raphael Varane, den Klub gen Madrid, um von nun an für das Weiße Ballett aufzulaufen und seine eigene vielversprechende Karriere voranzutreiben.
Für seinen Freund und Weggefährten Varane findet der Franzose nur warme Worte: "Wir waren immer zusammen. Er hatte die gleiche Erwartungshaltung wie ich. Er hat die ganze Zeit hart an sich gearbeitet. Das ist der Grund, dass er es heute so weit gebracht hat." Und nach nur einem Jahr zweite Liga mit Lens folgte auch er den Spuren seines Freundes und schlug 2012 sein Lager beim FC Sevilla auf.
Dass er nicht den Status von Varane oder Paul Pogba in Frankreich innehat, ist für einen, der den Sport selbst mit ganzem Herzen liebt, kein Problem: "Es ist normal, dass Paul und Raph' bekannter sind als ich. Wir kommen aus der gleichen Generation, aber haben verschiedene Wege eingeschlagen. Um ehrlich zu sein, stört mich das nicht. Im Gegenteil: Mir gefällt mein ruhiger Weg, abseits des Rampenlichts."
Interesse aus ganz Europa
Trotz sehr guter Leistungen beim FC Sevilla ging sein Wechsel nach Monaco im Sommer 2013 auch sehr still über die Bühne. Diesmal hielten ihn Namen wie Falcao, Joao Moutinho oder James Rodriguez vom Rampenlicht fern. Unter Trainer Claudio Ranieri kam er wenig zum Zug und konnte sein Können nur in Kurzeinsätzen aufblitzen lassen. Erst durch die Ankunft von Leonardo Jardim wird er zum unumstrittenen Stammspieler an der Cote d'Azur.
Nun scheint das Rampenlicht doch auf Geoffrey Kondogbia. Und zwar nicht nur jenes der Ligue 1 oder der Champions League, sondern auch Klubs aus ganz Europa haben ihre Visiere auf ihn ausgerichtet. Liverpool, Manchester United, Paris St. Germain, Real Madrid - eine schmeichelhafte Liste für eine junge Fußballer-Seele.
Aber Kondogbia wäre nicht er selbst, wenn er dies nicht hinten anstellen würde. Nun stehen wichtige Spiele in der Meisterschaft, wo es noch um die Champions-League-Plätze geht, und gegen Juventus in der Königsklasse an. Da ist kein Platz für Geoffrey im Zentrum der Aufmerksamkeit.
In diesen Situationen erinnert er sich wohl an die Worte seines Vaters. Denn dieser sagte immer: "Mein Sohn, versuche immer besser zu werden. Aber bleibe mit beiden Füßen am Boden, dann wirst du es auch schaffen."
Geoffrey Kondogbia im Steckbrief