"Hatte keinen Bock mehr auf Fußball"

Shkodran Mustafi bestritt in der letzten Saison 33 Spiele für den FC Valencia
© getty

Shkodran Mustafi ist seit einem Jahr Weltmeister. SPOX traf ihn in seiner Heimatstadt Bebra und sprach mit ihm über die Veränderungen seit der Nacht von Rio, sein Leben in Valencia und seine Freundschaft zu Mario Götze. Außerdem erzählt er von seiner besonderen Verbindung zu seine Eltern, geknackten Kaugummiautomaten und verrät, was ihn auf dem Boden hält.

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SPOX: Herr Mustafi, vor fast genau einem Jahr wurden Sie in Brasilien Weltmeister. Bisher sagten Sie immer, Sie hätten es noch nicht richtig verarbeiten können. Nun hatten Sie längere Zeit Urlaub...

Shkodran Mustafi: Es stimmt, ich hatte jetzt längere Zeit frei und genügend Möglichkeiten, darüber nachzudenken und die Geschehnisse im letzten Jahr einzuordnen. Aber Ich glaube nicht, dass man das je so richtig begreifen kann. Zumindest nicht während der aktiven Zeit. Momentan sind es die kleinen Dinge und Gesten, die einem bewusst werden lassen, dass man vor einem Jahr etwas Großes erreicht hat. Ich wurde letztens "Herr Weltmeister" genannt, das ist schon seltsam. Man merkt, dass wir im letzten Jahr sehr viele Menschen glücklich gemacht haben. Das ist eine wunderbare Sache.

SPOX: Was hat sich für Sie persönlich seit dem Triumph im Maracana verändert?

Mustafi: Ich persönlich habe mich nicht verändert. Klar ist man stolz auf das Erreichte. Immerhin hat man etwas geschafft, was nur ganz, ganz wenige Menschen auf der Welt schaffen. Auf der anderen Seite darf man sich darauf aber nicht ausruhen. In drei Jahren gibt's vielleicht ein neues Team, das Weltmeister wird, dann kräht kein Hahn mehr nach dir, wenn es blöd läuft. Deswegen habe ich den WM-Titel auch als Chance gesehen und mir als Ziel gesetzt, mich täglich zu verbessern und weiter hart an mir zu arbeiten. Aber klar, manche Dinge funktionieren als Weltmeister schon besser.

SPOX: Das sieht man beim DFB-Team seit dem Titelgewinn aber nicht. In der Qualifikation zur EURO 2016 läuft's bisher noch nicht so rund. Woran liegt das?

Mustafi: Ich würde nicht sagen, dass es nicht läuft. Es ist unglaublich schwierig, als amtierender Weltmeister gegen kleinere Teams anzutreten, weil es für diese Nationen einfach das Spiel des Jahres ist. Die geben in solchen Partien 120 Prozent.

SPOX: Bei aller Demut: Man darf doch erwarten, dass der Weltmeister Teams wie Irland oder Polen schlägt...

Mustafi: Natürlich müssen wir solche Spiele gewinnen. Aber teilweise sind auch die Erwartungen ins Unermessliche gestiegen. Wir sind keine Maschinen. Niemand geht gerne als Verlierer vom Platz, aber man sollte auch mal ein Spiel verlieren dürfen, ohne dass es einer Tragödie gleicht. Wir haben noch alles in der eigenen Hand. Wir können uns noch immer als Gruppenerster für die EM qualifizieren. Von daher sollte man die Dinge auch nicht so schwarzsehen. Intern sehen wir das viel positiver, als es von außen gemacht wird. Natürlich lief es bisher nicht optimal, aber es hat ja auch keinen Sinn, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken und damit zu hadern, dass man das eine oder andere Spiel nicht gewonnen hat.

SPOX: Geht man nicht vielleicht doch unterbewusst diesen einen Schritt weniger?

Mustafi: Nein. Dazu haben wir doch gar nicht die Spielertypen. Wir wurden in Brasilien nicht Weltmeister, weil wir alle Teams komplett an die Wand gespielt haben oder den einen überragenden Akteur auf dem Feld. Wir haben als Mannschaft funktioniert. Das ist auch immer noch so. Man gibt immer alles und will gewinnen, das ist doch klar. Egal ob gegen Andorra oder Brasilien. Wenn man zu viel will, schießt man auch über das Ziel hinaus. Im Endeffekt ist es egal, was man macht. Wenn man nicht gewinnt, hat man irgendetwas falsch gemacht. Aber ich halte es für den falschen Ansatz nach Problemen zu suchen, wo überhaupt keine sind.

SPOX: Nach dem WM-Titel erlebte das DFB-Team einen Umbruch. Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose traten aus der Nationalmannschaft zurück. Wer kann und soll dieses Vakuum ausfüllen?

Mustafi: Jeder weiß, was die drei Spieler für Fußball-Deutschland geleistet haben. Sie haben riesige Fußstapfen hinterlassen, die jetzt ausgefüllt werden müssen. Aber man muss den jungen Spielern Zeit geben. Wir haben die Spieler dafür. Man vergisst immer, dass wir eine extrem junge Mannschaft sind. Es ist nicht einfach einen Miro Klose zu ersetzen, er hat nicht umsonst 16 WM-Tore erzielt. Auch das Fehlen eines Phillip Lahm merkt man im Spiel, alleine seine Erfahrung geht uns ab. Man darf nicht erwarten, dass direkt ein Spieler parat steht und exakt das gleiche Niveau verkörpert. Das geht gar nicht.

SPOX: Kommen wir zu Ihrer Rolle im DFB-Team. Sie haben bisher acht Länderspiele, wurden nach der WM immer ins Ausgebot berufen. Fühlen Sie sich als fester Bestandteil des Teams?

Mustafi: Wer kann von sich sagen, dass er ein fester Bestandteil der deutschen Nationalmannschaft ist? Das kann man eigentlich nie sagen. Es gibt in Deutschland genug Spieler, die darauf brennen für die Nationalelf auflaufen. Diesen Druck hast du immer, von daher darfst du dir nie sicher sein. Ich versuche einfach, meine Leistungen im Verein zu bringen und mich dadurch immer wieder für Joachim Löw zu empfehlen.

SPOX: Eins ist auffällig: Sie fielen nicht in ein Leistungsloch wie der eine oder andere Weltmeister. Wie kommt das? Zumal Sie ja zu Beginn der letzten Saison noch verletzt waren...

Mustafi: Richtig, der Muskelbündelriss vom WM-Achtelfinale ließ mich erst später in die Vorbereitung bei Valencia einsteigen. Dort hatte man hohe Erwartungen an mich, ich war jetzt Weltmeister. Ich musste zuallererst fit werden und mich dann bei einem neuen Verein profilieren. Dadurch fiel ich in kein Loch, weil ich mich direkt neu beweisen musste. Ich konnte mich nicht zurücklehnen.

Seite 1: Sein Jahr als "Herr Weltmeister" und die Probleme in der EM-Quali

Seite 2: Seine Verbindung zu Götze und das Interesse von Real Madrid

Seite 3: Seine Probleme in Everton und geknackte Kaugummiautomaten