Bei den US Open spielte Stephan Jäger sein erstes Major. Der 26-Jährige spricht im Interview mit SPOX über seine Erlebnisse in Chambers Bay, seinen mentalen Einbruch, das wichtigste Turnier seines Lebens und den Sedlmayr-Putt. Zudem stellt Jäger klar, dass es ihm nicht reicht, einfach nur besser als Tiger Woods zu sein.
SPOX: Herr Jäger, die US Open 2015 sind Geschichte. Das Wochenende haben Sie nicht erreicht, waren aber ebenso gut wie Rickie Fowler und sogar besser als Tiger Woods. Darf man gratulieren?
Stephan Jäger: Klar kann man immer sagen, man war so gut wie Rickie oder Tiger, das Ziel war aber ein anderes. Ich wollte den Cut schaffen, das hat nicht geklappt. Man kann das auf mein Golf beziehen oder den mentalen Bereich. Ich habe besser gespielt, als der Score es gezeigt hat. Natürlich habe ich Tiger geschlagen, aber das können 150 andere Spieler auch behaupten.
SPOX: Wie und wann begann eigentlich Ihre persönliche US-Open-Woche?
Jäger: Ich bin am Sonntag nach Seattle geflogen und am Abend gleich in unser gemietetes Haus zu meiner Mutter, meinem Trainer Ken Williams und meinem Caddie gefahren. Montag früh ging es auf den Platz, wo ich mich erst akkreditieren musste. Alleine das ist ein riesiger logistischer Aufwand, immerhin ist das ganze Drumherum dort noch vier Mal größer als bei den BMW International Open. Anschließend habe ich mich für eine Proberunde mit John Parry, einem Bekannten meines Trainers Ken Williams, eingetragen und mit ihm 18 Loch gespielt. Gegen 4 oder 5 war bei mir ein wenig relaxen angesagt und so haben wir noch ein wenig gegrillt.
SPOX: Wie koordiniert man Training und Proberunden vor so einem wichtigen Turnier?
Jäger: Am Dienstag habe ich mit Stephen Gallacher und Henrik Stenson gespielt. Es waren jedoch nur neun Loch, weil man sich in so einer mental anstrengenden Woche auch ein wenig schonen möchte. Danach habe ich noch ein wenig trainiert und daheim an der Fitness gearbeitet. Mittwochs hatte ich denselben Ablauf, aber umgekehrt, weil ich auch die Nachmittagsbedingungen testen wollte. Dann ging es früh ins Bett, schließlich ging es am Donnerstag ja schon um 7:30 Uhr los.
SPOX: Wie war Ihr persönliches Gefühl unter der Woche?
Jäger: Der Platz war natürlich ein wenig weicher, als er sich im Turnier dann herausgestellt hat, aber ich fühlte mich wohl. Natürlich ist man nervös, wenn man die Proberunde mit einem Henrik Stenson spielt, aber das war auch der Grund, warum der erste Abschlag am Donnerstag dann nicht mehr so schlimm war. Ich habe gut gespielt, aber leider keine Putts gelocht. Wenn davon ein wenig mehr gefallen wären, hätte ich wohl am Wochenende spielen dürfen.
SPOX: Sie lagen bis zum 12. Loch des zweiten Tages bestens im Rennen um den Cut. Wie kam der Einbruch auf den letzten sechs Löchern zustande?
Jäger: Ich habe gut gespielt, habe ein starkes Par an der 11 gemacht. Dann waren wir jedoch zeitlich zwei Löcher im Rückstand und mussten uns beeilen. Ich bin eigentlich jemand, der das schnelle Spiel bevorzugt, wurde vom Rhythmus aber wohl etwas zu schnell. Das darf auf diesem Platz nicht passieren, denn man kann in Chambers Bay nicht einfach blind auf die Fahne hauen. Letztlich habe ich dann ein Double Bogey an der 13 gefangen, von dem ich mich mental nicht mehr erholen konnte. Das darf beim nächsten Mal nicht passieren.
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SPOX: Warum taten Sie sich ausgerechnet auf Ihren persönlichen Back Nine in beiden Runden so schwer?
Jäger: Ich war zu ungeduldig, einfach einen Tick zu aggressiv. Die Schwierigkeit an dem Platz war, dass man schlechte Schläge nur schwer aufholen konnte. Es ist für mich schwierig, mich bei so etwas zurückzuhalten, weil ich eher ein aggressiver Spieler bin. Wenn man dann +1 oder +2 ist und versucht, zu attackieren, geht es nach hinten los. Dabei muss man selbst, wenn man ein Double Bogey macht, versuchen, weiterhin in Ruhe sein Spiel durchzuziehen, die Grüns zu treffen und zwei Putts zu machen. Wenn man dann mal ein Birdie einstreut, ist es auch gut.
SPOX: Was sagen Sie zu der Debatte um die Grüns? Henrik Stenson sprach von Putten auf Brokkoli, Rory McIlroy erhöhte auf Blumenkohl.
Jäger: Der Platz hat sich gut gespielt, nur die Grüns waren wirklich schlecht. Es ist einfach so, dass wir auf der European-, Web.com- und PGA Tour perfekte Bedingungen gewohnt sind. Man geht zur US Open und stellt sich auf pfeilschnelle, perfekte Grüns ein. Wenn man dann solche Bedingungen vorfindet wie in Chambers Bay, ist es mental schwierig, mit dieser unangenehmen Überraschung fertig zu werden. Am Ende muss man aber auch sagen, dass der beste Spieler gewonnen hat.
SPOX: Wie kann man sich die Fescue-Grüns von Chambers Bay vorstellen?
Jäger: Das Problem war, dass sie so extrem schnell waren. Man konnte den Ball nur antippen und trotzdem ist er mal deutlich links oder rechts weggebrochen. Wenn man den Ball unterhalb des Loches platzierte, hatte man damit keine Probleme. Die Topleute haben das geschafft. Das ist wie bei einem Turnier im Regen: Jeder muss darin spielen, jeder muss damit klar kommen.
SPOX: Ihr Trainer Ken Williams bezeichnet Sie eigentlich als Künstler im kurzen Spiel. Was sagen Sie selbst dazu?
Jäger: Dem würde ich in jedem Fall zustimmen. Ich war schon immer jemand, der lieber am kurzen Spiel gearbeitet hat, als sich stundenlang auf die Range zu stellen. Das ist eben der Vorteil, den ich habe, wenn mal ein Drive oder ein Eisen nicht so kommt wie gewollt.
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SPOX: Haben Sie die Atmosphäre eines Major-Wochenendes dennoch genießen können?
Jäger: Ehrlich gesagt, nein. Ich bin nur einmal kurz auf den Platz und habe zugesehen. Ich bin jemand, der bei so etwas ein wenig eingeschnappt ist. Wenn ich selbst teilgenommen habe, kann ich mir den Rest nicht ansehen.
SPOX: Der Medienrummel um Sie stieg in den Wochen nach der geglückten Qualifikation rasant an. Wie gehen Sie damit um?
Jäger: Es war ganz lustig, als ich gestern Moritz Lampert, einen guten Freund von mir, nach Jahren wieder getroffen habe. Er sagte zu mir, er habe sechs Monate lang gar nicht gewusst, dass ich auf der Web.com-Tour spiele. Ich bin eben niemand, der so etwas sofort in jeden Social-Media-Kanal schreibt. Mein Motto lautet: Wer sich für mich interessiert, der findet so etwas raus. Durch die US-Open-Quali wurde das Interesse natürlich größer, aber damit habe ich kein Problem. Grundsätzlich finde ich meinen Weg auch ohne die Medien.
SPOX: Merken Sie, dass in den letzten Wochen mehr Augen auf Sie gerichtet werden?
Jäger: Jetzt in Eichenried ist das normalerweise nicht so. Dort sehen mir viele ehemalige Mitglieder zu. Ich bin in diesem Club aufgewachsen. Die Leute kennen mich hier immer noch als den Stephan Jäger, der früher Jugendturniere oder den Monatsbecher gespielt hat. Ich hoffe, dass sich das auch, wenn sich der Erfolg in den USA einstellen sollte, nicht ändern wird.
SPOX: Sie scheinen Ihre beste Leistung immer bei besonders wichtigen Events wie bei den US-Open-Regionals oder der Qualifying School abzurufen. Woher kommt diese Nervenstärke?
Jäger: Gute Frage (lacht). Wenn es um die Wurst ging, da können Sie auch meine Highschool-Mates fragen, habe ich es immer irgendwie geschafft, besonders stark zu spielen. Ich hoffe, dass ich diesen Fokus auch mal in ein normales Turnier bringe. Ich habe immer wieder diese Momente, wie Ende letzten Jahres, als ich mich auf den letzten Drücker für die Web.com-Tour qualifiziert habe. Vielleicht bekomme ich in solchen Situationen mental einfach diesen Extra-Kick. Genau weiß ich das aber selbst nicht.
SPOX: War die Qualifikation für die Web.com-Tour vielleicht noch wichtiger als die Teilnahme in Chambers Bay?
Jäger: Viel wichtiger! So ein Turnier kann ein Leben verändern. Sollte ich in den nächsten Monaten auf der Web.com-Tour gut spielen, werde ich mein Leben lang auf diese Qualifying School, auf diese letzten Löcher zurückblicken und sagen, dass das die wichtigsten Back Nine meiner Karriere waren. Man weiß ja nie. Nehmen sie Jordan Spieth: Der wurde 2013 zwei Mal Vierter auf der Web.com-Tour und bekam plötzlich eine Sponsoreneinladung für die Puerto Rico Open auf der PGA Tour. Dort wurde er geteilter Zweiter, kam in die nächsten Turniere, gewann die John Deere Classic und veränderte dadurch sein ganzes Leben.
Marco Kaussler im SPOX-Interview: "Ein Brief von Müller"
SPOX: Der geteilte vierte Rang bei der Mexico Championship gab Ihrer Saison eine neue Wendung. Als 82. der Gesamtwertung konnten Sie Ihre Startberechtigung für die Web.com-Tour weiter ausdehnen. Welche Ziele setzen Sie sich für die restliche Saison?
Jäger: Ich will mich in jedem Fall in die Top 25 verbessern, um mir mit der Teilnahme am Web.com-Tour-Finale eine beschränkte Startberechtigung für die PGA Tour zu sichern und diese mit einer guten Performance in den Playoffs möglichst erweitern. Dafür muss ich endlich die richtige mentale Einstellung finden und mir mit Selbstvertrauen einen Lauf erarbeiten. Dann ist das in jedem Fall möglich.
SPOX: Lassen Sie uns über das Turnier in Eichenried sprechen. Jeder kennt Sie hier als Sedl. Mit Ihrem Vornamen hat der Spitzname ja nicht viel zu tun. Woher kommt er also?
Jäger: Vor 14, 15 Jahren habe ich mit Ken und einem bayrischen Urgestein hier in Eichenried auf dem Kurzplatz gespielt und annähernd jeden Putt zu kurz gelassen. Im Golfen spricht man dann ja gerne von einem "schwulen Putt". Da man das aber nicht sagen darf, sprach der Herr immer von einem Sedlmayr-Putt, benannt nach dem bekannten bayerischen Schauspieler. Ken hat es von da an geliebt, mich damit aufzuziehen. Mit der Zeit entstand der Spitzname Sedl, mit dem mich nicht nur jeder meiner Freunde und meine Eltern, sondern auch die Mitglieder in Eichenried rufen. Glücklicherweise hat sich das in Amerika noch nicht durchgesetzt (lacht).
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