Rückraum links:
Pascal Hens (HSV Hamburg):
Der Captain muss sich ausschließlich auf sich selbst konzentrieren. In der Vergangenheit hat er seine Aufgabe vielleicht etwas falsch interpretiert. Er hat versucht, für alle anderen mitzudenken, sie anzuspornen und für gute Stimmung zu sorgen. Dabei hat er sich selbst ein wenig vergessen. Jetzt scheint er wieder mehr an sich zu denken.
Im ersten Spiel gegen Ungarn hat er es sehr gut gelöst, aber im zweiten hat man dann auch gesehen, welche Probleme er bekommt, wenn sich die Abwehr auf ihn einstellt und früher attackiert. Er ist niemand, der in die Tiefe geht. Er benötigt einen relativ weiten Anlauf und lange Wege. Wenn er dann aus dem ersten Schritt nach der Ballannahme hoch geht, ist er nach wie vor nicht aufzuhalten.
Aber wenn er zu nahe an der Deckung ist, vieles aus dem Stand passiert und er auch zu wenig von seinen Mitspielern gebracht wird, gibt es Probleme. Er ist in seinem Alter auch nicht mehr so explosiv und durchschlagskräftig, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall war. Dafür ist seine Routine außergewöhnlich. Er ist einer, der in Szene gesetzt werden muss und die richtige Entscheidung im Abschluss treffen kann. Das ist seine große Stärke.
Lars Kaufmann (SG Flensburg-Handewitt):
Es wird Momente geben, da werden ihn alle Zuschauer vor dem Fernseher verfluchen, wenn er es mal wieder übertreibt mit seinen vogelwilden Gewaltswürfen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber: Es ist durchaus imponierend, wie er sich durch nichts beirren lässt, er seiner Linie treu bleibt und sein Ding durchzieht. Man muss ihn im Zweifelsfall vor sich selbst schützen bzw. die Mannschaft schützen und ihn vom Parkett holen.
Aber: Man braucht auch solche Spieler wie ihn. Wenn gar nichts mehr geht und aus dem Rückraum wenig Gefahr ausgestrahlt wird, was im deutschen Team immer wieder vorkommt, dann ist er jemand, der mal heiß laufen und drei, vier, fünf Dinger in Serie in den Winkel schrauben kann. Sonst hat das DHB-Team niemanden, der das drauf hat. Er hat einige Zeit gebraucht, bis er nach seinem Wechsel von Göppingen nach Flensburg in neuer Umgebung klargekommen ist.
Die Ansprüche waren und sind hoch, aber jetzt passt das gut in Flensburg. Er wirkt im Spiel zwar immer so gedankenlos, aber Kaufmann ist ein introvertierter Typ und macht sich zwischen den Spielen mehr Gedanken, als mancher denken mag.
Sven-Sören Christophersen (Füchse Berlin):
Internationaler Durchbruch in der Nationalmannschaft, wo bist du? Christophersen hat sich in Berlin prächtig entwickelt, aber in der Nationalmannschaft wartet man auf den Moment, an dem es endlich mal klick macht. Wenn er denkt, dass er Einsatzzeiten einfordern kann und er nicht versteht, warum er nicht mehr Spielanteile bekommt, ist das der falsche Ansatz und eine falsche Anspruchshaltung, die er zu haben scheint.
Das Phlegma, das er bei den Füchsen längst abgelegt hat, hat er beim DHB-Team irgendwie immer noch. Dass er es kann, hat er schon bewiesen. Das ist nicht die Frage. Er muss jetzt ein bisschen mehr beißen und deutlicher zeigen, dass er unbedingt will. Und auch mal dahin gehen, wo es weh tut. So abgedroschen es klingt.
Rückraum rechts:
Holger Glandorf (SG Flensburg-Handewitt):
Schon lange dabei. Hat große Turniere gespielt, aber auch ganz schwache. Lebt von seiner Bewegung und seinem immensen, teilweise ungesunden, Zug zum Tor. Er braucht auch die weiten Wege. Wenn er alleine gegen eine Abwehr gehen muss, wird es schwierig für ihn. Er hat in dieser Saison in Flensburg wieder in die Erfolgsspur gefunden und spielt eine gute Saison. Dass er der beste Halbrechte Deutschlands ist, steht ohnehin außer Frage.
Sicher einer der Hoffnungsträger. Besonders positiv hervorzuheben ist Glandorfs positive Art. Für ihn ist das Glas immer halbvoll. Solche Typen braucht man. Er schaut immer nach vorne, kennt überhaupt keine Angst und lässt sich von nichts und niemandem beeindrucken.
Adrian Pfahl (VfL Gummersbach):
Hat vor allem in der Quali überzeugt. In Gummersbach macht er schwere Zeiten durch und ist wahrscheinlich froh, da mal rauszukommen. In der Nationalmannschaft ist der Druck für ihn persönlich nicht so groß, in Gummersbach lastet viel auf seinen Schultern, so was prägt und kann einen auch fertig machen. Die Nationalmannschaft birgt deshalb für ihn die Chance, sich voll zu konzentrieren und für die Rückrunde zu stärken.
Das kann er ruhig so individuell sehen. Wenn er ins Spiel kommt, ist er sofort bereit und übernimmt Verantwortung. Er benötigt keine große Anlaufzeit und kann Glandorf sofort ersetzen. Insgesamt ist das ein Duo, das ziemlich gut harmoniert.
Rückraum Mitte:
Michael Haaß (Frisch Auf Göppingen):
Sein großes Problem: Er ist schon seit geraumer Zeit damit überfordert, vorne und hinten entscheidende Rollen ausfüllen zu müssen. Hinten im Abwehrverbund mit Oli Roggisch, was gut funktioniert und was er gut macht. Was natürlich aber auch mega-anstrengend ist. Und vorne soll er der Spielgestalter sein, der die Spielzüge ansagt. Dabei vergisst er ab und zu mal sich selbst und ist teilweise schlichtweg überfordert mit den Aufgaben, die an ihn gestellt werden.
Das Individuelle kommt kaum noch zum Tragen. Er hat noch nicht die richtige Mischung gefunden aus "jetzt mache ich mal was für mich und versuche etwas" und "jetzt sage ich einen Spielzug an". Da fehlt ihm noch das richtige Gefühl. Man bekommt den Eindruck, dass er sich immer mehr zurücknimmt und nur noch der Einleiter von Auslösehandlungen ist. Es besteht die Gefahr, dass er sich insgesamt zu viel aufbürdet.
Was ihn früher ausgezeichnet hat, nämlich auch mal bewusst, ein Risiko zu gehen, fehlt mittlerweile völlig. Früher war er eher verspielt und zu undiszipliniert, aber heute spielt er mir viel zu automatisiert. Ich würde mir wünschen, dass er das in den Griff bekommt, weil er es eigentlich drauf hat und ein richtig guter Typ ist. Dazu ist er einer der wenigen im deutschen Team, die körperlich auf dem internationalen Top-Niveau mithalten können.
Weil er eben über den entsprechenden Körper verfügt, um sich im Eins-gegen-Eins durchzusetzen. Dafür hat er aber wohl den Kopf nicht frei. Wenn er sich ein bisschen mehr Freiheiten rausnehmen und an sich selbst denken würde, würde ihm das gut tun. Insgesamt eine Person, die in Serbien ganz stark gefordert ist.
Martin Strobel (TBV Lemgo):
Der Lemgoer war eigentlich schon ein bisschen auf dem Abstellgleis gelandet, er hat sich aber jetzt durch gute Leistungen beim TBV wieder in die Mannschaft gekämpft. Strobel ist der klassische Markus-Baur-Typ, wobei er auch nicht der ganz große Stratege ist.
Heuberger verzichtet vorerst auf Strobel
Viel Überraschendes kommt auch bei ihm nicht. Er ist wirklich jemand, der die Auslösehandlungen ansagt und durchspielt. Er hat in dieser Saison ordentlich gespielt und sich die Nominierung damit verdient. Wäre aber natürlich durchs Sieb gefallen, wenn Michael Kraus fit wäre.