Vor der Basketball-EM in Litauen (31. August bis 18. September) gehen die Meinungen weit auseinander. Sind die Franzosen geborene Loser? Was entgegnet Spanien dem Nowitzki-Kaman-Monster? Und sind alle Bauermann-Kritiker Bremsbirnen? Sport1-Kommentator Frank Buschmann, der von jedem deutschen Spiel live berichten wird, diskutiert mit den SPOX-Redakteuren Philipp Dornhegge, Haruka Gruber und Florian Regelmann über die wichtigsten Themen vor der EM.
These: Deutschland hat den besten Frontcourt Europas.
Frank Buschmann: Absolut korrekt. Dirk ist ohnehin konkurrenzlos und hat sein Spiel in den letzten ein, zwei Jahren sogar auf ein neues Level gehoben. Und dann Chris Kaman: Er wird noch immer unterschätzt, dabei verfügt er als 120-Kilo-Mann über eine extrem gute Fußarbeit, weiß seinen Hintern einzusetzen und besitzt ein weiches Handgelenk. 2008, bei der Olympia-Qualifikation, hat das Gesamtpaket Kaman-DBB noch nicht so gepasst. Der Wurf war schon damals gut, aber Kaman war sportlich nicht voll integriert. Jetzt jedoch scheint er sehr ausgeruht zu sein und seine Verletzungsprobleme in den Griff bekommen zu haben. Wir dürfen nicht vergessen: Er ist ein NBA-All-Star! Der deutsche Frontcourt wird das Nonplusultra in Europa sein. Selbst die Spanier können nicht mithalten.
Florian Regelmann: Kann ich nur unterschreiben. Spanien kann noch 100 Ibakas anschleppen, aber Dirk alleine macht den Frontcourt durch seine pure Anwesenheit eigentlich schon zum besten Europas - aber es geht nicht mal nur um Nowitzki. Kaman kommt immer mehr in die Form, die er vor zwei Jahren hatte, bevor seine Verletzungsprobleme kamen. Und jetzt sagt ihr mir doch mal schnell, wie viele Center vor zwei Jahren in der NBA mehr Punkte im Schnitt gemacht haben als Kaman? Wenn man David Lee als Center zählt, waren es genau zwei. Lee und Brook Lopez, dahinter kam gleich Kaman mit 18,5 Punkten. Kaman ist nicht irgendein brauchbarer NBA-Spieler, Kaman ist ein All-Star und zum Beispiel klar besser als Marc Gasol. Ich erwarte in Litauen im Schnitt 20 Punkte und 10 Rebounds von ihm. Es sieht ja auch so aus, als ob gerade zu Beginn des Spiels viele Plays für Kaman gelaufen werden. Das ist genau der richtige Weg.
Das Vorbereitungs-Fazit: In Heiko we trust, Part II
Philipp Dornhegge: Sicher, Teams wie Frankreich mit Joakim Noah und Boris Diaw, Russland mit Timofey Mozgov und Sasha Kaun, Ukraine mit Oleksiy Pecherov und Kyrylo Fesenko, da gibt es reichlich Spieler, die entweder sehr athletisch oder enorm abgehärtet und abgezockt sind. Aber: Keiner dieser Spieler macht den Unterschied aus. Im Gegensatz zu Nowitzki und Kaman. Über Frontcourt-Spieler dieser Kategorie verfügen nur die Spanier und die Italiener. Die haben mit Andrea Bargnani und Danilo Gallinari exzellente Offensivspieler, aber leider keine Tiefe. Auf das Small-Forward-Duell Benzing gegen Gallo freue ich mich jetzt schon, um zu sehen, wie der Deutsche da mithalten kann.
Buschmann: Philipp, Du freust dich auf Benzing gegen Gallinari? Tut mir leid, aber von Robin zu fordern, mit ihm mitzuhalten, ist zu viel verlangt. Es ist nicht lange her, da habe ich mich in der Triangle Offense zu Robin geäußert und wurde der Ahnungslosigkeit bezichtigt. Deswegen bin ich vorsichtig. Daher nur so viel von mir: Gallinari wird in der NBA in den kommenden Jahren von sich reden machen. Er wird ein All-Star, wenn nicht etwas Komisches passiert. Robin ist davon ein ganzes Stückchen entfernt. Ich wünsche mir aber, dass Robin als Leistungsträger seinen internationalen Durchbruch schafft. Man sollte nur nicht unrealistische Erwartungen wecken.
Regelmann: Ich bin etwas zuversichtlicher. Ich bin überzeugt, dass Benzing unsere dritte Option sein wird. Er hat die Lehren aus dem miesen Sommer 2010 gezogen und wirkt gereift. Er ist bereit, die nächste Entwicklungsstufe zu nehmen - und wird sich nicht mehr einfach mal so von irgendwelchen Serben oder Franzosen rumschubsen lassen.
Haruka Gruber: Mir kommt bei Euch aber eine Sache zu kurz: die Tiefe. Dirk steht über allem, dazu ein verbesserter Kaman und als nette Beigabe Benzing - über die Starter gibt's keine Diskussionen. Doch was kommt dahinter? Tibor Pleiß begann stark in der Vorbereitung - und ist seit Kamans Einstieg von der Rolle. Er traf seitdem nur 30 Prozent seiner Würfe. Ihm fehlen nach wie vor Post-Moves, die er anbringen kann, auch wenn es mal nicht so läuft. Noch unkonstanter sind Jan Jagla und Tim Ohlbrecht. Größe, Erfahrung und Talent bringen sie mit, aber reicht das? Und so tough Sven Schultze ist - eigentlich kann er nicht die Antwort sein, wenn Dirk eine Pause braucht. Spanien hingegen: Die beiden Gasols sind vielleicht schlechter als Dirk und Kaman, aber dafür haben sie noch Serge Ibaka und Felipe Reyes sowie Rudy Fernandez und Victor Claver als Small Forwards. Gruselig.
Buschmann: Das stimmt, die Tiefe spricht für Spanien. Bei denen kommt einfach mal ein Ibaka von den Thunder dazu, der - wie ich gehört habe - auf einem guten Weg ist, sich vom NBA- an den FIBA-Basketball zu gewöhnen. Und Reyes ist kein Über-Scorer, aber einer, der überragend reboundet und mit allen Wassern gewaschen ist. Da können ein Pleiß, Ohlbrecht und Jagla nicht dagegenhalten. Bei Pleiß und Ohlbrecht sehe ich schon eine gewisse Entwicklung, aber langsam wird es Zeit für den nächsten Schritt. Irgendwann akzeptiere ich das Argument mit der Jugend nicht mehr. Bei Pleiß bin ich überzeugt, dass der Schritt kommt. Aber bei Ohlbrecht ist es immer noch auffällig, dass alles vom Kopf abhängt. Mal geht er ab wie gegen Bosnien, mal sammelt er in 8 Minuten 5 Fouls. Und noch eine Sache zu Jagla: Es tut mir ein bisschen weh zu sehen, welche Probleme er als Backup hat. Er hat viel mit sich selbst zu tun. Seine eventuell aufkommende Unzufriedenheit ist das einzige Konfliktpotenzial, das ich beim DBB-Team sehe.
These 2: Spanien ist EM-Gold nicht zu nehmen.
These 3: Frankreich wird erneut enttäuschen.
These 4: Die Shooting-Guard-Position wird für Deutschland verhängnisvoll.
These 5: Die EM entscheidet, ob Bauermann ein europäischer Top-Coach ist.
These: Spanien ist EM-Gold nicht zu nehmen.
Haruka Gruber: Ja, Spanien holt Gold. Da reimt man sich zusammen, dass sie vielleicht nicht ganz so gut sind, weil Ricky Rubio eine schwache Saison gespielt hat oder Jorge Garbajosa nicht mehr dabei ist. Dann fällt einem erst ein, dass Rubio nur der Backup von Jose Calderon sein soll und Garbajosa nebenbei mit Ibaka ersetzt wird. Und dann kommen die üblichen Namen: die beiden Gasols, Juan Carlos Navarro, Rudy, Claver, Sergio Llull... Die Mannschaft ist in der Spitze und in der Breite am besten besetzt und von Ibaka abgesehen eingespielt. Griechenland war beim Super Cup in Bamberg bärenstark, aber am Ende fehlt doch die Qualität von Dimitrios Diamantidis, Thodoros Papaloukas und Vassillis Spanoulis. Litauen hat zwar den Heimvorteil, dafür scheint das Team nicht ganz so stark besetzt wie die letzten Jahre, zumal Linas Kleiza fehlt. Bleibt also Spanien. Es gibt nur ein Szenario, bei dem ich mir vorstellen könnte, dass was geht für Deutschland: K.o.-Spiel, letzter Angriff, das DBB-Team liegt mit einem Punkt hinten, Dirk gegen Pau...
Frank Buschmann: ... wenn es so eintrifft, dann setzte ich auch auf Deutschland. Das große Problem ist nur: Wir müssten erst in diese Situation kommen, dass man gegen Spanien bis zum letzten Angriff in Schlagdistanz ist. Nein, Spanien holt den EM-Titel, wenn alles normal läuft. Letztes Jahr habe ich vor der WM zwar gesagt, dass Spanien noch vor den USA Gold holt. Die Prognose ist ja fürchterlich nach hinten losgegangen. Dennoch: Spaniens Kader ist unfassbar gut - und die Spieler funktionieren auch noch als Mannschaft. Dass Garbajosa fehlt, werden sie ohne Probleme verknusen. Die einzige Mannschaft mit einer kleinen Chance ist Litauen. Eigentlich sollten sie von der individuellen und spielerischen Klasse weit hinter Spanien angesiedelt sein, aber wenn sie von der Euphorie und dem ganzen Trallafitti im eigenen Land getragen werden, könnte die Post abgehen.
Philipp Dornhegge: Für mich ist Spanien ebenfalls Favorit - aber nicht so klar, wie es Haruka und Buschi glauben. Garbajosas Fehlen reißt ein gewaltiges Loch in die Hierarchie der Mannschaft. Sportlich war er nicht mehr der ganz große Bringer, aber seine Leaderqualitäten sollte man nicht unterschätzen. Diesen Verlust muss auch Spanien auf dem absoluten Toplevel erst mal kompensieren. Dazu kamen in den letzten Wochen die Verletzungssorgen bei Rubio und Rudy sowie eine Testspiel-Niederlage gegen Gruppengegner Litauen. Es gibt entsprechend schon noch ein paar Fragen, die ich beantwortet sehen will, bevor ich den EM-Titel vergebe. Dafür sind viele andere Nationen wie Griechenland, Gastgeber Litauen oder wer auch immer sich in der deutschen Todesgruppe B durchsetzt zu stark.
Florian Regelmann: Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Spanier das vergeigen sollen. Die sind mit Pau einfach ein komplett anderes Team. Und niemand ist ansatzweise so tief besetzt. Ich hoffe es nicht, aber ich befürchte, dass die Spanier da ziemlich durchspazieren können. Wenn es Teams gibt, die den Spaniern eventuell gefährlich werden, dann sind es allen voran die Italiener, die mein absoluter Sleeperpick sind mit Bargnani, Gallinari, Marco Belinelli oder auch Stefano Mancinelli. Aber auch die Litauer vor heimischem Publikum und trotz vieler fehlender Topstars die Griechen. Eventuell die Russen und die Slowenen, bei denen Bostjan Nachbar zwar kaputt, dafür Erazem Lorbek zurückgekehrt ist. Und hoffentlich auch Deutschland an einem außergewöhnlichen Tag mit einem außergewöhnlichen Nowitzki.
These 1: Deutschland hat den besten Frontcourt Europas.
These 3: Frankreich wird erneut enttäuschen.
These 4: Die Shooting-Guard-Position wird für Deutschland verhängnisvoll.
These 5: Die EM entscheidet, ob Bauermann ein europäischer Top-Coach ist.
These: Frankreich wird erneut enttäuschen.
Philipp Dornhegge: Nicht unbedingt. Frankreich war 2009 bei der EM immerhin besser als zuvor und hat insgesamt nur ein Spiel verloren. Man muss sich mal vor Augen führen, wie bitter das Turnier gelaufen ist: In der Vorrunde gegen Deutschland und Russland gewonnen, in der Zwischenrunde Mazedonien, Kroatien und Griechenland geschlagen - nur um im Viertelfinale gegen Spanien spielen zu müssen. Bitterer geht's kaum. Das war schon ein starkes Turnier, bei dem man gesehen hat, wie gut Frankreich sein kann, wenn das Team an einem Strang zieht. Und das mir jetzt keiner den Fehler macht und sagt: 'Aber die WM 2010 war doch gar nichts!' Schon klar, da fehlte jedoch Tony Parker, und der ist und bleibt die zentrale Figur in der Offensive. Man sollte Frankreich aber auch mit Parker nicht zum Mitfavoriten machen. Dafür sind die Spieler zu sehr NBA-typisch. Frankreich fehlt die Wurfstärke, die zum Beispiel die Griechen oder viele Osteuropäer so auszeichnet. Das ist im Weltbasketball mit dem kleineren Feld, mehr Freiheiten bei der Zonenverteidigung und entsprechend weniger Raum für die Penetration unabdingbar, um ganz oben dabei zu sein. Dennoch: Das Viertelfinale traue ich Frankreich zu.
Haruka Gruber: Der springende Punkt bei den Franzosen ist die Athletik. So athletisch sie sind - dieser Style funktioniert in der NBA besser als im internationalen Basketball. Jedes europäische Topteam braucht gute Schützen - und die fehlen hingegen. Die Guards Parker, Nicolas Batum und Nando de Colo sind keine berühmten Schützen, und auch ein Shooting-Big-Man fehlt. Noah, Florent Pietrus, Kevin Seraphine, sie alle können nur am Brett punkten. Und Diaws Wurf fällt nur an Jubeltagen konstant. Entsprechend bitter ist Ronny Turiafs Ausfall. Er hat einen ordentlichen Wurf - und er bringt den nötigen Charakter und das Herz mit, um die Mannschaft mitzureißen. Frankreich hätte es nötig, denn talentiert waren sie schon immer, aber als Mannschaft hat es lange nicht mehr funktioniert. Die WM 2010 war nicht weniger als ein Desaster, und auch die EM 2009 verlief enttäuschend, egal was Philipp sagt. Denn: Alles vorher zu gewinnen, nur um im Viertelfinale gegen Spanien mit 20 Punkten zu verlieren, zeigt sehr gut, wie das Team tickt.
Florian Regelmann: Genau deswegen habe ich eine große Abneigung gegen Mannschaften, die auf dem Papier gut aussehen, die es jedoch drauf haben, auf den Punkt genau zu versagen. Und da sind nun mal die Franzosen die geborenen Loser. Parker hin oder her, nie im Leben werden die in einem engen Spiel die entscheidenden Dinger treffen. Bis auf de Colo haben sie sowieso wieder viel zu viele Super-Athleten, dafür keine Leute, die in der Crunchtime den Money-Dreier reinschießen. Zudem kommt, dass sie eine dreckige Auslosung erwischt haben. Ich sehe sie in der Gruppe B nur auf Rang vier, hinter Italien, Deutschland und Serbien. Meine Ansage: Die Franzosen kommen nicht mal ins Viertelfinale!
Frank Buschmann: Das Argument mit den fehlenden Distanzschützen ist richtig. Ich traue aber Batum und Diaw zu, auch von außen heiß zu laufen. Und den Punkt mit der Athletik sehe ich nicht so negativ: Diese französische Spielweise kann einen Gegner auch regelrecht erdrücken und in die Knie zwingen. Anders als der Rest habe ich ein gutes Gefühl bei Frankreich. In der Vergangenheit sind sie geflogen, gesprungen, geschraubt und haste nicht gesehen. Und scheiterten am fehlenden Teamplay. Seit EM-Bronze 2005 waren sie nicht mal in Reichweite eines Titels. Mein Gefühl sagt aber, dass es die alten Herren diesmal allen zeigen wollen und alles dem Ziel Olympia 2012 unterordnen. Ohne die Vorbereitung überbewerten zu wollen, doch was Frankreich beim Testturnier in London gezeigt hat, war beeindruckend. Noah tut am Brett extrem gut und ist genau der Spieler, den Diaw, Batum und Parker brauchen. Irgendwie bereiten mir die Franzosen blöde Bauchschmerzen, wenn es gegen Deutschland geht.
These 1: Deutschland hat den besten Frontcourt Europas.
These 2: Spanien ist EM-Gold nicht zu nehmen.
These 4: Die Shooting-Guard-Position wird für Deutschland verhängnisvoll.
These 5: Die EM entscheidet, ob Bauermann ein europäischer Top-Coach ist.
These: Die Shooting Guards werden für Deutschland verhängnisvoll.
Frank Buschmann: Generell spreche ich lieber über beide Backcourt-Positionen, also auch die Point Guards. Hier sind wir im Vergleich zu den ganz Großen im Nachteil. Es geht nicht gegen Steffen Hamann, Heiko Schaffartzik oder Joe Herber. Nur: Die anderen Mannschaften bringen eine andere Qualität mit. Steffen brachte ein Jahr zweite Liga hinter sich, Heiko hat mit ALBA in Europa keine Rolle gespielt, Joe war mit Tübingen im unteren BBL-Mittelfeld. Das ist ein Nachteil. Wobei ich die Shooting-Guard-Position weniger problematisch sehe, weil sie schlichtweg weniger entscheidend ist als die Point-Guard-Position. Und weil als Herbers Backup Schwethelm viele Minuten bekommt. Ich mag seine Spielweise, er hat Basketball verstanden und besitzt einen guten Wurf. Womit ich aber Joe nicht kritisieren will: Er verteidigt gut und macht das, was Bundestrainer Dirk Bauermann fordert. Und wenn bei Joe der Knopf aufgeht, kann er vielleicht wieder eine Leistung abliefern wie bei der EM 2007, als er mit Nowitzki das entscheidende Spiel zur Teilnahme an der Olympia-Quali gegen Italien mit seinen Dreiern für uns gewonnen hat.
Florian Regelmann: Ob man auf Herbers Dreier warten sollte? Er hat defensiv seine Qualitäten, ohne Frage, aber im Angriff geht das häufig gar nicht. Aktuell habe ich den Eindruck, dass die Herren Buschmann, Gruber, Dornhegge und auch meine Wenigkeit alle mehr Selbstvertrauen in ihren Wurf haben als Joe Herber. Sein Dreier war auch in der letzten BBL-Saison nicht mehr so sicher wie früher mal gesehen, deshalb sehe ich das sehr kritisch. Vor allem, wenn er gleichzeitig mit Hamann auf dem Feld steht. Gerade mit Dirk und Kaman brauchen wir Schützen, Schützen und noch mal Schützen. Das weiß nun wirklich jeder. Und wenn das DBB-Team bei der EM was reißen will, dann wird viel von unserer Offense abhängen. Eine anständige Defense ist enorm wichtig, aber ich glaube nicht, dass wir die beste Defense des Turniers stellen können. Das Gute ist, dass man bei Schwethelm hoffen darf, dass er zur positiven Überraschung der EM wird. Aber was, wenn nicht? Schaffartzik auf der Zwei, gemeinsam mit Hamann, könnte in gewissen Situationen eine gute Option sein, das hat die Vorbereitung gezeigt. Jede Minute, die Schaffartzik mehr auf dem Feld steht, ist eine gute Minute.
Philipp Dornhegge: Die Situation sieht bitter aus. Ich will Joe Herber nicht zu nahe treten, aber er ist nun mal so unspektakulär, wie es nur eben geht. Ein gesunder und topfitter Demond Greene wäre da eine andere Hausnummer gewesen. Aber Herber ist zumindest einer, der hart verteidigen kann und hinten nichts kaputt macht. Das ist im Bauermann-System schon viel wert. Mit Schwethelm und/oder Lucca Staiger haben wir Alternativen, die ungefähr auf dem gleichen Level sind. Ein bisschen schwächer in der Defense, dafür mit mehr Selbstvertrauen in der Offense. Und was Deutschland zu gute kommt: Nur die wenigsten Konkurrenten haben auf der Zwei ihre Superstars. Lediglich Mannschaften wie Spanien, die auf der Shooting-Guard-Position tief besetzt sind, werden diese vermeintliche Schwachstelle ausnutzen können. Daher sollte man nicht so sehr auf Herber draufhauen. Ich mache mir eigentlich - wie immer - größere Sorgen um unsere Ballkontrolle und den Ballvortrag. Da haben Hamann und Schaffartzik, wenn sie unter Druck geraten, für meinen Geschmack zu oft Nerven gezeigt.
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Haruka Gruber: Kollege Regelmann übertreibt maßlos: Die Mavericks haben doch gezeigt, dass es mit einem Herber-Typ funktioniert, nur dass er in Dallas DeShawn Stevenson heißt. Herber gibt nach dem Tipoff mit seiner Defense die Gangart vor, dann kommen Schaffartzik und Schwethelm, die wie Jason Terry und Peja Stojakovic das Feld öffnen. Alles auf einem niedrigeren Niveau als bei den Mavs natürlich, aber das Prinzip ist einleuchtend. Vor allem Schwethelm kommt die entscheidende Rolle zu: Wenn er mit Schaffartzik den Backcourt bildet, kann er den Dreier treffen und mit seinen 2,00 Metern auch in der Defense dagegenhalten. Vielleicht nicht ganz so gut wie Herber, aber immerhin. Staiger hingegen hat mich nicht restlos überzeugt. Als Ergänzung, okay. Aber er muss wie Ohlbrecht den Wandel vom Talent zum wertvollen Rotationsspieler schaffen.
These 1: Deutschland hat den besten Frontcourt Europas.
These 2: Spanien ist EM-Gold nicht zu nehmen.
These 3: Frankreich wird erneut enttäuschen.
These 5: Die EM entscheidet, ob Bauermann ein europäischer Top-Coach ist.
These: Bauermann ist ohne EM-Erfolg kein europäischer Top-Coach.
Philipp Dornhegge: Das ist natürlich Unfug. Bauermann ist schon jetzt weltweit als exzellenter Coach anerkannt, selbst die Amerikaner wissen, wer dieser Bauermann ist. Über seinen Stellenwert im deutschen Basketball müssen wir uns gar nicht unterhalten. Neben Nowitzki ist er die schillernde Figur. Der Hype, der in München um die Bayern entfacht wurde, ist ganz eng mit seinem Namen verknüpft. Die manchmal gegen ihn aufkommende Kritik ist völlig unangebracht. Die WM 2010 war eine Enttäuschung. Aus den vorhandenen Möglichkeiten wurde erstmals zu wenig gemacht. Deswegen Bauermann in Frage stellen? Das wäre der falsche Weg. Dennoch erwarte auch ich eine Weiterentwicklung. Ich will sehen, dass wir einen schwachen Gegner komplett dominieren und dass wir eine Basketball-Übermacht an den Rand einer Niederlage bringen können. Oder dass wir für eine Sensation sorgen, ohne im nächsten Spiel dafür gleich wieder einzubrechen. Ich glaube daran, dass das Bauermann gelingen wird.
Haruka Gruber: So sehr ich Bauermann wertschätze, man muss ehrlich sein und sagen: Er gehört nicht zur Kategorie der europäischen Top-Coaches. Dafür ist Deutschland international zu unbedeutend. Neben dem fehlenden Standing fehlen ihm aber auch die Kontakte, um auch außerhalb Deutschlands einen Spitzenjob zu ergattern. Das EM-Silber 2005 wird einzig und allein mit Nowitzkis Namen verbunden. Deswegen ist der Sommer umso wichtiger für Bauermanns Karriereweg. Eine starke EM wäre die perfekte Ouvertüre, dann folgt im Herbst das Projekt FC Bayern, auf das ganz Europa schaut. So baut man sich internationales Renommee auf und sorgt für Aufsehen. Dass er die Qualität mitbringt, zeigte er in den letzten Jahren. Er hat sich neu erfunden, weg vom Image des Erfolgsbesessenen hin zu einem Weltmann, der ein gutes Händchen für Talente hat. Doch die EM birgt auch eine große Gefahr: Anders als das 2005er-Team ist das 2011er-Team viel mehr Bauermanns Werk. Wenn es schief läuft mit seinen Schützlingen wie Pleiß und Benzing, kommen zwangsläufig Fragen auf. Man darf nicht vergessen: Es gibt nicht nur Bauermann-Fans.
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Frank Buschmann: Ich lese ja auch die teils abstrusen Meinungen in irgendwelchen Blogs oder Foren. Es ist unglaublich, was für unfassbare Fachleute wir in Deutschland haben. Sorry, ich will den Leuten nicht zu nahe treten, aber manchmal bin ich fassungslos und denke mir: was für Bremsbirnen. Vielleicht fehlen Bauermann noch die Titel mit einem europäischen Top-Team, so wie ihn unsere Freunde vom Balkan, ein Svetislav Pesic oder ein Zeljko Obradovic, schon gewonnen haben. Doch es bleibt dabei: Bauermann ist ein toller Coach und der richtige Trainer der Nationalmannschaft, da kann es keine zwei Meinungen geben. Er hat es geschafft, aus der Ansammlung von Nachwuchsspielern und zwei Lichtgestalten von einem anderen Planeten eine Einheit zu formen. Dazu EM-Silber 2005 und die unzähligen deutschen Meisterschaften. Klar, ich würde mir auch mal wünschen, dass er sein Team mehr Freiheiten lässt und die Spieler aus den Systemen ausbrechen können. Andererseits nehme ich doch stark an, dass es einen triftigen Grund dafür gibt, warum Bauermann taktisch so viel vorgibt.
Florian Regelmann: Mein Kommentar zur These: Was für ein unfassbarer Schwachsinn! Bauermann muss rein gar nichts mehr beweisen. Wenn Nowitzki in der K.o.-Runde zwei Buzzer-Beater trifft, gehört Bauermann zu den europäischen Top-Coaches? Und wenn Nowitzkis Wurf nur reinschaut und ausnahmsweise mal nicht fällt, dann nicht? Albern! Aber das Bauermann-Thema ist dennoch ein gutes, das gibt mir die Gelegenheit, anzusprechen, was es für ein Witz ist, dass er nach der EM nur noch den FC Bayern trainieren darf. Beziehungsweise dass keiner weiß, was eigentlich passiert, wenn wir uns für Olympia qualifizieren. Falls mir jemand einen Nachfolge-Kandidaten nennen kann, bei dem ich nicht gleich vor Lachen vom Stuhl falle, dann kann er dies gerne tun. Es regt mich fürchterlich auf, wenn der am meisten geeignete Mann den Job nicht mehr machen kann. Wegen Wichtigtuern, die vom Sport nichts verstehen. Das gleiche ist im Eishockey passiert, wo es im Fall Uwe Krupp auch niemanden gibt, der auch nur annähernd die Kompetenz, die Persönlichkeit und das Charisma mitbringt. Jetzt ist Krupp weg, Bauermann ist bald weg - und die Nationalmannschaften und damit die Sportarten insgesamt leiden. Unfassbar.
Frank Buschmann: Ich verstehe die Rumeierei um Bauermann schon, weil alle Beteiligten das Gesicht wahren wollen. Dennoch kann ich Florian beruhigen: Wenn Deutschland das direkte Olympia-Ticket löst, wird der Trainer Bauermann heißen. Wenn Deutschland zumindest das Olympia-Qualifikationsturnier erreicht, wird der Trainer Bauermann heißen. Und danach sehe ich es nicht so schwarz: Ich habe eine ganz klare Vorstellung, wen man zum Nachfolger machen sollte. Mich lachen zwar alle aus, dennoch sage ich es: Mein Bundestrainer wäre Frank Menz, der A2- und U-20-Trainer des DBB. Ich kenne ihn persönlich gar nicht so gut, obwohl wir als Spieler gegeneinander angetreten sind. Aber was ich von seinen Jugend-Nationalspielern höre und was ich beobachte, macht neugierig. Obwohl das Spielermaterial überschaubar war, wurde er mit der deutschen U 20 zuletzt EM-Fünfter. Er wäre so etwas wie das Modell Klopp: Kein großartiger Basketballer, aber als Sportler schon gedacht wie ein Trainer. Zumal die Alternativen begrenzt sind: Der DBB hat nicht den Safe von Dagobert Duck geknackt und kann sich einen Ettore Messina oder einen anderen gestandenen Star-Trainer leisten. Menz wäre ein mutiger Weg und ich weiß nicht, ob sich der Verband traut. Aber er ist der Richtige, um 2011 oder 2012 den ganz großen Umbruch zu vollziehen.
These 1: Deutschland hat den besten Frontcourt Europas.
These 2: Spanien ist EM-Gold nicht zu nehmen.
These 3: Frankreich wird erneut enttäuschen.
These 4: Die Shooting-Guard-Position wird für Deutschland verhängnisvoll.