Buschi: "Das alles ist total gaga"

Haruka Gruber
16. September 201107:31
Das vorerst letzte Länderspiel nicht nur für Nowitzki: Frank Buschmann (l.) und Dirk BauermannGetty
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Mit Dirk Nowitzki tritt auch die "Stimme des Basketballs" ab: Kommentator Frank Buschmann polarisierte und prägte wie kaum ein anderer. Nun gibt er bei der EM 2011 mit einer Mammutvorstellung und "Schlag den Raab" seine Abschiedsvorstellung. Im Interview erinnert er sich: an Nowitzki, an Holger Geschwindner und an die Kritiker.

SPOX: Nicht nur für Dirk Nowitzki und Dirk Bauermann endet die Zeit mit dem DBB-Team. Sie sind als "Stimme des Basketballs" ebenfalls untrennbar mit der deutschen Nationalmannschaft verbunden und hören nach der EM auf. Wie traurig sind Sie?

Frank Buschmann: Traurigkeit trifft es nicht ganz, Wehmut passt besser. Mit der Zeit von Dirk Nowitzki in der Nationalmannschaft fing es an, dass auch ich als Reporter von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Sicherlich war es ein bewegender Moment, als ich nach dem Litauen-Spiel wusste, dass es wohl mein letztes Länderspiel war. Andererseits ist mir sehr bewusst, welch großes Glück ich hatte, die Ära des besten deutschen Basketballers der letzten 100 Jahre und der kommenden 500 Jahre begleiten zu dürfen.

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SPOX: Welcher Moment bleibt am meisten in Erinnerung?

Buschmann: Es gab drei bewegende Momente, die alle ganz unterschiedliche Gefühle ausgelöst haben. Aus sportlicher Sicht war es der Augenblick, als Nowitzki im EM-Halbfinale 2005 gegen Spaniens Jorge Garbajosa den letzten Wurf traf und Deutschland ins Finale führte. Emotional wurde der Moment direkt im Endspiel gegen Griechenland getoppt, als Nowitzki angesichts des deutlichen Rückstands drei Minuten vor Ende ausgewechselt wurde. Knapp 20.000 Zuschauer in Belgrad erhoben sich und gaben Standing Ovations, während der serbische Hallensprecher sagte: "Danke, Dirk!" Und menschlich am wertvollsten war für mich der Tag in Würzburg, als Nowitzki nach seinem NBA-Titel empfangen wurde. An dem Tag habe ich ihn vielleicht das erste Mal richtig privat erlebt.

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SPOX: Wie sehr werden Sie Nowitzkis Mentor Holger Geschwinder vermissen, mit dem Sie eine Art Hass-Liebe verbinden soll?

Buschmann: Holger und ich - das ist ein sehr spezielles Verhältnis. Wir sind zwei Menschen, die von sich selbst glauben, sehr, sehr viel, wenn nicht alles über Basketball zu wissen. Dann prallen unterschiedliche Vorstellungen gegeneinander. Ich muss mich aber mittlerweile korrigieren: Ich dachte immer, dass er ein Problem mit mir hat und argwöhnisch ist, weil ich als Lautsprecher gelte. Ich weiß jetzt aber, dass dem nicht so ist und er nichts gegen mich hat. Sonst hätte er es nicht so befürwortet, dass ich direkt nach der EM als Gast neben Dirk Nowitzki beim Audi Star Talk sitze.

SPOX: Vermutlich hat kein Sport-Journalist so viel Zeit mit Geschwindner verbracht wie Sie. Wie tickt dieser Mann, den keiner durchschauen kann?

Buschmann: Für mich war er immer das kauzige Phänomen im Umfeld von Dirk Nowitzki. Um zu verstehen, wie er funktioniert, muss man ihn beobachten, wie er im Training in der Ecke sitzt und mit einem kleinen Stift in feinster Schrift in einen kleinen Block irgendwelche Dinge anmerkt. Das beschreibt ihn ganz gut. Seit dem Beginn der Zusammenarbeit mit Nowitzki führt er akribisch diese Notizbücher und ich würde viel dafür geben, da mal reinzuschauen. Man kann von Geschwindner halten, was man will: Aber er ist ein Typ, ein faszinierender Mann mit seinen ganz eigenen Denkansätzen.

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SPOX: Mittlerweile ist es kaum vorstellbar, doch auch mit Bundestrainer Dirk Bauermann soll es nicht so unkompliziert gewesen sein wie heute.

Buschmann: Dirk Bauermann hat die Ära mitgeprägt und eine ebenfalls interessante Entwicklung genommen: Vom bärbeißig und arrogant wirkenden Trainer zu einem Vermittler, der die Sportart der Öffentlichkeit näherbringen will. Die Nationalmannschaft wird ihn vermissen. Die Nachfolge-Frage wird sehr spannend.

SPOX: Wer sind Ihre Favoriten?

Buschmann: Ich bin mir sicher, dass die Verantwortlichen des DBB über den Namen Tony DiLeo nachdenken. Und es gäbe die große Variante mit einem bekannten europäischen Coach. Die charmanteste Idee für mich wäre aber Frank Menz, der Trainer der A 2 und U 20. Es wäre auch ein Ansatz, um eines der größten Probleme im deutschen Basketball zu lösen: Es fehlen die guten Nachwuchscoaches. Von daher könnte es ein gutes Zeichen sein, wenn man es über den Menz-Weg sogar zum Bundestrainer schaffen kann.

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SPOX: Zahlreiche SPOX-User haben ihren Favoriten bereits ausgemacht: Frank Buschmann, vielleicht mit Co-Kommentator Stephan Baeck als Assistenzcoach. Wie wär's?

Buschmann: (lacht laut los) Im Sinne des deutschen Basketballs halte ich es für sinnvoller, wenn es jemand anderes macht. Ich wäre eine Fehlbesetzung. Stephan Baeck kann ich mir im Umfeld der Nationalmannschaft sehr gut vorstellen, sei es als Chef- oder Co-Trainer, aber ich selbst traue mir das nicht zu.

SPOX: Während Sie früher auch viel Kritik hören mussten, bekamen Sie bei der EM fast nur positive Resonanz. Es hing sogar ein Plakat mit der Aufschrift: "MVB - Most Valuable Buschi."

Buschmann: Es ist tatsächlich eine spannende Erfahrung. Bei dieser EM bekomme ich fast nur Zuspruch, das ist fast schon langweilig. (lacht) Einige aus der Fußball-Bundesliga fragen mich sogar, warum ihre Sportart nicht so vermittelt wird wie der Basketball. Ich kann also doch gar nicht so gaga und ahnungslos sein - auch wenn einige absolut kompetente Fachleute weiter in ihrem gallischen Dorf sitzen, in Fachmagazinen rumblättern und genau das behaupten.

Teil II: Buschi über die Öffentlich-Rechtlichen und das Mammutwochenende

SPOX: Matthias Opdenhövel, Ihrem ehemaligen Kollegen aus "Schlag den Raab", gelang als "Sportschau"-Moderator der Sprung zu den Öffentlich-Rechtlichen. Auch ein Ziel für Sie?

Buschmann: Ich bin freier Journalist, entsprechend würde ich mir alles anhören. Ich bin jedoch nach wie vor überzeugt, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht vorstellen können, mit mir zu arbeiten. Es gibt noch immer gewisse Vorurteile, dabei bin ich keiner, der pausenlos rumbrüllt. Ich zeige meine Emotionen, aber nur, wenn sie angebracht sind. Das Problem: Bei den Öffentlich-Rechtlichen herrscht anders als in der Moderation bei der Spiel-Kommentierung eine stärkere Gleichmacherei. Daran habe ich nicht so viel Spaß.

SPOX: Wie schade ist es, dass Sie nie für einen großen Sender ein Basketball-Spiel kommentiert haben?

Buschmann: Zunächst einmal haben wir bei "Sport1" etwas Einmaliges geschafft. Wir werden am Ende der EM fast 30 Spiele live im Free-TV gezeigt und die Superstars des Basketballs interviewt haben. Das hat es im deutschen Fernsehen so noch nicht gegeben. Aber klar: Um die breite Öffentlichkeit für die Sportart zu begeistern, wäre beim letzten Hurra eine Kooperation interessant gewesen. Den Öffentlich-Rechtlichen traue ich es nicht zu, Basketball gescheit an den Mann zu bringen. Ideal wäre es gewesen, wenn "RTL" oder "Sat.1" die deutschen Spiele und "Sport1" die internationalen Spiele gezeigt hätte. Ich sprach kürzlich mit Johannes B. Kerner und er sagt auch, dass das vielleicht etwas gewesen wäre.

SPOX: Jetzt droht ohne Nowitzki der Quotensturz für den Basketball.

Buschmann: Ich bin nicht bereit, schwarz zu malen und alles schlecht zu reden. Aber Fakt ist - und davor sollte keiner die Augen verschließen: Es kommen schwierige Jahre. Ich bin gespannt, welche Sender überhaupt für die nächsten TV-Rechte zur EM 2013 und WM 2014 mitbieten werden. Ohne Nowitzki schauen sich keine 750.000 Menschen ein Vorrundenspiel der Deutschen gegen Israel an.

SPOX: Ohne Nowitzki - und ohne Buschmann. Wie sehr werden Sie die Basketball-Großereignise vermissen?

Buschmann: Ich bin mit meinen bald 47 Jahren ein alter Mann, da will man nicht mehr pausenlos durch die Welt reisen. Auf der einen Seite habe ich noch nie in einer anderern Sportart eine Gruppe aus Journalisten erlebt, die allesamt leidenschaftliche Anhänger des Basketballs sind und sich untereinander größtenteils sogar mögen. Im Fußball ist das undenkbar, da verhalten sich die Medienvertreter fast schon wie Wölfe. Auf der anderen Seite denkt man sich bei der EM schon manchmal, wenn Finnland gegen Georgien läuft oder wenn ich bei der EM drei Spiele am Stück live kommentiere: Boah, muss das jetzt sein?

SPOX: Drei Spiele und siebeneinhalb Stunden an einem Tag kommentieren gäbe es bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht.

Buschmann: Das soll nicht zu negativ klingen. Es gibt bei der EM auch Momente, bei denen man denkt: Boah, ist das geil, hier dabei zu sein! Und dafür sogar noch Geld zu bekommen! Bei den Spielen der Litauer zum Beispiel. Weil das Pensum dennoch körperlich sehr anfordernd ist, gehe ich im Hotel zwei Stunden auf den Fahrrad-Ergometer und mache eine halbe Stunde Dehn- und Kraftübungen, um das durchzuhalten. Aber immer häufiger kommt schon der Gedanke, dass ich mittlerweile einer der Ältesten unter den deutschen Journalisten bin und ob ich als Letzter noch rumhüpfen sollte.

SPOX: Werden Sie nie wieder Basketball kommentieren?

Buschmann: Das kann ich mir nicht vorstellen. Bitte nicht böse verstehen und es geht auch nicht gegen die BBL, aber jeder muss nachvollziehen können, dass das Schwaben-Derby zwischen Tübingen und Ludwigsburg nicht mehr so interessant für mich ist. Die Euroleague würde hingegen schon reizen. Und mit meiner Frau ist abgesprochen, dass ich eine Auszeit nehme und im Sommer mehr Zeit habe für die Familie. Aber wenn Deutschland wirklich die EM 2015 mitausrichten darf und die Rechte an den richtigen Sender vergeben werden, wäre es noch mal eine Sache. Dann könnte ich kurz vor meinem 50. Geburtstag mit der Heim-EM endgültig vom Basketball abtreten. Meine Frau hat die Zustimmung schon gegeben. Wenn jedoch Ukraine oder wer auch immer die EM 2015 bekommt, war es das mit einer EM oder WM. Dann fällt am 18. September mit dem Finale der Hammer für mich.

SPOX: Und dann planen Sie den endgültigen Wechsel in die Unterhaltungsschiene?

Buschmann: Das ist ein sehr interessanter Sektor. Im Moderationsbereich könnte ich mir vorstellen, was zu machen. Aber was das Kommentieren von Unterhaltungssendungen anbetrifft, bin ich nicht so frei, weil ich mit Stefan Raabs Produktionsfirma "Brainpool" eine gewisse Exklusivität vereinbart habe. Ich gehöre mit zur Marke von "Schlag den Raab" und daran wird sich die nächsten fünf Jahre wohl nichts ändern. Hoffentlich, denn das ist einfach der wundervolle, gelebte TV-Irrsinn.

SPOX: Wegen der EM und "Schlag den Raab" muten Sie sich ein Mammutprogramm an. Erst die beiden Halbfinals, zwischendurch die TV-Sendung, dann das Finale. Einfache Frage: Warum?

Buschmann: Ich musste wegen der EM schon die Aufzeichnungen von "Schlag den Star" absagen. Wenn ich bei "Schlag den Raab" gefehlt hätte, wäre der Meister himself sauer gewesen. Zumal es zeitlich irgendwie schon geht. Am Freitagabend mache ich beide Halbfinals in Kaunas. Im Idealfall bin ich wieder on fire, weil ich mir schöne Spiele erhoffe. Am Samstagmorgen werde ich abgeholt und zum eine Stunde entfernten Flughafen in Vilnius gefahren. Dort steige ich in den Flieger nach Frankfurt, wo um 15.15 Uhr ein Wagen wartet. Auf dem Beifahrersitz steht schon ein aufgeklappter Laptop mit den Informationen zur Sendung, damit ich mich auf die einzelnen Spiele vorbereiten kann. Eineinhalb Stunden Fahrt nach Köln, drei Stunden die Leute grüßen und die Sendung durchsprechen - und dann geht's schon los.

SPOX: Was folgt dann?

Buschmann: Die Sendung geht vielleicht bis 00.15 Uhr, wenn es länger dauert bis 1 oder 1.30 Uhr. Dann sofort ins Bett. Am Sonntagmorgen kommt um 7.30 Uhr mein Fahrer, dann heißt es Frankfurt, Vilnius, Kaunas. Um 16.30 Uhr startet das Spiel um Platz 3, kurz durchschnaufen, das Finale kommentieren, schlafen. Und am Montagfrüh heißt es wieder Kaunas, Vilnius und Frankfurt, weil dort bei der IAA der Audi Star Talk mit Dirk Nowitzki und mir stattfindet, der am Dienstagabend auf "Sport1" ausgestrahlt wird. Ich gebe es zu: Das ist alles total gaga.

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