SPOX: Sie sind als einer der bekanntesten BBL-Profis eine öffentliche Person. Wie wichtig ist Ihnen Ihre Außendarstellung? Wenn man sich Ihre amüsante Facebook-Seite anschaut, könnte man glauben, dass Sie sich gar keine Gedanken machen. Oder: Sie machen sich ganz im Gegenteil sehr viele Gedanken.
Günther: Es ist ein Mittelding. Mir macht es Freude, mich über Facebook auszudrücken und zu zeigen, dass ich mich manchmal für einen lustigen Vogel halte. Ich bin überhaupt kein Freund von den standardisierten Mediengeschichten. Das Ding ist: Ich sehe mich nicht nur als Basketball-Profi, sondern auch als Fan. Ich bin immer noch großer NBA-Fan, ich verfolge das aktuelle Geschehen sehr intensiv. Und dann finde ich es extrem spannend, wenn ich einen kleinen Einblick erhalte, weil ein Spieler, den ich Wahnsinn finde, mal zeigt, wie er wirklich tickt. Mich langweilen Sätze wie "Beide Teams haben hart gespielt und wir respektieren den Gegner und jedes Spiel ist ein schweres Spiel." Deswegen versuche ich, mich davon fernzuhalten. Es geht nicht immer. Denn wenn ich etwas Individuelles poste, mache ich mich angreifbar. Nur ein Beispiel: Ich zeige ein Bild von einer Runde Golf - und am nächsten Tag verlieren wir unser Spiel. Dann weiß ich genau, dass es heißt: "Was macht der Vogel? Wieso spielt er Golf? Er soll mehr trainieren!" Es bestehen Risiken. Aber ich möchte es nicht missen, dass Leute auf mich zukommen und sich dafür bedanken, was ich so treibe.
SPOX: Wie gefallen Ihnen die in den USA sehr populären Formate wie "Shaqtin' a Fool", bei dem Pleiten, Pech und Pannen aus der NBA gezeigt und bissig kommentiert werden?
Günther: Das sind natürlich absolute Highlights. Ich finde es sehr schade, dass es so ein Format in Deutschland nicht läuft. Ich weiß, dass es Ansätze gab, wobei viele Leute, die mehr vom Geschäft verstehen, mir sagen, dass es bei uns nicht funktioniert oder schwierig ist. Dennoch glaube ich an die Idee eines deutschen "Shaqtin' a Fool": Man setzt ein paar lustige Gestalten ins Studio und zeigt Highlights - was gibt es besseres? Der Basketball hat mit Dunks, Alley-oop oder Blocks so viele Elemente, die jeder versteht und mit der wir uns von anderen Sportarten abgrenzen können. Und es sind Elemente, die in der Anzahl - nicht böse gemeint - faszinierender sein können als 40 Minuten volle Länge Ludwigsburg gegen Braunschweig. Mir ist klar, dass die NBA über andere Möglichkeiten verfügt. Doch wer weiß und in 10, 20 Jahre sitze ich mit Heiko Schaffartzik bei einem TV- oder Internet-Sender und wir reißen schlechte Scherze und zeigen dabei die besten Dunkings.
SPOX: Womöglich mangelt es den deutschen TV-Sendern an Inspiration, Mut oder Budget. Aber könnte es umgekehrt nicht auch sein, dass den deutschen Basketballern der Wille zur Selbstironie fehlt, damit sich so ein Format trägt?
Günther: Vielleicht ist in der BBL tatsächlich weniger Raum für spaßige Nummern. Man hat das Gefühl, dass man sich so etwas - wenn überhaupt - nur erlauben darf, wenn es gut läuft. Die NBA wird ja ganz anders wahrgenommen, als Spektakel und Entertainment, vor allem in den 82 Regular-Season-Spielen. Entsprechend können sich die Profis dort auch lockerer verhalten. Wenn es mal eine schwächere Phase gibt, wird keinem der Kopf abgerissen. In der BBL hingegen sind es nur 34 Spiele und jedes Team kämpft immer um irgendetwas: Heimvorteil in den Playoffs, einen Playoff-Platz, den Klassenerhalt. So herrscht in der BBL eine ganz andere Ernsthaftigkeit als in der NBA.
SPOX: Verspürt ein BBL-Profi auch eine gewisse Angst vor der Öffentlichkeit? Sie beschwerten sich in einem Radio-Format mit teils expliziten Worten über das rigide Vorgehen der Kontrolleure von der deutschen Doping-Agentur NADA. Nachdem die "FAZ" Ihren Monolog transkribiert und publiziert hatte, entstand ein großes Bohei - inklusive zahlreicher verstimmter Sport-Funktionäre.
Günther: Ich wusste nicht, dass die "FAZ" meinen kleinen Podcast aus dem Lokal-Radio abdruckt. Entsprechend rechnete ich nicht damit, was daraus entsteht. Dennoch bereue ich es nicht. Es war damals meine Meinung und es ist immer noch meine Meinung. Das Einzige: Wenn ich gewusst hätte, dass es sogar in der "FAZ" landet, hätte ich mich vielleicht etwas gewählter ausgedrückt. Trotzdem hoffe ich, dass solche Erlebnisse dabei helfen, eine Entwicklung zu forcieren. Die BBL braucht meinungsstarke, polarisierende Gesichter, damit die Nicht-Basketballkundigen irgendwann vier, fünf Spielernamen kennen, die nicht Dirk Nowitzki sind.
SPOX: Sie sind meinungsstark und auch dank Ihrer unterhaltsamen Facebook-Seite wurden Sie 2012 und 2013 zum beliebtestem Spieler gewählt und werden dieses Jahr wohl als Spieler mit dem besten Social-Media-Auftritt ausgezeichnet. Können Sie damit etwas anfangen?
Günther: Er ist irgendwo eine Auszeichnung, allerdings hoffe ich nicht, dass ich in die Schublade rutsche und es heißt: "Der Günther hat noch keinen Titel gewonnen und heimst nur die komischen Awards ein." (lacht) Ich hätte liebend gerne diese Saison den Pokal gewonnen, die drei silbernen Medaillen in meiner Karriere reichen jetzt. Ich kann meinen Kindern später nicht erzählen, dass ich ein netter Kerl war und lustige Sachen posten konnte. Ich brauche auch mal etwas anderes.
SPOX: Sie sagen, dass Sie früher den "Arroganter-Asi-Award" verdient hätten. Koketterie?
Günther: Nein, nein, das war schon so. In Hagen war ich nie sonderlich beliebt. Ich besaß gerade in der Jugend ein großes Selbstbewusstsein und eignete mir eine gewisse Arroganz als Spielfeldgesicht an. Die Arroganz war mein Panzer, meine Art, klarzukommen. Als junger Kerl konnte ich mit dem Druck nicht immer hundertprozentig umgehen. Umso überraschter war ich nach meinem Wechsel, dass mich die Leute in Ulm so gernhaben. Das kannte ich gar nicht.
SPOX: Wie kam der Switch zustande? Verschob sich nur die Wahrnehmung? Oder änderten Sie sich selbst?
Günther: Es hatte mit meiner neuen Rolle zu tun. In Hagen war ich im Nachwuchsbereich der Überspieler, der 40 Punkte in einem Spiel machen konnte. Hier in Ulm wurde ich als der Junge wahrgenommen, der nicht so riesig talentiert ist und sich irgendwie in den Profibereich reinbeißen will, obwohl er offensichtliche Defizite hat. Das ist eine Rolle, mit der sich die Leute besser identifizieren können. Ich bin genauso groß und genauso so schwer wie der Durchschnitts-Fan, der sich mit harter Arbeit schrittweise nach oben kämpft. Das respektieren die Menschen.
SPOX: Haben Sie Sorge, dass sich Ihr Standing umkehrt? Heiko Schaffartzik war vor vier, fünf Jahren der Liebling aller, doch mittlerweile ist besonders das Verhältnis zu den Medien strapaziert.
Günther: Ich sehe dem entspannt entgegen. Zwangsläufig werde ich den Leuten auf die Nerven gehen, das ist immer so. Wenn ich in vier Jahren weiter der Most Likeable Player und Superduper-Social-Media-Typ bin und die gleichen Geschichten erzähle, trägt sich das ab, was ja auch gut ist. Sollte ich nichts gewinnen und mich nur lustig geben, werde ich bestimmt hören: "Das nervt uns, gewinn endlich etwas!"
SPOX: Sie sind mit 26 Jahren kein Talent und kein Veteran. Wie sehen Sie sich selbst?
Günther: In meinem Kopf bin ich ein Veteran. In Ulm bin ich der Dienstälteste und mit den 26 Jahren war ich diese Saison schon der Dritt- oder Viertälteste im Kader. Es ist ein bisschen wie bei Philipp Schwethelm, der mit 25 Jahren seine neunte BBL-Saison gespielt hat. Ich fühle mich schon auf eine gewisse Art alt. Ich habe die meiste BBL-Erfahrung in der Mannschaft, bestritt meine vierten Playoffs. Mich macht nicht mehr so viel nervös.
SPOX: In der deutschen Nationalmannschaft hingegen scheint Ihnen die Lobby zu fehlen. Die für alle Beteiligten ernüchternde EM 2013 verlief speziell für Sie enttäuschend: Mit großen Ambitionen in den Sommer gegangen, wurde Sie nur mit sehr wenig Spielzeit bedacht. Wie sehen Sie es mit dem zeitlichen Abstand?
Günther: Ich habe das recht gut verarbeitet. Das Pesic-Jahr 2012 war mir persönlich wichtig: Es war zwar nur die EM-Quali, weswegen meine Leistungen öffentlich komplett unter dem Radar flogen, aber ich spielte 25 Minuten pro Partie und stand in der Starting Five. Dass es bei der EM 2013 nicht so geklappt hat und es so aussieht, als ob es für mich nie funktionieren würde in der Nationalmannschaft, ist schade, ist aber leider so. Was soll ich machen? Gegen die gleichen Leute, gegen die wir bei einer EM spielen, trete ich mit Ulm im Eurocup an und behaupte mich. Gegen Nikos Zisis oder wen auch immer. Von daher habe ich von dem Thema eine andere Wahrnehmung als die Mehrheit. Ich verstehe gleichzeitig die Leute, die mich immer nur bei einer EM oder WM sehen, und sich eine andere Meinung bilden. Jedoch sehe ich es entspannt. Irgendwann wird die Zeit kommen. Ich werde meine Chance erhalten und wenn ich sie nicht ergreife, bin ich selbst schuld.
SPOX: Wirklich so entspannt?
Günther: Ich kann nichts machen, als jedes Jahr noch eine bessere Saison zu spielen als davor und im Sommer wieder anzutreten. Es wäre vielleicht etwas anderes, wenn ich das Gefühl bekommen würde, dass ich nicht alles gegeben und nicht an mir gearbeitet hätte. Aber ich kann mir nichts vorwerfen.
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