SPOX: Nach der Niederlage gegen Großbritannien und dem Ausscheiden des DBB-Teams in der EM-Vorrunde äußersten Sie sich als einziger Nationalspieler kritisch über den eigenen Verband und wie die Mannschaft behandelt wurde: "Es ist so, wie wenn man 19, 20 Jahre ist und man von zu Hause ausziehen will. Und dann sagt einem die Mutter noch, was man anziehen soll." Kamen die Äußerungen aus der Verärgerung heraus? Oder war das ein bewusstes Statement?
Günther: Ich kenne mich selbst zu gut, daher werde ich mich nicht der Gefahr hingeben, einfach spontan nur rauszuhauen, was geht. Nach acht, neun Wochen Nationalmannschaft am Stück kristallisiert sich eine Meinung heraus. Ich glaube einfach, dass es so war, wie ich es gesagt habe. Wir Spieler wurden zu sehr bemuttert und es schlägt psychologisch ein, wenn man immer hört, dass es nicht so schlimm wäre zu verlieren. Intern wurde es natürlich nie so besprochen. Es war nie so, das gesagt wurde: "Wir schauen einfach mal, was in Slowenien passiert." Aber das Gesamtgefühl war nicht so, wie es sein sollte. Nach dem Frankreich-Sieg zum Auftakt hätte es heißen müssen: "Jetzt brauchen wir noch zwei Siege, dann sind wir weiter. Wenn wir das nicht schaffen, ist es eine Katastrophe!" Die Botschaft hätte sein müssen: "Wir sind Deutschland! Wir haben gute Spieler! Wir müssen in der Lage sein, Belgien, Ukraine und Großbritannien zu schlagen! Das sind alles gute Mannschaften, doch wir sind der DBB: Wir müssen es packen!"
SPOX: Sie selbst wurden in der EM-Vorbereitung und beim eigentlichen Turnier vom nun degradierten Bundestrainer Frank Menz nur sporadisch eingesetzt mit der Erklärung, dass Sie nicht voll einsatzfähig gewesen wären. Was verwunderte: Diese Erklärung wurde über Wochen vorgebracht, obwohl Ihre Verletzung nicht allzu gravierend war. Die vermeintlich unnötige Fitness-Debatte soll Sie verärgert haben.
Günther: Es war schwierig für mich und ich möchte nicht zu viel sagen. Es ist alles vorbei und mit Frank pflege ich ein gutes Verhältnis. Alles okay. Ich hatte nur ein Problem: Ich habe natürlich verfolgt, dass Robin Benzing zehn Wochen lang verletzt überhaupt keinen Basketball spielen konnte und nur in der Reha war. Dann kehrte er zurück und was ist der nächste logische und richtige Schritt? Wir lassen ihn in der Vorbereitung jedes Spiel 35 Minuten ran, weil wir wollen, dass er fit ist, wenn es bei der EM zählt. So kam es dann auch. Mehr kann ich nicht dazu sagen. Wenn mir jemand in der Vorbereitung sagt, dass ich nicht fit bin und deswegen nicht spielen könne, fällt es mir schwer, das zu akzeptieren. Wenn das Vertrauen vorgeherrscht hätte, dass man mich hundertprozentig braucht, wäre die Vorbereitung doch der perfekte Zeitpunkt gewesen, mich spielen zu lassen.
SPOX: Wie sehen Sie die zukünftige Konkurrenz auf der Point-Guard-Position der Nationalmannschaft? 2011 standen so wenige Spielmacher von Güte zur Verfügung, dass Schwethelm bei der EM auf der Eins aushelfen musste. Nun bieten sich neben Schaffartzik und Ihnen mit NBA-Profi Dennis Schröder oder Frankfurts Aufsteiger Konstantin Klein neue Alternativen an.
Günther: Ich finde es großartig, weil es lange Zeit wirklich bitter war zu verfolgen, dass es auf der Point-Guard-Position den größten Unterschied gab zu den besten Basketball-Nationen. Wir hatten lange Zeit niemanden, der ansatzweise die Qualität eines Milos Teodosic oder Tony Parker mitbrachte. Allerdings: Wenn man sich in Erinnerung ruft, wie Heiko bei der EM auftrat, fällt es einem schwer zu sagen, dass wir bei den Spielmachern ein Problem hätten. Heiko war einer der überragenden Spieler der Vorrunde. Dazu kommt mit Dennis ein Cornerstone der Zukunft, der die nächsten zehn bis zwölf Jahre dabei sein wird. Das erleichtert uns einiges.
Günther verzichtet auf Qualifikation für die EM 2015
SPOX: Fehlt Ihrem Klub Ulm womöglich das Standing, um Sie beim DBB zu stärken?
Günther: Ulm ist nicht mehr zu vergleichen mit dem Verein von früher, als es nur darum ging, in der BBL die Klasse zu halten und zwei, drei deutsche Talente zu pushen. Am Ende war es egal, ob wir uns als Neunter oder 14. in den Urlaub verabschieden. Davon kann keine Rede mehr sein. Wir sind zwar immer noch ein Stück entfernt von den großen Drei, Bayern, Bamberg und Berlin, Oldenburg könnte man noch dazu nehmen. Aber gleich dahinter kommen wir. Wir haben mit Thorsten Leibenath einen deutschen Coach, der den deutschen Jungs Spielzeit gibt, dazu verfügen wir über einen exzellenten Unterbau. Mittlerweile sind wir sehr, sehr attraktiv für alle Talente zwischen 19 und 21, die in die BBL möchten und das große Risiko bei Bayern oder Bamberg vermeiden und gleichzeitig nicht irgendwo ins Niemandsland gehen wollen.
SPOX: Ist Ulm auch für Sie weiter der richtige Verein?
Günther: Ja, klar. Vor allem, wenn wir europäisch spielen. Ich komme andererseits mit 27, 28 Jahren in ein Alter, in dem ich mich generell mit der Frage auseinandersetzen muss: Will ich mich noch einmal richtig herausfordern? Möchte ich noch einmal woanders spielen? Als kleiner Spieler glaube ich nicht, dass ich bis ins biblische Alter spielen werde. Daher werde ich mich alle zwei Jahre mit der grundsätzlichen Entscheidung auseinandersetzen und dann werde ich schauen, was rauskommt.
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