Island: Eine Maus im Löwenkäfig
Selten passte das Motto "dabei sein ist alles" so gut wie bei den Basketballern der isländischen Nationalmannschaft. Das kleine 320.000-Einwohner-Volk ist zum ersten Mal bei einer Endrunde dabei - entsprechend gering ist auch die Erwartungshaltung, trotz aller Euphorie.
Die Qualifikation gelang in der Drei-Team-Gruppe A mit Großbritannien und Bosnien-Herzegowina, wobei die beiden Spiele gegen den Balkan-Staat recht deutlich verloren gingen. Anders sah es gegen die Briten aus. Mit einem extrem schnellen Ball und einem kleinen Lineup wurde das Königreich nahezu überrumpelt, vor allem auf die zahlreichen Schützen Islands fand der Gegner keine Antwort.
Und so muss es auch bei der EM aussehen, um in der Todesgruppe auch nur ein Spiel eng halten zu können. Das große Plus des Inselstaates ist die einmalige Teamchemie unter Headcoach Craig Pedersen. Der Kern der Mannschaft spielt seit 15 Jahren genauso zusammen - es gibt halt nicht so viel Verdrängungspotential. So kommt es auch, dass jeder Spieler die Stärken und Schwächen seines Nebenmannes kennt und diesen optimal einsetzen kann.
Das ist auch bitter nötig, um ein großes Defizit wettzumachen: Die körperliche und athletische Unterlegenheit, vor allem unter dem Brett: Hlynur Baeringsson, der beste Rebounder der Qualifikationsrunde (8,5 pro Spiel), ist gerade mal zwei Meter groß.
Player to Watch: Jon Stefansson. Der 32-jährige Routinier ist der Dreh- und Angelpunkt der isländischen Offensive und der einzige Akteur, der derzeit bei einer großen Adresse Europas unter Vertrag steht (Unicaja Malaga). Läuft es beim Guard, dann läuft es auch beim Rest: In der Quali kam er auf 22 Punkte im Schnitt bei 43 Prozent von Downtown. Auch die Briten werden sich noch lange an diesen Namen erinnern, denn er versenkte wenige Sekunden vor Schluss den vorentscheidenden Dreier im wegweisenden Spiel.
Türkei: Neu ist immer besser?
Während die Isländer getrost als Außenseiter betrachtet werden dürfen, nimmt die Türkei den Status als Wundertüte für sich in Anspruch. Bestes Beispiel war die jüngste Niederlage gegen Deutschland beim Supercup, bei der das Team von Ergin Ataman zwei völlig unterschiedliche Halbzeiten aufs Parkett legte und einen 24-Punkte-Vorsprung hergab.
Die fehlende Konstanz kommt nicht von ungefähr: Beim türkischen Verband kam es in der jüngeren Vergangenheit zu einem Umbruch, bei dem viele junge Spieler in die A-Nationalmannschaft aufstiegen. Dieses Vorgehen trägt bereits Früchte, vor allem die Talente Cedi Osman (von den Minnesota Timberwolves gedraftet und zu den Cleveland Cavaliers getradet) und Furkan Korkmaz (Anadolu Efes Istanbul) haben große Karrieren vor sich.
Aber: An großer internationaler Erfahrung mangelt es den jungen Wilden, und da ist es umso bitterer, dass mit den Big Men Enes Kanter (Differenzen mit dem Verband) und Ömer Asik (Rückenprobleme) zwei gestandene NBA-Center nicht mit an Bord sind. Trotzdem mangelt es den Türken traditionell nicht an Masse unter dem Korb, zudem gibt es mit Ersan Ilyasova auf der Vier einen Go-to-Guy ohne nennenswerte Schwächen.
Das Team vom Bosporus kann bei der Vorrunde in Berlin zudem auf einen verkappten Heimvorteil setzen: Wenn es nicht gerade gegen Deutschland geht, wird die Mercedes-Benz-Arena in Berlin fest in rot-weißer Hand sein. Ob das junge Team das auch zu einem Vorteil ummünzen kann, bleibt allerdings abzuwarten.
Player to Watch: Bobby Dixon aka Ali Muhammed. Der eingebürgerte US-Amerikaner mag zwar nur 1,78 Meter groß sein, ist mit seinem Speed und seinem Distanzwurf aber unberechenbar. Er holte mit Pinar Karsiyaka jüngst die türkische Meisterschaft und legte dabei 17,2 Punkte (42,6% FG) und 4,7 Assists auf. Wenn die Mannschaft es schafft, dessen körperlich bedingten Schwierigkeiten in der Verteidigung zu kaschieren, dann kann er mit seinen 32 Jahren zum unverzichtbaren Anführer werden.
Italien: Endlich gesund - und unaufhaltbar?
Die Italiener konnten einem in der Vergangenheit schon etwas leidtun. Stets mit großen Ambitionen in die jüngsten Turniere gestartet, folgten erst jede Menge Verletzungen und dann die daraus resultierenden Pleiten. Dieses Jahr soll aber alles anders werden: Alle vier NBA-Stars sind mit an Bord, hinzu kommen zahlreiche etablierte Leistungsträger aus Europa.
Mit dem Quartett Andrea Bargnani, Danilo Gallinari, Luigi Datome und Marco Belinelli zählen die Italiener zum engen Favoritenkreis für eine Medaille. Jeder dieser Spieler bringt enorme Gefahr vom Perimeter mit - laufen nur zwei von ihnen heiß, ist dem Team offensiv kaum beizukommen.
Allerdings: Die Azzurri ist in dieser Konstellation zum ersten Mal unterwegs, die Vorbereitung hat gezeigt, dass vor allem bei der defensiven Abstimmung noch einige Baustellen vorhanden sind. Es fehlt zudem an körperlicher Präsenz an den Brettern, denn mit Bargnani auf der Fünf und Gallinari auf der Vier stehen zwei Frontcourt-Spieler bereit, die nicht gerade für harte Arbeit bekannt sind.
Dennoch ist das individuelle Talent zu groß, um sich über diese Defizite Sorgen machen zu müssen. Mit der Türkei und Island bekommen die Italiener zwei Gegner zum Auftakt, die für einen Start nach Maß wie gemacht sind. Und hat sich das Team von Head Coach Simone Pianigiani erstmal warm geschossen, dann gibt es keine Gegner mehr, vor denen es sich verstecken muss.
Player to Watch: Alessandro Gentile. Der Forward von EA7 Emporio Armani Milan entschied sich gegen die NBA und für die Serie A. Der 22-Jährige bringt in jungen Jahren schon eine enorme Abgeklärtheit mit und sorgte bei den vergangenen Turnieren dafür, dass diese auch ohne die NBA-Garde nicht zu einem kompletten Reinfall wurden. Er bringt an beiden Enden des Parketts hohe Qualität mit und hat bis auf den Dreier keine nennenswerten Schwächen - womit er zum perfekten Puzzlestück der Starting Five wird.