Was ist Ihr Ziel für die EuroBasket 2015, Monsieur Parker? "Die Goldmedaille, ein anderes Ziel haben wir nicht." Das saß. Eine Erklärung gefällig? "Es ist nur meine persönliche Meinung, aber ich glaube, dieses Team ist das stärkste in der Geschichte des französischen Basketballs."
Größenwahn? Hybris? Arroganz? Nicht wirklich. Man kann Tony Parker nicht einmal widersprechen, wenn er die französische Nationalmannschaft mit solchen Worten beschreibt.
Der Kader ist dermaßen gespickt mit NBA-Legionären oder Spielern der europäischen Spitzenklasse, dass selbst die Spanier ein wenig Neid verspüren. Und damit ist die Marschroute für das anstehende Turnier auch vollkommen klar.
Ein Kader voller Stars
Trainer Vincent Collet kann im Gegensatz zum Vorjahr, als die Franzosen bei der WM Bronze holten, wieder nahezu aus dem Vollen schöpfen, auch wenn Joakim Noah sich gegen eine Teilnahme entschied. Dabei sind dafür Rudy Gobert, Nicolas Batum, Boris Diaw, Alexis Ajinca, Evan Fournier und natürlich Parker, der wohl beste europäische Guard aller Zeiten.
Gemeinsam mit Backcourt-Partner Nando De Colo, der bei ZSKA Moskau soeben das beste Jahr seiner Karriere gespielt hat, wird Parker dafür sorgen, dass die Franzosen reichlich Tempo machen und allein unter den Guards zwei gefährliche Scorer haben werden.
An Running Mates im Fastbreak wird es dank der athletischen Flügel wie Batum, Joffrey Lauvergne oder Fournier ebenfalls nicht fehlen. All das würde Frankreich schon eine Eintrittskarte zum Klub der Favoriten bescheren, aber es geht noch weiter: In der Vorbereitung demonstrierten Parker und Center-Gigant Gobert auf einmal eine herausragende Chemie beim Pick'n'Roll.
Neue Harmonie zwischen Parker und Gobert
"Rudy hat sich im Vergleich zum letzten Jahr unglaublich verbessert. Er ist viel aggressiver und nutzt seine körperlichen Vorteile gut aus. Er und Parker passen richtig gut zusammen", lobte Collet nach dem Test gegen die Ukraine.
Wenn man dazu noch die Passfähigkeiten von Diaw, Batum oder Backup-Einser Antoine Diot einbezieht, kann den gegnerischen Teams schon angst und bange werden. Es sind Optionen im Halbfeld und Break vorhanden, im Backcourt gibt es etliche kompetente Schützen, kaum ein Team ist schneller oder athletischer. Wer gegen die Franzosen zum Korb zieht, muss immer noch den "Stifle Tower" Gobert überwinden.
Der Kader ist dermaßen stark besetzt, dass Collet überraschenderweise sogar Point Guard Thomas Heurtel zuhause ließ, der im letzten Jahr noch einer der wichtigsten Faktoren war, als Frankreich im Viertelfinale sensationell Gastgeber Spanien aus dem Turnier warf.
Die Nicht-Nominierung hatte natürlich mit Parkers Rückkehr zu tun, vielleicht wollte sich Collet aber auch so weit wie möglich von diesem Turnier distanzieren. Schließlich wollen die Franzosen nicht das gleiche Schicksal wie das zuvor dominante Team des europäischen Kontinents erleiden.
Negativbeispiel Spanien
Zur Erinnerung: Obwohl Frankreich 2013 die EuroBasket gewonnen hatte, galten die Spanier im vergangenen Jahr als einziger ernstzunehmender Konkurrent der übermächtigen Amerikaner. Zudem verfügten die Iberer eben über den Heimvorteil, waren durch ihre Gruppe (mit unter anderem Frankreich) spaziert und schienen dazu prädestiniert, im Finale wieder mal um Gold zu spielen.
Was dann folgte, war ein Viertelfinale, in dem die spanische Übermannschaft auf einmal unter dem Druck des eigenen Publikums zusammenbrach und deutlich gegen Frankreich verlor. Eine Niederlage, die eigentlich keiner für möglich gehalten hatte - schon gar nicht die Spanier selbst.
Nun hätte sich Frankreich eigentlich den Titel "bestes Team in Europa" sichern sollen, dachte man. Stattdessen ging man etwas zu selbstsicher ins Halbfinale gegen Serbien und verlor gegen Milos Teodosic und Co. knapp. Eine Erfahrung, die sich das Team bei der kommenden EM zu Herzen nehmen sollte.
Neu in der Favoritenrolle
Denn allzu gut kennen die Franzosen ihre neue Rolle noch nicht. "Wir waren es gewohnt, die Jäger zu sein. Jetzt sind wir zum ersten Mal das Team, das von allen gejagt wird", sagte auch Collet, und fügte hinzu: "Wir werden besser spielen müssen, um den Titel von 2013 verteidigen zu können."
Mit dieser Aussage hat der Trainer höchstwahrscheinlich Recht. Es ist nahezu ausgeschlossen, dass sie in Gruppe A (gegen Russland, Bosnien-Herzegowina, Finnland, Polen und Israel) stolpern könnten, die richtigen Tests kommen erst in der K.o.-Runde - eine leichte Situation ist das nicht. Ein einziger Ausrutscher, und schon wäre das Turnier vorbei.
Generell gilt folgender Grundsatz: Wahrscheinlich kann sich Frankreich bei dieser EM nur selbst schlagen. Sie haben das meiste Talent, einige der besten Einzelspieler und wohl auch die größte Tiefe. Gerade Parker und Diaw bringen enorme Kaltschnäuzigkeit mit, durch Gobert, Fournier und Co. fehlt es auch nicht an Jugend.
Jetzt müssen eigentlich nur noch die Nerven mitspielen. Dann - und nur dann - ist die erträumte Titelverteidigung realistisch.
Der EM-Spielplan im Überblick