Zum Abschluss der Themenwoche kommt Bamberg-Trainer Andrea Trinchieri zu Wort. Der Italiener reflektiert seine erste Saison bei den Brose Baskets und bereut dabei eine Äußerung gegen den Rivalen aus München. Trinchieri über Schmährufe der Bayern, Anschuldigungen vom DBB und die Crux der 6+6-Regel.
SPOX: Herr Trinchieri, als SPOX im Vorjahr mit Ihnen sprach, waren Sie sehr enthusiastisch und hatten hohe Erwartungen an die BBL. Was denken Sie nun, nachdem Sie ein Jahr hier arbeiten?
Andrea Trinchieri: Ich hatte gar nicht so hohe Erwartungen, aber ich war enthusiastisch, weil ich das immer bin, wenn ich meinen Job machen kann und auch alle Möglichkeiten dafür habe. Bamberg ist ein super Ort dafür. Ich hatte mir persönlich hohe Ziele gesteckt und diese auch meinen Spielern vermittelt. Aber ich war mir am Anfang der Saison nicht sicher, was wir erreichen können. Mit Fortlaufen der Saison habe ich dann aber ein Gefühl dafür bekommen, was wir erreichen können. Die Saison endete dann nicht auf die schlechteste Weise.
SPOX: Das stimmt. Die Frage zielte nicht nur auf Bamberg allein ab. Sie zeigten sich von den Möglichkeiten und Aussichten der BBL beeindruckt. Sie schwärmten geradezu.
Trinchieri: Das ist richtig. Ich habe ein paar Erfahrungen in verschiedenen Ligen sammeln können und die BBL entwickelt sich unglaublich schnell. Es gibt hier tolle Hallen und an vielen Orten herrscht eine super Stimmung. Lassen Sie mich ein wenig ausholen. Es gibt Länder, wie mein Heimatland, in dem es ein Kern an sehr enthusiastischen Fans gibt, aber es ist sehr schwierig, diesen Kern zu vergrößern. Du bist ein Held, wenn du gewinnst und der größte Trottel auf der Welt, wenn du verlierst. Das gilt im Grunde für die ganzen Mittelmeerländer: Italien, Griechenland, Spanien, Türkei. Im Jahr 2015 sollten wir aber in eine andere Richtung gehen. Wir müssen die Basis vergrößern und genau das passiert in Deutschland. Für die Menschen hier ist der Besuch eines Spiels wie ein Theaterbesuch oder ein Gang ins Kino. Sie wollen die Show auf dem Feld und die Show abseits des Spiels. Sie wollen etwas Essen und das Spiel genießen. Das ist der Vorteil der Liga hier. Sie bietet ein anderes Paket.
SPOX: Kommen wir aufs Sportliche zu sprechen. Was ist schwieriger? Ein neues Team von Grund auf aufzubauen, wie Sie es im Vorjahr machen mussten oder den Erfolg jetzt mit dem Team bestätigen zu müssen?
Trinchieri: Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Den Erfolg zu wiederholen ist viel schwieriger. Es ist das Schwierigste. Um die Spitze zu erreichen, brauchst du Talent. Um aber an der Spitze zu bleiben, brauchst du Talent und Charakter.
SPOX: Der Kern des Teams ist der Gleiche, Sie müssen aber dennoch neun neue Spieler einbauen. Wie wird sich dadurch das Spiel verändern?
Trinchieri: Ich bin ein Zimmermann, Bamberg gibt mir die Materialien und ich muss daraus dann etwas zimmern. Ich glaube schon, dass wir ein wenig anders spielen werden. Wir haben jetzt einen höheren Basketball-IQ und müssen unser Spiel daher ein wenig verändern.
SPOX: Wie wird das aussehen?
Trinchieri: Wir sind sehr vielseitig. Jeder Spieler im Kader kann mindestens zwei Positionen spielen. Dazu werden wir in der Defensive aggressiver auftreten, weil wir einen tieferen Kader haben. Offensiv werden wir häufiger von der Dreierlinie den Abschluss suchen.
SPOX: Nikos Zisis ist sicher Bambergs Königstransfer. Was erwarten Sie von ihm?
Trinchieri: Nichts, was ich noch nicht von ihm gesehen habe. Ganz einfach: Er ist ein Spieler, der ein Team besser macht.
SPOX: Mit Nicolo Melli haben Sie einen Landsmann in die Liga gelockt. Wie konnten Sie ihm ein Engagement in der BBL schmackhaft machen? Es gab in der Vergangenheit nicht viele Italiener in der Liga.
Trinchieri: Das ist ganz einfach. Wir sprechen nicht mit einem italienischen Spieler, sondern mit einem Spieler, den wir mögen. Wir hätten uns auch für Melli entschieden, wenn er aus der Dominikanischen Republik, Brasilien oder den USA kommen würde. Ich glaube einfach, dass er sehr gut bei uns reinpasst. Er ist jemand, der uns auf viele Arten weiterhelfen kann.
SPOX: Zeigt die Tatsache, dass Melli und Zisis sich für Bamberg entschieden haben, auch den höheren Stellenwert, den die BBL mittlerweile genießt?
Trinchieri: Das hoffe ich doch. Erst einmal ist es aber ein Zeichen, dass Bamberg seine Sache vernünftig machen will.
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Seite 2: Trinchieri über die Vorwürfe vom DBB und das Problem der 6+6-Regel
Seite 3: Trinchieri über die Rivalität mit den Bayern und seine Meinung zur NBA
SPOX: Rim Protector Trevor Mbakwe hat den Verein Richtung Maccabi Tel Aviv verlassen. Als Ersatz holten Sie College-Abgänger Gabriel Olaseni und Bayern-Reservist Yassin Idbihi. Ist das nicht ein Risiko?
Trinchieri: Nein. Es ist ganz einfach, wir haben die Möglichkeit Zisis, Strelnieks und Wanamaker gleichzeitig zu bringen. Das ist eine starke Waffe, um auch mal einen anderen Weg zu gehen und mit einer kleinen Aufstellung zu spielen. Wir erwarten von Gabriel in den ersten zwei Monaten gar nichts. Für ihn wird es so sein, als wäre er gerade vom Mars gelandet. Das passiert jedes Jahr mit den Rookies. Aber wir sind tief genug, um das in den ersten beiden Monaten aufzufangen. Er muss schnell lernen und motiviert bleiben und durch unsere Schule gehen. Es ist aber kein Risiko, weil wir es wissen. Es kommt nicht überraschend für uns. Ein Risiko bleibt in unserem Job immer, weil wir mit Menschen arbeiten.
SPOX: Sie sagten im Vorjahr auch, dass Daniel Theis das größte deutsche Talent ist und er Bambergs Lebensversicherung für die Zukunft sein kann. Wie beurteilen Sie ihn nach der ersten Saison?
Trinchieri: Er ist sehr wichtig für uns, ist aber immer noch dabei, sich als Spieler in der Liga zu etablieren. In den ersten fünf Monaten war es schlecht, eine einzige Achterbahnfahrt. Im zweiten Teil der Saison hat er sich dann gesteigert und war richtig gut. Geradezu exzellent. Nach seiner schweren Verletzung braucht er jetzt ein wenig Zeit. Er hat zwei Fähigkeiten, die sehr wichtig sind, um eine gute Karriere hinzulegen. Er ist athletisch und er kann trotz seiner Größe werfen.
SPOX:Theis wurde kritisiert, weil er in der Preseason für Bamberg auflief, aber der Nationalmannschaft verletzungsbedingt für die EuroBasket absagte. Der DBB hatte die Vermutung geäußert, dass es möglicherweise Ihre Empfehlung war, das Turnier abzusagen.
Trinchieri: (überlegt lange) Ich muss aufpassen, was ich sage, aber in meiner Karriere habe ich von meinen Trainern gelernt: Wenn du ein Spiel verlierst, ist es immer besser, wenn du über das Spiel redest und nicht über andere Dinge. Ich glaube, das war ein guter Ratschlag.
SPOX: Glauben Sie, dass die deutschen Spieler eine größere Rolle in ihren Teams brauchen, um mit der Nationalmannschaft Erfolg zu haben?
Trinchieri: Was müssen deutsche Spieler machen, damit sie eine größere Rolle bekommen?
SPOX: Hart arbeiten?
Trinchieri: Ich weiß es nicht, ich bin kein deutscher Spieler. Sie haben mir die Frage gestellt und ich kann sie nur mit einer Gegenfrage beantworten. Die Frage ist vielmehr, welches Opfer wollen sie bringen, um sich diese größere Rolle zu verdienen? Ich habe in meinem Leben noch keinen Trainer erlebt, der nicht gerne mit guten Spielern arbeiten wollte.
SPOX: Aber ist es für die deutschen Spieler nicht zu leicht einen Kaderplatz in der BBL zu bekommen aufgrund der 6+6-Regel?
Trinchieri: Ja, definitiv. Das ist aber nicht nur ein deutsches Problem. Das Problem gibt es überall dort, wo die garantierten Plätze den Wettbewerb ausbremsen. Wer hat die EuroBasket gewonnen?
SPOX: Spanien.
Trinchieri: Sie haben den größten Wettbewerb. In der spanischen Liga darf man sieben Ausländer im Team haben. Vielleicht ist das eine Lehre.
SPOX: Würden Sie die Regel ändern?
Trinchieri: Ja, ich würde sie ändern, aber nun ist es zu spät. Man kann nicht von 0 auf 100 gehen. Ich denke der Fehler lag darin, von einer unbegrenzten Anzahl an Ausländern auf mindestens sechs Deutsche zu gehen. Der Sprung war zu groß. Es gab einfach nicht genug gute deutsche Spieler.
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SPOX: Sie haben uns im letzten Jahr erzählt, dass Ihnen die Bayern auf die Nerven gehen, weil sie immer die Spieler wollten, die sie wollten. War das in diesem Jahr auch so?
Trinchieri: Ich glaube, das war damals von mir nicht so schlau. Wenn ich so etwas aus meiner Position heraus sage, führt das zu einer Reaktion. Ich muss daher lernen, mich in diesen Momenten besser zu kontrollieren. Auch wenn sie mir auf die Nerven gehen, sollte ich das nicht sagen.
SPOX: Aber das war doch keine ernstgemeinte Aussage von Ihnen...
Trinchieri: Ironisch zu sein, ist sehr wichtig, aber die Bayern sind wirklich eine unglaubliche Organisation. Svetislav Pesic ist im Grunde der Gründer des deutschen Basketballs und auf jeden Fall ein Hall of Famer im europäischen Basketball. Daher habe ich enormen Respekt vor ihnen. Sie machen das anders als wir, aber ich respektiere das.
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SPOX: Für Sie sind die Bayern wieder der Meisterschaftsfavorit, aber Ihr Team ist doch nicht wirklich schlechter. Warum machen Sie Ihr Team kleiner als es wirklich ist?
Trinchieri: Hören Sie, es nun mal wirklich selten, dass ein Rookie-Coach mit einem Rookie-Team den Titel gewinnt. Deswegen mache ich mein Team nicht kleiner. Wer konnte schon davon ausgehen, dass die Bayern nach der Saison ohne einen einzigen Titel dastehen werden? Das war schon überraschend. Mein Team hat sich im letzten Jahr stark verbessert und sich die Möglichkeit erkämpft, in den Finals zu spielen. Da waren wir vielleicht das glücklichere Team, das die richtigen Dinge im richtigen Moment gemacht hat.
SPOX: Aber Sie haben die Aussage vor dieser Saison getätigt.
Trinchieri: Richtig, denn ich bin immer noch sicher, dass wir nie in der Lage sein werden, ihnen außerhalb des Platzes auf Augenhöhe zu begegnen. Sie sind München, sie sind eine der drei größten Sport-Organisationen der Welt. München ist München. Bamberg ist Bamberg. Sie nennen uns Bauern. Und das mag ich. Ein Bauer ist ein realistischer Mensch und sehr clever. Ich mag es, ein Bauer zu sein. Das bereitet mir keine Sorge. Wir machen es hier im wunderschönen Frankenland auf unsere Weise und sie machen es in einer der wichtigsten Städte der Welt eben auf ihre Art. Da werden wir nie mithalten können.
SPOX: "Ich mag es, ein Bauer zu sein" ist eine großartige Überschrift. Vielen Dank.
Trinchieri: In Italien gibt es viele Erzählungen über schlaue Bauern. Sie müssen mit ihrem Land klar kommen und das Land ist das einzige auf der Erde, das schon immer da war. Sie haben eine großartige Lebenseinstellung. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter und sie müssen ihre Arbeit machen.
SPOX: Es gibt aber nicht nur die Bayern, sondern auch Berlin. Wie gefährlich ist es für die Liga, wenn nur drei Teams das Geschehen dominieren? Die Artland Dragons haben ihre Konsequenzen daraus gezogen und sich zurückgezogen.
Trinchieri: Drei Teams sind besser als eins. Was sollen die Leute in Spanien sagen? Da war es schon immer so. Und drei ist keine schlechte Zahl. In diesem Jahr werden es mindestens vier sein. Das Management von Ulm hat einen unglaublichen Job in der Offseason gemacht und sie sind für mich ein ernsthafter Titelkandidat.
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SPOX: Lassen Sie uns über die Euroleague sprechen. Euroleague-Chef Jordi Bertomeu sagte im SPOX-Interview, dass für die deutschen Teams jedes Jahr das Ziel sein muss, ins Final Four zu kommen.
Trinchieri: Es sollte nicht das Ziel sein, aber sie sollten die Ambition haben, dies zu erreichen. Dieses Ziel kann dich nämlich richtig frustrieren, wenn du es nicht erreichst. Wenn du aber jeden Tag im Training die Ambition hast, das Final Four zu erreichen, ist es eine Motivation. Das macht einen Unterschied. Die Chance liegt vielleicht bei einem Prozent, aber es ist eine reelle Chance und dafür arbeiten wir. Wir sind aber in einer Höllengruppe, und wenn du in der Hölle bist, ist das einzige, was du tun kannst, laufen und das von Spiel zu Spiel und Tag zu Tag.
SPOX: Im nächsten Monat finden in Mailand die Global Games statt. Olimpia Milano spielt gegen die Boston Celtics. Ist das ein besonderes Spiel für Sie? Sie wurden schließlich in Mailand geboren? Ihr Großvater lebte in Boston.
Trinchieri: Ja, das stimmt. Ich bin mit der Celtics-Lakers-Rivalität aufgewachsen. Natürlich ist Boston heute ein anderes Team, aber sie sind auf einem guten Weg. Sie haben einen großartigen Coach. Aber das ist natürlich kein richtiges Spiel. Das ist mehr Showbusiness, aber ich mag das. Für die Fans ist das toll, aber wir wollen natürlich lieber ein Playoff-Spiel mit Blut und Schweiß sehen.
SPOX: Ihre Kollegen Sasha Obradovic und Svetislav Pesic sind bekanntlich nicht die größten Fans der NBA. Wie ist das bei Ihnen?
Trinchieri: Jedes Mal, wenn man etwas verallgemeinert, macht man einen Fehler. Es gibt sicher einige Aspekte in der NBA, die mir nicht gefallen, aber wenn man sich näher mit der Liga beschäftigt, sieht man Dinge, die einfach unglaublich sind. Man sollte die Liga nur nie mit Europa vergleichen. Schaut man sich zum Beispiel ein Playoff-Spiel in der Euroleague an und dann ein Regular-Season-Spiel in der NBA zwischen zwei Teams, die tanken, ist das ein himmelweiter Unterschied. Aber ein Playoff-Spiel in der NBA hat allerhöchstes Niveau. Die Organisationen, die Liga und das ganze Drumherum sind einfach unglaublich. Daher würde ich nie sagen, dass ich die NBA nicht mag.
SPOX: Gibt es bestimmte Trainer in der NBA, die sie beobachten?
Trinchieri: Natürlich. Popovich ist einfach Popovich. Brad Stevens von den Celtics ist ein sehr guter Coach. Dann mag ich Steve Kerr aus dem einfachen Grund, weil er es geschafft hat, das Herz und das Hirn seiner Spieler zu erreichen. Jeder hat nur auf Steph Curry geschaut, aber wie schnell sie in der Defense reagiert haben, war einfach unglaublich. Doc Rivers ist für mich der beste Coach, wenn es darum geht, Veteranen zu trainieren. Und als Italiener natürlich auch Ettore Messina.
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