SPOX: Alex Tyus, Sie haben ein interessantes Jahr hinter sich. Nach dem Gewinn der Turkish Airlines Euroleague mit Maccabi Electra Tel Aviv verließ Sie ihr Trainer David Blatt Richtung NBA. Wie sahen denn die ersten Monate ohne ihn aus?
Alex Tyus: Es war schon ein großer Unterschied für uns. Wir spielen unter unserem neuen Coach Guy Goodes einen anderen Stil und er unterscheidet sich auch als Typ sehr von Blatt. Nicht zuletzt wurden auch einige Spieler ausgetauscht. Wir mussten uns an die ganze Situation erst gewöhnen und lernen, miteinander zu spielen. Mittlerweile haben wir uns aber ganz gut eingespielt.
SPOX: Inwiefern ist Goodes ein anderer Typ als Blatt?
Tyus: Blatt ist ein Perfektionist. Er kann Fehler nicht leiden und lässt es dich sofort wissen, wenn du etwas falsch machst. Er strebt in jeder Situation nach Perfektion, hält dich an der kurzen Leine. Goodes ist da eher laid-back - er lässt seine Spieler eigene Entscheidungen treffen, legt mehr Wert auf Eigenständigkeit, um das Selbstvertrauen seiner Spieler zu steigern.
SPOX: Das hört sich an, als wären sie nicht unglücklich über den Wechsel...
Tyus: Nein, das kann man so nicht sagen. Blatt hat uns immerhin zum Champion gemacht. Er war ein ganz wichtiger Bestandteil der letzten Saison.
SPOX: Da Sie den Titel ansprechen: Im Final Four galt Maccabi gegen ZSKA und gegen Real eigentlich als krasser Außenseiter.
Tyus: Ja, da hat uns niemand etwas zugetraut. Vor allem nicht im Finale gegen Real, die als das große Superteam galten.
SPOX: Und dann kam das Finale, in dem Sie Real sehr eindrucksvoll die Stärken nahmen. War das Blatts Werk?
Tyus: Er hat uns akribisch darauf vorbereitet, wie wir ihre Offense stoppen können. Unsere Big Men sollten mit ihrer Athletik zum Beispiel bei der Pick'n'Roll-Defense den Guard übernehmen, was in Europa nicht viele Teams können. Und auch unsere Guards haben einen starken Job gegen Sergio Rodriguez und die anderen gemacht. Blatt hat uns immer wieder eingebläut, dass wir mit konzentrierter Defense jedes Team schlagen können, selbst ein so gutes wie Real.
SPOX: Ist er vor solchen Spielen eher ein Motivator oder einer, der sich vor allem auf die Taktik konzentriert?
Tyus: Er kann beides gut, würde ich sagen. Gerade zu uns Amerikanern im Team hatte er immer einen guten Draht, weil er ja selbst aus den USA stammt. Er verlangt viel von dir, kann dich aber auch sehr gut motivieren. Und natürlich beherrscht er auch die "X's and O's". Das macht ihn zu einem großartigen Coach, und dadurch hat er uns zum Titel geführt.
SPOX: Stehen Sie auch jetzt noch in Kontakt mit ihm?
Tyus: Ich habe ihn zuletzt gesehen, als wir bei den Global Games gegen die Cavaliers gespielt haben. Aber ich verfolge aus der Ferne, wie er sich in Cleveland macht. Ich bin großer Fan von LeBron James, also sehe ich mir viele ihrer Spiele an.
SPOX: Mittlerweile haben sich die Cavs gefangen, der Anfang war für Blatt aber nicht leicht. Nicht nur die Experten, sondern auch LeBron hat beispielsweise öffentlich Kritik an der Mannschaft geübt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Tyus: Ich glaube, das liegt am Unterschied zwischen Europa und der NBA. Dort stehen die Spieler mehr im Vordergrund, während es in Europa mehr ums Team geht. Das ist einfach eine andere Mentalität, an die man sich erst gewöhnen muss. Hier haben Coaches viel mehr Einfluss als in der NBA, wo die Spieler so viel mehr Geld verdienen. Vor allem natürlich bei einem Team wie den Cavs, das so viel Starpower hat. Deswegen muss sich Blatt an LeBron und die anderen gewöhnen, genau wie sich LeBron an Blatts Stil gewöhnen muss. Meiner Meinung nach ist er dank seiner Erfahrung aber selbstbewusst genug, um mit diesen Problemen umgehen zu können.
SPOX: Kommen wir zurück auf die aktuelle Euroleague-Saison. Wie hat sich das Spiel von Maccabi seit Blatts Abgang verändert?
Tyus: Wir sind athletischer geworden, punkten besser in Transition. In der letzten Saison spielten wir offensiv sehr viel im Halbfeld. Defensiv hat sich nicht so viel verändert, wir sind auch dieses Jahr wieder ziemlich gut. (lacht) Aber ich würde sagen, dass wir vor allem athletischer geworden sind. Insgesamt sind wir jetzt etwas talentierter.
SPOX: Was stellt so eine Meisterschaft mit dem Selbstvertrauen an?
Tyus: Unser Selbstvertrauen ist natürlich enorm gewachsen. Es waren zwar nicht alle Spieler der heutigen Mannschaft dabei, aber man kann es einfach spüren, dass die gesamte Organisation, die Fans und die Stadt auf einer Euphoriewelle reiten. Wir haben gelernt, dass wir zur Elite in Europa zählen.
SPOX: Dann können Sie sich einen Repeat vorstellen?
Tyus: Die Chance besteht auf jeden Fall! Wichtig ist, dass wir weiter jeden Tag hart arbeiten und uns verbessern, dann ist alles möglich. Vielleicht können wir wieder zum perfekten Zeitpunkt heißlaufen.
SPOX: In welchen Bereichen müssen Sie denn noch besser werden?
Tyus: Unsere Offense im Halfcourt ist noch nicht auf dem Level, den wir gerne hätten. Vor allem im Hinblick auf die Playoffs müssen wir daran arbeiten, weil das Spiel dort langsamer wird und man nicht mehr so leicht in Transition punkten kann.