Er holte mit David Blatt die Euroleague-Trophäe nach Tel Aviv - und hat eine Erklärung für die Anlaufschwierigkeiten seines Ex-Trainers bei den Cavaliers. Alex Tyus über Gegner Alba Berlin (20.05 Uhr im LIVE-TICKER), Idol LeBron James, "Bachelor" Chandler Parsons und die Unterschiede zwischen Europa und den USA.
SPOX: Alex Tyus, Sie haben ein interessantes Jahr hinter sich. Nach dem Gewinn der Turkish Airlines Euroleague mit Maccabi Electra Tel Aviv verließ Sie ihr Trainer David Blatt Richtung NBA. Wie sahen denn die ersten Monate ohne ihn aus?
Alex Tyus: Es war schon ein großer Unterschied für uns. Wir spielen unter unserem neuen Coach Guy Goodes einen anderen Stil und er unterscheidet sich auch als Typ sehr von Blatt. Nicht zuletzt wurden auch einige Spieler ausgetauscht. Wir mussten uns an die ganze Situation erst gewöhnen und lernen, miteinander zu spielen. Mittlerweile haben wir uns aber ganz gut eingespielt.
SPOX: Inwiefern ist Goodes ein anderer Typ als Blatt?
Tyus: Blatt ist ein Perfektionist. Er kann Fehler nicht leiden und lässt es dich sofort wissen, wenn du etwas falsch machst. Er strebt in jeder Situation nach Perfektion, hält dich an der kurzen Leine. Goodes ist da eher laid-back - er lässt seine Spieler eigene Entscheidungen treffen, legt mehr Wert auf Eigenständigkeit, um das Selbstvertrauen seiner Spieler zu steigern.
SPOX: Das hört sich an, als wären sie nicht unglücklich über den Wechsel...
Tyus: Nein, das kann man so nicht sagen. Blatt hat uns immerhin zum Champion gemacht. Er war ein ganz wichtiger Bestandteil der letzten Saison.
SPOX: Da Sie den Titel ansprechen: Im Final Four galt Maccabi gegen ZSKA und gegen Real eigentlich als krasser Außenseiter.
Tyus: Ja, da hat uns niemand etwas zugetraut. Vor allem nicht im Finale gegen Real, die als das große Superteam galten.
SPOX: Und dann kam das Finale, in dem Sie Real sehr eindrucksvoll die Stärken nahmen. War das Blatts Werk?
Tyus: Er hat uns akribisch darauf vorbereitet, wie wir ihre Offense stoppen können. Unsere Big Men sollten mit ihrer Athletik zum Beispiel bei der Pick'n'Roll-Defense den Guard übernehmen, was in Europa nicht viele Teams können. Und auch unsere Guards haben einen starken Job gegen Sergio Rodriguez und die anderen gemacht. Blatt hat uns immer wieder eingebläut, dass wir mit konzentrierter Defense jedes Team schlagen können, selbst ein so gutes wie Real.
SPOX: Ist er vor solchen Spielen eher ein Motivator oder einer, der sich vor allem auf die Taktik konzentriert?
Tyus: Er kann beides gut, würde ich sagen. Gerade zu uns Amerikanern im Team hatte er immer einen guten Draht, weil er ja selbst aus den USA stammt. Er verlangt viel von dir, kann dich aber auch sehr gut motivieren. Und natürlich beherrscht er auch die "X's and O's". Das macht ihn zu einem großartigen Coach, und dadurch hat er uns zum Titel geführt.
SPOX: Stehen Sie auch jetzt noch in Kontakt mit ihm?
Tyus: Ich habe ihn zuletzt gesehen, als wir bei den Global Games gegen die Cavaliers gespielt haben. Aber ich verfolge aus der Ferne, wie er sich in Cleveland macht. Ich bin großer Fan von LeBron James, also sehe ich mir viele ihrer Spiele an.
SPOX: Mittlerweile haben sich die Cavs gefangen, der Anfang war für Blatt aber nicht leicht. Nicht nur die Experten, sondern auch LeBron hat beispielsweise öffentlich Kritik an der Mannschaft geübt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Tyus: Ich glaube, das liegt am Unterschied zwischen Europa und der NBA. Dort stehen die Spieler mehr im Vordergrund, während es in Europa mehr ums Team geht. Das ist einfach eine andere Mentalität, an die man sich erst gewöhnen muss. Hier haben Coaches viel mehr Einfluss als in der NBA, wo die Spieler so viel mehr Geld verdienen. Vor allem natürlich bei einem Team wie den Cavs, das so viel Starpower hat. Deswegen muss sich Blatt an LeBron und die anderen gewöhnen, genau wie sich LeBron an Blatts Stil gewöhnen muss. Meiner Meinung nach ist er dank seiner Erfahrung aber selbstbewusst genug, um mit diesen Problemen umgehen zu können.
SPOX: Kommen wir zurück auf die aktuelle Euroleague-Saison. Wie hat sich das Spiel von Maccabi seit Blatts Abgang verändert?
Tyus: Wir sind athletischer geworden, punkten besser in Transition. In der letzten Saison spielten wir offensiv sehr viel im Halbfeld. Defensiv hat sich nicht so viel verändert, wir sind auch dieses Jahr wieder ziemlich gut. (lacht) Aber ich würde sagen, dass wir vor allem athletischer geworden sind. Insgesamt sind wir jetzt etwas talentierter.
SPOX: Was stellt so eine Meisterschaft mit dem Selbstvertrauen an?
Tyus: Unser Selbstvertrauen ist natürlich enorm gewachsen. Es waren zwar nicht alle Spieler der heutigen Mannschaft dabei, aber man kann es einfach spüren, dass die gesamte Organisation, die Fans und die Stadt auf einer Euphoriewelle reiten. Wir haben gelernt, dass wir zur Elite in Europa zählen.
SPOX: Dann können Sie sich einen Repeat vorstellen?
Tyus: Die Chance besteht auf jeden Fall! Wichtig ist, dass wir weiter jeden Tag hart arbeiten und uns verbessern, dann ist alles möglich. Vielleicht können wir wieder zum perfekten Zeitpunkt heißlaufen.
SPOX: In welchen Bereichen müssen Sie denn noch besser werden?
Tyus: Unsere Offense im Halfcourt ist noch nicht auf dem Level, den wir gerne hätten. Vor allem im Hinblick auf die Playoffs müssen wir daran arbeiten, weil das Spiel dort langsamer wird und man nicht mehr so leicht in Transition punkten kann.
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SPOX: Da kommt der nächste Gegner Alba Berlin ja gerade recht, oder?
Tyus: Das kann man so sagen. Ihre Defense ist stark, sehr konzentriert. Sie erlauben nur wenig einfache Punkte und haben einen guten Coach, der sie bis in die Haarspitzen motiviert. Man muss extrem konzentriert gegen sie spielen, sonst kann es ganz leicht daneben gehen, wie man bei ihrem Sieg über Real Madrid gesehen hat. Alba ist ein richtig unangenehmer Gegner.
SPOX: Apropos unangenehm: Sie müssen wahrscheinlich Berlins Topscorer Jamel McLean übernehmen. Wie muss man gegen ihn spielen?
Tyus: Ganz aus dem Spiel nehmen kann man ihn nicht. Er attackiert immer wieder den Korb, zieht unglaublich viele Freiwürfe und trifft sie auch noch sicher. Damit muss man aber leben, und meiner Meinung nach haben wir das in den beiden Hauptrundenspielen recht gut gemacht. Er wird seine Abschlüsse bekommen, man muss es ihm dabei nur eben möglichst schwer machen.
Jamel McLean im SPOX-Interview
SPOX: Da Sie auf der Vier und auf der Fünf spielen können, haben Sie es schon mit etlichen Spielertypen zu tun bekommen. Wer war denn der härteste Gegner für Sie?
Tyus: Puh... (lange Pause) Wahrscheinlich DeMarcus Cousins. Der Typ ist riesig, unheimlich stark und hat dann auch noch Ballgefühl. Einfach ein Biest. Das war mit meinen damals 2,03 Metern nicht die spaßigste Angelegenheit am College. (lacht)
SPOX: Sie spielten vier Jahre in Florida unter Billy Donovan, der 2006 und 2007 zwei College-Meisterschaften in Serie mit Joakim Noah und Al Horford holte. Was zeichnet ihn als Trainer aus?
Tyus: Er ist ein überragender Taktiker, kann vor und während des Spielers die richtigen Anpassungen vornehmen. Vor allem mit Big Men hat er schon immer sehr gut zusammengearbeitet. Und er kann natürlich auch sehr gut rekrutieren, wie man an dem Jahrgang um Horford und Noah gesehen hat.
SPOX: Ihre Zeit kam etwas später, unter anderem spielten Sie zusammen mit Chandler Parsons. War damals schon abzusehen, was für einen Erfolg er in der NBA haben könnte?
Tyus: Um ehrlich zu sein: Potenzial hatte er, es hat mich aber überrascht, dass er sich so schnell durchgesetzt hat. Das liegt an seiner Einstellung. Man sieht ihm das nicht unbedingt an, aber er arbeitet sehr hart dafür, immer besser zu werden.
SPOX: Hat er damals auch schon davon geredet, Unterwäsche-Model zu werden?
Tyus (lacht): Ja! Er war schon immer jemand, der sich für mehr als nur Basketball interessiert hat. Ein sehr witziger Typ, der gerne Spaß hat und alles Mögliche ausprobiert. Ich habe vor kurzem gehört, dass er demnächst beim "Bachelor" mitmachen will. Das würde zu ihm passen! (lacht)
SPOX: Sie selbst haben in Ihrer College-Zeit eine faszinierende Entscheidung getroffen: Wie aus dem Nichts entschieden Sie sich, zum Judentum überzutreten. Wie kam es dazu?
Tyus: Meine Freundin, die heute meine Frau ist, brachte das Thema auf. Obwohl wir selbst keinen jüdischen Hintergrund in unseren Familien hatten, kannten wir viele Juden, unter anderem meinen Mitbewohner. Wir sind in Florida irgendwie sehr schnell in diese Gemeinschaft reingewachsen. Je mehr wir über ihre Werte lernten, desto besser gefielen sie uns und desto mehr kamen wir zu der Überzeugung, dass wir unsere Kinder mit diesen Werten großziehen wollten. Dann haben wir gemeinsam entschieden, diesen Schritt zu machen.
SPOX: Wie hat sich Ihr Leben durch diese Entscheidung verändert?
Tyus: Ich habe sehr viel über mich selbst und über das Leben gelernt. Ich habe eine neue Perspektive bekommen und denke heute anders. Aber auch für meine Karriere war die Entscheidung wichtig.
SPOX: Wie das?
Tyus: Ich war 2011 fertig mit dem College, wurde aber nicht gedraftet. Normalerweise hätte ich dann versucht, mich über Camps und die Summer League für die NBA zu empfehlen. 2011 gab es aber den Lockout, also bestand die Möglichkeit nicht. Als ich mit meinem Agenten darüber sprach und ihm erzählte, dass ich kurz davor war, ein Jude zu werden, brachte er die Möglichkeit Israel ins Spiel. Hätte ich mich ohne meinen Übertritt dazu entschieden, dorthin zu gehen? Wahrscheinlich nicht.
SPOX: Wie denken Sie vier Jahre später über diese Entscheidung?
Tyus: Ich bin sehr glücklich darüber. In Europa herrscht bei vielen Spielen eine Atmosphäre wie am College, die Fans sind super. Außerdem liebe ich Tel Aviv, und erfolgreich sind wir auch noch.
SPOX: Dann können Sie sich vorstellen, den Rest Ihrer Karriere in Europa zu verbringen?
Tyus: Der Traum von der NBA stirbt natürlich nie, wenn man Basketball spielt. Im vergangenen Sommer wäre er sogar fast Realität geworden. Miami und die Suns hatten beide überlegt, mir einen Vertrag zum Veteranen-Minimum anzubieten. Ich hatte hier aber einen gültigen Vertrag ohne Buyout-Klausel. Ich würde jedoch nicht ausschließen, es noch einmal zu versuchen.
SPOX: Nochmal zu Ihrer Religion: Beeinflusst sie auch Ihr Spiel? Vor dem Spiel gegen Cleveland war zu lesen, dass sie am Vortag fasten wollten.
Tyus: Nun, ich musste mich erst daran gewöhnen. Ich habe mich übrigens letzten Endes dagegen entschieden, vor dem Spiel zu fasten, und habe zumindest ein bisschen gegessen. Ich hatte das schon einmal gemacht und mich beim Spiel dann nicht richtig fit gefühlt. Und da musste ich nicht LeBron verteidigen. (lacht)
SPOX: Und wie war es dann für Sie, gegen Ihr großes Idol zu spielen?
Tyus: Es war richtig schön, eine tolle Erfahrung. Ich habe LeBron schon so oft im Fernsehen gesehen, da ist es dann etwas ganz anderes, so jemandem wirklich gegenüber zu stehen. Vor allem wenn man merkt, dass diese Spieler auch einfach nur ganz normale Typen sind.
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