SPOX: Da kommt der nächste Gegner Alba Berlin ja gerade recht, oder?
Tyus: Das kann man so sagen. Ihre Defense ist stark, sehr konzentriert. Sie erlauben nur wenig einfache Punkte und haben einen guten Coach, der sie bis in die Haarspitzen motiviert. Man muss extrem konzentriert gegen sie spielen, sonst kann es ganz leicht daneben gehen, wie man bei ihrem Sieg über Real Madrid gesehen hat. Alba ist ein richtig unangenehmer Gegner.
SPOX: Apropos unangenehm: Sie müssen wahrscheinlich Berlins Topscorer Jamel McLean übernehmen. Wie muss man gegen ihn spielen?
Tyus: Ganz aus dem Spiel nehmen kann man ihn nicht. Er attackiert immer wieder den Korb, zieht unglaublich viele Freiwürfe und trifft sie auch noch sicher. Damit muss man aber leben, und meiner Meinung nach haben wir das in den beiden Hauptrundenspielen recht gut gemacht. Er wird seine Abschlüsse bekommen, man muss es ihm dabei nur eben möglichst schwer machen.
Jamel McLean im SPOX-Interview
SPOX: Da Sie auf der Vier und auf der Fünf spielen können, haben Sie es schon mit etlichen Spielertypen zu tun bekommen. Wer war denn der härteste Gegner für Sie?
Tyus: Puh... (lange Pause) Wahrscheinlich DeMarcus Cousins. Der Typ ist riesig, unheimlich stark und hat dann auch noch Ballgefühl. Einfach ein Biest. Das war mit meinen damals 2,03 Metern nicht die spaßigste Angelegenheit am College. (lacht)
SPOX: Sie spielten vier Jahre in Florida unter Billy Donovan, der 2006 und 2007 zwei College-Meisterschaften in Serie mit Joakim Noah und Al Horford holte. Was zeichnet ihn als Trainer aus?
Tyus: Er ist ein überragender Taktiker, kann vor und während des Spielers die richtigen Anpassungen vornehmen. Vor allem mit Big Men hat er schon immer sehr gut zusammengearbeitet. Und er kann natürlich auch sehr gut rekrutieren, wie man an dem Jahrgang um Horford und Noah gesehen hat.
SPOX: Ihre Zeit kam etwas später, unter anderem spielten Sie zusammen mit Chandler Parsons. War damals schon abzusehen, was für einen Erfolg er in der NBA haben könnte?
Tyus: Um ehrlich zu sein: Potenzial hatte er, es hat mich aber überrascht, dass er sich so schnell durchgesetzt hat. Das liegt an seiner Einstellung. Man sieht ihm das nicht unbedingt an, aber er arbeitet sehr hart dafür, immer besser zu werden.
SPOX: Hat er damals auch schon davon geredet, Unterwäsche-Model zu werden?
Tyus (lacht): Ja! Er war schon immer jemand, der sich für mehr als nur Basketball interessiert hat. Ein sehr witziger Typ, der gerne Spaß hat und alles Mögliche ausprobiert. Ich habe vor kurzem gehört, dass er demnächst beim "Bachelor" mitmachen will. Das würde zu ihm passen! (lacht)
SPOX: Sie selbst haben in Ihrer College-Zeit eine faszinierende Entscheidung getroffen: Wie aus dem Nichts entschieden Sie sich, zum Judentum überzutreten. Wie kam es dazu?
Tyus: Meine Freundin, die heute meine Frau ist, brachte das Thema auf. Obwohl wir selbst keinen jüdischen Hintergrund in unseren Familien hatten, kannten wir viele Juden, unter anderem meinen Mitbewohner. Wir sind in Florida irgendwie sehr schnell in diese Gemeinschaft reingewachsen. Je mehr wir über ihre Werte lernten, desto besser gefielen sie uns und desto mehr kamen wir zu der Überzeugung, dass wir unsere Kinder mit diesen Werten großziehen wollten. Dann haben wir gemeinsam entschieden, diesen Schritt zu machen.
SPOX: Wie hat sich Ihr Leben durch diese Entscheidung verändert?
Tyus: Ich habe sehr viel über mich selbst und über das Leben gelernt. Ich habe eine neue Perspektive bekommen und denke heute anders. Aber auch für meine Karriere war die Entscheidung wichtig.
SPOX: Wie das?
Tyus: Ich war 2011 fertig mit dem College, wurde aber nicht gedraftet. Normalerweise hätte ich dann versucht, mich über Camps und die Summer League für die NBA zu empfehlen. 2011 gab es aber den Lockout, also bestand die Möglichkeit nicht. Als ich mit meinem Agenten darüber sprach und ihm erzählte, dass ich kurz davor war, ein Jude zu werden, brachte er die Möglichkeit Israel ins Spiel. Hätte ich mich ohne meinen Übertritt dazu entschieden, dorthin zu gehen? Wahrscheinlich nicht.
SPOX: Wie denken Sie vier Jahre später über diese Entscheidung?
Tyus: Ich bin sehr glücklich darüber. In Europa herrscht bei vielen Spielen eine Atmosphäre wie am College, die Fans sind super. Außerdem liebe ich Tel Aviv, und erfolgreich sind wir auch noch.
SPOX: Dann können Sie sich vorstellen, den Rest Ihrer Karriere in Europa zu verbringen?
Tyus: Der Traum von der NBA stirbt natürlich nie, wenn man Basketball spielt. Im vergangenen Sommer wäre er sogar fast Realität geworden. Miami und die Suns hatten beide überlegt, mir einen Vertrag zum Veteranen-Minimum anzubieten. Ich hatte hier aber einen gültigen Vertrag ohne Buyout-Klausel. Ich würde jedoch nicht ausschließen, es noch einmal zu versuchen.
SPOX: Nochmal zu Ihrer Religion: Beeinflusst sie auch Ihr Spiel? Vor dem Spiel gegen Cleveland war zu lesen, dass sie am Vortag fasten wollten.
Tyus: Nun, ich musste mich erst daran gewöhnen. Ich habe mich übrigens letzten Endes dagegen entschieden, vor dem Spiel zu fasten, und habe zumindest ein bisschen gegessen. Ich hatte das schon einmal gemacht und mich beim Spiel dann nicht richtig fit gefühlt. Und da musste ich nicht LeBron verteidigen. (lacht)
SPOX: Und wie war es dann für Sie, gegen Ihr großes Idol zu spielen?
Tyus: Es war richtig schön, eine tolle Erfahrung. Ich habe LeBron schon so oft im Fernsehen gesehen, da ist es dann etwas ganz anderes, so jemandem wirklich gegenüber zu stehen. Vor allem wenn man merkt, dass diese Spieler auch einfach nur ganz normale Typen sind.
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